20. November 2008

"Die Skills sind im Keller"

Interview geführt von

Ich warte im Dynamo in Zürich auf die Dilated Peoples. Und ich warte lange.Dieses Mal bin ausnahmsweise ich pünktlich und meine Interviewpartner noch irgendwo unterwegs. Knapp zwei Stunden später geht's dann los – leider nicht wie geplant mit allen drei Peoples, sondern nur mit deren DJ Babu. Aber der weiß eh über alles Bescheid, wie sich heraus stellt...

Hallo Babu!

Hallo!

Als erstes möchte ich Dich bitten, mein inzwischen etwas eingerostetes Englisch zu verzeihen.

Dann verzeih' mir Du bitte mein eingerostetes Schweizerdeutsch.

Ach so, ich bin aus Deutschland, nicht aus der Schweiz.

Dann entschuldige bitte mein schlechtes Deutsch. Alles, was ich in Deutsch kenne ist ... ähm ... "Dankeschön".

Das ist ja schon mal was! Aber lass uns loslegen: Du hast ja gerade eben "Duck Season - Volume 3" veröffentlicht. Ein paar Worte dazu vielleicht?

Es hat ewig gedauert, bis ich die jetzt rausbringen konnte, aber ich bin sehr froh, dass es nun so weit ist. Das Ganze hat ja als Compilation begonnen. Ich habe auf Volume 1 nur einen einzigen Song selbst produziert. Das war "Duck Season" mit den Beatnuts und zu der Zeit, als ich mit Dilated Peoples das "Platform"-Album fertig stellte. Für die zweite Dilated-LP steuerte ich dann bereits eigene drei Tracks bei, was echt hart war. Ich meine, ich musste mich mit Produzenten wie Alchemist, Evidence, Joey Chavez, den Beatminerz und den Beatnuts messen! Es hat mir also sehr viel bedeutet, diese drei Tracks auf "Expansion Team" zu haben.

Das gab mir dann auch den Anstoß zu sagen: "Okay, ich will für die zweite Duck Season die Hälfte der Tracks selbst produzieren, und nur die andere Hälfte lizensieren." Und Nummer drei ist nun das Ende dieser Evolution, ich sagte mir: "Ich will alles selber machen. Ich will alles selbst produzieren, mixen und mastern."

Der größte Kritikpunkt, den ich immer zu hören bekam, war, dass ich zu lange warten würde. Die Leute meinten: "Was ist los? Wieso dauert das so lange? Die letzte Duck Season liegt über vier Jahre zurück!" Sie meinten, ich müsse die am Ball bleiben, neues Zeug raushauen und so weiter. Aber ich war mit Dilated Peoples beschäftigt, hatte mit Defari die "Likwit Junkies" am Start und machte ja auch weiterhin meine eigenen DJ-Gigs. Ich denke, das Warten hat sich für mich gelohnt. Ich denke, man erkennt deutlich, dass ich viel besser geworden bin in dem, was ich mache.

Außerdem bin ich in den vergangenen Jahren extrem in die technische Rolle hineingewachsen – übrigens auch was Dilated betrifft. Ich kümmere mich inzwischen um alles, was das Aufnehmen betrifft und trage die komplette Verantwortung für den ganzen Prozess – auch wenn das bedeutet, dass ich bis fünf Uhr morgens und mit blutunterlaufenen Augen im fensterlosen Studio hänge, weil ich wirklich alles selber mache.

Wenn man will, das etwas ordentlich gemacht wird, macht man es am besten selber, stimmt. Aber nur so kriegt man auch, was man will... Übrigens, diesen cartoon-artigen Song mit Defari finde ich großartig. Wie läufts mit ihm?

(lacht) Danke! Die Nummer ist übrigens auch ein kleiner Vorgeschmack auf das kommende Likwit Junkies Album. Wir haben inzwischen eine Menge neuer Sachen fertig und zu rund 90% ist das Album auch im Kasten. Ich lege momentan nur noch die Scratches drauf und Defari wird die eine oder andere Zeile noch mal überarbeiten – aber man kann das neue Album in Kürze erwarten.

