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Datum: 29. November 2008
Location: Kugl
St.-Gallen
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

An diesem bizarren R'n'R-Gemälde hätte Hieronymus Bosch seine Freude.

Review von Martin Mengele

Schon im Foyer des St. Gallener Clubs Kugl kommen seltsam maskierte Gestalten auf einen zu, die irgendwie nicht von dieser Welt scheinen. Wer Bonaparte nur von Platte kennt, kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, was ihn erwartet.

Der Schuppen ist jedenfalls bis unters Dach gefüllt mit Neugierigen, die der Dinge harren, die da kommen mögen. Gespanntes Warten also bis mit einer halben Stunde Verspätung der andere Act des Abends den Bann bricht.

1984-Drummer Clémentine Jung zählt ein und passend zu ihrem Genre betreten die Straßburger Newcomer ganz in schwarz gekleidet die Bühne und eröffnen mit dem Hit "The Missing Voice". Sänger und Gitarrist Etienne Nicolini stellt von Beginn an echte Frontmann-Qualitäten unter Beweis und hält die Spannung mit rockiger Saite hoch. Nicht mal einen Song braucht das Trio, um das sehr junge Publikum mit New Wave-Charme zu betören.

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Obwohl die Band noch vielen relativ unbekannt sein dürfte, grölt man den ein oder anderen Songs textsicher mit. Vor allem die frankophilen Zuhörer haben mit den Lyrics von Mille Neuf Cent Quatre-Vingt-Quatre kaum Schwierigkeiten. Beim Ska-inspirierten "Skandiska" geraten die ersten Grüppchen in Tanzlaune.

Der Hit "Cache-Cache" fegt dann die letzten Nichttänzer vor die Bühne und verwandelt das Kugl in eine rockendhüpfende Masse. Neben Songs von ihrem Debüt "Open Jail" spielen Nicolini und seine Männer auch drei unveröffentlichte Titel, die auf ein ähnlich hitlastiges Nachfolgeralbum hoffen lassen.

Nach einer kurzen Umbaupause geht es plötzlich Schlag auf Schlag. Bonaparte: Ein übergroßes Äffchen mit Harlekin-Maske betritt die Bühne. In buntem Frack und Frottee-Unterhosen macht es auf Zirkusdirektor und schwingt nebenher noch den Bass. Ein zwergenähnlicher Typ mit goldenem Helm und Ray Ban-Pilotenbrille folgt und bläst zu "Do You Wanna Party" als menschliche Kanonenkugel Seifenblasen aus einer Kindertrompete in die verqualmte Luft.

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Im Hintergrund werden gleich zwei Drumkits beackert, wobei die Trommlerin am kleinen Kit versucht, das große mit Feuerzeugbenzin zu entzünden, was ihr bei den Becken auch gelingt. Beim Gitarren-PA brennt derweil eine Röhre durch, und eine kleine Qualmwolke entsteigt dem wuchtigen Gerät, was aber nicht weiter auffällt, da das Teil kurzerhand durch Equipment der Kollegen von 1984 ausgetauscht wird.

Ein seltsames Rabenwesen mit rotem Fez auf dem Kopf kommt von rechts auf die Bühne und versucht, sich aus einer schwarzen Gummi-Zwangsjacke zu befreien, stolpert, windet sich am Boden. Eine schmächtige Transe im schwarzen Tutu und fransigem Flokati-Bikini irrt auf der Bühne herum, reibt das verzerrte Gesicht und die nicht vorhandenen Brüste.

Ein weißer Riesenhase setzt bei "Anti Anti" zum Stagedive an und lässt sich über die Köpfe der Menge hinweg gleiten. Das Rabenwesen hat sich derweil seines Gummikokons entledigt und entpuppt sich als lockig-bärtiges Monster in Feinripp-Unterhose. Wild gestikulierend und tanzend klampft es einem hässlichen Schmetterling gleich die Luftgitarre zu "Who Took The Pill", umringt von Äffchen-Bassist und Stagedive-Häschen.

Die 30-Quadratmeter-Bühne im Kugl wird zu einem bizarren R'n'R-Gemälde umfunktioniert, an dem Hieronymus Bosch seine wahre Freude gehabt hätte. Und wie beim mittelalterlichen Meister entdeckt man immer wieder neue Details und Wendungen. Die Musik gerät zwar fast zur Nebensache wie der Score eines verwirrenden David Lynch-Films.

Die Show aber erreicht ihren Zweck: Die Menge tobt und giert nach noch mehr Exhibitionismus. Wer gerne in den Zirkus geht, kommt hier voll auf seine Kosten.
Mit dieser explosiven Mischung aus Wave-Rock und Punk-Kabarett beweisen die Jungs und Mädels von toxic.fm ein feines Gespür dafür, wie man eine Party mit Aha-Effekt gestaltet.

Artistinfo

LAUT.DE-PORTRÄT Bonaparte

Einer der zahlreichen Herkunftsorte der Gruppe Bonaparte ist St. Helena, weiß deren Facebook-Auftritt. Ein kleiner Spaß für Geschichtskundige, schlug …