laut.de-Kritik
"I'm not a skinhead, I'm a motherfuckin' gangster from L.A."
Review von Dani FrommWenn man erst mal ein gesetztes Alter erreicht hat, fällt es zuweilen ganz schön schwer, sich am Freitagabend aus dem Haus zu hieven. Wenn allerdings diese Herren rufen und der Veranstaltungsort zudem greisenfreundlich in Zweimal-Umfallen-Distanz zum heimischen Sofa gelegen ist, hat die Schwerkraft wenig Chancen auf Sieg: "It's the return of the tres delinquentes!" Dreimal bereits gesehen, schau' ich mir die Delinquent Habits gerne noch ein viertes (und fünftes und sechstes) Mal an: Bisher zumindest ein steter Garant für höllisch schweißtreibende Live-Shows. "Here come the horns!"
Mit 250, vielleicht 300 Gästen ist der Konstanzer Kulturladen zwar nicht gerade "brechend voll" (mit gutem Willen und großzügig ausgelegten Feuerschutzbestimmungen wäre da schon noch einiges drin gewesen). Spärlicher Besuch sähe dann aber doch anders aus: Mit einer Crowd dieser Stärke lässt sich arbeiten.
Dennoch tut sich Arianna Puello, rosa Baseball-becapte Rap-Lady aus Barcelona, mit ihren spanischen Flows nicht gerade leicht. "I know you don't understand me, but can you feel me?" Eher unentschlossen, die Reaktion des Konstanzer Publikums. Ich habe schon Warm-Up-Acts gesehen, die den Headliner in Grund und Boden gerockt haben. So läuft das heute nicht: Arianna liefert zwar einen amtlichen Auftritt inklusive Shakira-Hüftschwung, dicker Eier-Gestik, die einem Xzibit Angst eingejagt hätte und einem DJ hinter den Plattentellern, der mit seiner ausladenden Gestik selbst eine Gehörlosen-Party zum Überschnappen dirigieren könnte.
Trotzdem erleidet Miss Puello, genau wie ihr hünenhafter Sidekick in Skihandschuhen (dessen Name mir doch tatsächlich nicht mehr einfallen will. Der Teufel hat den Schnaps gemacht. Wer hilft?), das traditionelle Schicksal des unbekannten Supports. Ihre Leistung erntet artigen und respektvollen Applaus, eigentlich wartet das Volk jedoch auf andere Kaliber.
Für die wird dann auch erst mal umgebaut. Ein Mischpult, ein anderes Mischpult ... Wie das eben so läuft, wenn die Herren, wie mir bereits am Eingang gesteckt wurde, vorher keine Lust auf einen Soundcheck haben. Der Laune tut weder die Pause noch der dann doch leicht muffelige Sound irgendeinen Abbruch: Nur Sekunden nachdem O. G. Styles lossrcatcht, fühlt man sich (zumindest im vorderen Drittel des Raums), als sei der Laden zum Bersten gefüllt - und als Ganzes am Springen.
Ives, Chente und Michelle, die ihren Crewkollegen vielleicht noch in der Dichte der Tattoos, nicht aber in der Imposanz der Erscheinung nachstehen (von der beeindruckenden Stimmgewalt mal ganz zu schweigen), präsentieren sich als Bühnenviecher wie eh und je. Michelle, in schwarzem Lacklederrock, Pumps und einem mutigen Dekolleté, aus dem sie am Ende des Abends vermutlich regelmäßig ein halbes Dutzend dort vergessener Augäpfel herausfischen darf, erweist sich als absoluter Gewinn für die Delinquenten. Die Begeisterungsstürme beschränken sich keineswegs nur auf die Hits, die von "Tres Delinquentes" bis "Feel Good" natürlich sämtlich genüsslich zelebriert werden.
Nur mit einiger Mühe verschafft sich Ives zwischendurch Gehör, um halb amüsiert, halb empört, seine Begegnung mit der deutschen Ordnungsmacht zu schildern: In einer Kontrolle falsch eingeschätzt, klärte er den Beamten offenbar mit einem wohlgesetzten "I'm not a skinhead, I'm a motherfuckin' gangster from L.A." über die wahren Gegebenheiten auf. Sollte Ives im Zuge dessen tatsächlich mit den Worten "Wait a minute, asshole. I'm on the phone!" um Geduld gebeten haben, sagt mir der Umstand, dass er rechtzeitig auf der Bühne stand: Entweder habe ich die Toleranz der hiesigen Polizei schwer unter- oder ihre Englischkenntnisse dramatisch überschätzt.
Wie auch immer: Die Show ist nicht von schlechten Eltern. Ganz nebenbei bringen die Habits, wie es schöner Brauch ist, großzügig Tequila unter die ersten Reihen. Die Becher sind alle? Kein Problem, Fortsetzung folgt direkt aus der Flasche. Die ist leer? Scheißegal, wer wird denn vor anderen Hochprozentern zurückschrecken?. Die Frage "Are you motherfuckers crazy enough to drink some armagnac with us?" erlaubt schließlich nur eine Antwort.
Obwohl ich mich tunlichst vom Bühnenrand fernhalte (zu plastisch sind mir noch immer die grausamen Kopfschmerzen präsent, die ich mir 2001 an entsprechender Stelle im Café Mokka abholte), werde ich nach bestimmt zwei Stunden, ebenso viele Kilo leichter und gut angeschickert, noch Zeuge einer Live-Comedy-Einlage: MC wählt Backstage-Huhn. Ich hoffe von Herzen, die junge Lady, die ihn (nachdem ihr Liebster leider draußen bleiben musste, nicht ohne den Schutz zweier Anstandsdamen) begleitete, hat die Nacht wohlbehalten überstanden.