War oder ist "Duck Season" eigentlich als Trilogie geplant und damit nun beendet, oder darf man ein "Volume 4" erwarten?

Grundsätzlich ist alles möglich. Aber ehrlich: Momentan weiß ich nicht, ob ich einen vierten Teil machen will. Denn auf gewisse Art und Weise habe ich mich hinter dem "Duck Season"-Format ja immer auch ein bisschen versteckt: Ich präsentiere alle drei LPs als Mixtapes und dafür gibt es gute Gründe. Zum einen ist mein DJ-Hintergrund das absolute Fundament für alles, was ich mache. Es war mir enorm wichtig, dass genau dieser Background auch auf "Duck Season" omnipräsent ist. Zweitens bin ich der Meinung, dass der Begriff "Mixtape" in den letzten fünf Jahren sehr inflationär und lose herumgeworfen wurde. Also war es mir ein Anliegen, den Leuten da draußen auch mal wieder zu zeigen, was ein gut gemachtes Mixtape ausmacht und wie sich das anhören sollte.

Andererseits, wie gesagt, nutzte ich dieses Mixtape-Ding immer als eine Art Schild, das mich vor einem all zu großen Kritikeransturm beschützt. Wenn Du ein "Mixtape" rausbringst, dann wirst Du nicht so kritisch beäugt, wie wenn Du Dich hinstellst und sagst: "Boom. Hier ist meine Produzenten-LP." Ich sagte immer: "Hier ist meine Produzenten-LP, getarnt als Mixtape." Genau diese Vorgehensweise hielt mir diese "Lupe" ein wenig vom Leib. Es ist eine DJ Babu-LP. Nicht mehr und nicht weniger. Aber nun bin ich bereit für den Sprung ins kalte Wasser. Das nächste DJ Babu Solo-Projekt wäre also ein astreines Produzenten-Album.

Das heißt mit "Duck Season 4" stellt sich DJ Babu der öffentlichen Kritiker-Meinung als Produzent?

Ich weiß nicht, ob ich es dann "Duck Season 4" nennen werde. Ich glaube, es wird einen anderen Titel erhalten, da ich damit dann auch von Grund auf neu starten möchte. Eher sowas im Stil von Marley Marls "In Control" oder Pete Rocks "Soul Survivor" – denn das sind zwei wirklich große Produzenten-LPs.

Aber im kommenden Jahr werde ich erst mal noch die "Duck Season"-Reihe ergänzen: Es sind 18 Tracks auf Volume 3, aber ich habe ungefähr 26 dafür aufgenommen, die es einfach aus Zeitgründen nicht auf die Scheibe geschafft haben. Mit Zeitgründen meine ich: Auf eine CD passen nun mal nur 74 Minuten. Es war echt schwer, Songs auszusuchen und andere weg zu lassen. Ich weiß zwar noch nicht genau, wie ich das mit der Veröffentlichung mache, aber Anfang kommenden Jahres kommt eine "Duck Season 3.5" mit eben diesen unveröffentlichten Songs, neuen, exklusiven Sachen und Remixes von den jetzigen Nummern ... es wird auf jeden Fall ein Leckerbissen. Ich befürchte sogar, dass die Leute sagen werden: "Ich finde Duck Season 3.5 besser als die 3!" (lacht)

Noch mal zur drei: Track 18 featured wieder einmal den Nachwuchs-MC Niko. Animierst Du Deinen Sohn zum Rappen oder verlangt er inzwischen Beats von Dir?

Oh, das ist lustig. Das ist der erste Song, den er seit Jahren gemacht hat und er ist inzwischen neun. Beim ersten Mal, als wir gemeinsam etwas aufgenommen haben, wurde er gerade fünf. Damals war das nur ein Experiment, das sich als etwas Positives herausgestellt hat, worüber meine Frau und ich lachen konnten. Bereits mit eineinhalb Jahren war er bei unseren Shows dabei, war mit mir im Studio, zusammen mit "Onkel Evidence" und "Onkel Rakaa" und seinen "Beat Junkie Onkeln". Er lebt in einem Haus voller Platten und Sound-Equipment, einer Garage mit einem Schlagzeug, er hat Plattenspieler in seinem Zimmer und bastelt selber Beats am Computer. Das ist für ihn alles völlig normal, wie die Luft, die er atmet, er kennt das gar nicht anders. Bereits ganz früh, wenn ich mit ihm Auto unterwegs war und im Radio irgendwelche Beats analysierte, fuchtelte er schon mit den Armen rum und machte "Gaga, gugu" im Takt.

Mit drei hat er bei uns im Schlafzimmer die Kissen wie Monitorboxen gestapelt, meiner Frau und mir eine Show geliefert und uns anschließend High-Fives gegeben – so wie er es von uns auf der Bühne gesehen hatte. Wir haben uns schier totgelacht mit ihm. Als er dann fünf wurde hab ich ihm zwei Songs geschrieben. Die haben wir aufgenommen und auf ungefähr hundert CDs gebrannt – sein Geburtstag war dann so was wie seine "Release Party": Eine Riesenfete mit allem Drum und Dran, wo ihn Rakaa und Evidence ankündigten: "Macht mal Lärm für Niko!" Und er hat die Party gerockt! Mit fünf!

Aber ich habe keine Träume oder Erwartungen, dass er notwendigerweise in dieses Business einsteigt. Wenn es passiert und es ihn dorthin verschlägt, ist das toll. Aber bisher war das nur ein Weg, ihn in meine Welt zu lassen, ihm zu zeigen: "Das ist, was Dein Papa macht." Das macht uns zu engen Freunden.

Angenommen, er bleibt am Ball, dann ist er in 20 Jahren das, was man wirklich einen "gewachsenen Rapper" nennen kann.

Richtig. Aber selbst, wenn er es nicht professionalisiert oder es nicht mal mehr als Hobby macht, dann freue ich mich, dass er diese Kunstform und Kultur kennen und schätzen gelernt hat. Er liebt Musik und ist sehr kreativ, aber gerade bei uns an den Schulen in den Staaten könnten sie mehr machen, was das betrifft. Es ist ein Stigma: Das einzige, was es musikmäßig an den Schulen bei uns gibt, nennt sich "Band". Und wenn Du da während Deiner Highschool-Zeit dabei bist, dann bist Du der Trottel schlechthin. Ein Nerd. Was ja aber doch paradox ist: Denn auf der anderen Seite, wenn Du Musiker oder in einer Band bist, dann bist Du ja eigentlich der coolste Dude überhaupt und alle Mädels finden Dich toll.

Bei uns zuhause und sofern es die Finanzen zulassen, möchte ich meinen Kindern jedenfalls eine freie Kreativität, Originalität und einen gewissen Style ermöglichen. Ich möchte sie wissen lassen: "Guckt mal, diese Hip Hop-Sache ist in der Lage, Euch ein Dach über dem Kopf und täglich was zu Essen zu bescheren."

Er macht jedenfalls für sein Alter keinen schlechten Eindruck als MC.

Naja, es ist keine besonders innovative Sache, dieser neue Song. Ich meine, er ist neun und sagt ein paar ganz nette, Gott sei dank nette Sachen. Aber schau Dir doch mal die aktuelle Rap-Szene an. Die rappen über ... Essen! ... und reimen "Katze" auf "Tatze". Das ist doch traurig. So gesehen ist das auch eine Art Ansage: "Das hier ist mein neun Jahre alter Sohn und sein Dad im Heim-Studio und ein Tag Arbeit. Ihr Rapper da draußen, hängt Euch mal wieder ein bisschen rein!" (lacht) Die Skills sind momentan auf breiter Front echt arg im Keller, finde ich.

Dilated Peoples: Quo vadis?

Das ist nicht nur in den USA ein Problem ... Lass uns ein wenig über Dilated quatschen. Es ist jetzt ein gutes Jahr her, dass ihr Eure "Release Party" von den Majorlabel-Handschellen feiern konntet. Seid ihr immer noch zufrieden mit dieser Entscheidung oder kommen Euch erste Zweifel?

Es ist spannender denn je. Ich denke, wenn man die aktuelle Lage der Musik, die Art wie sie gehört wird und wie sie um die Welt zirkuliert, berücksichtigt, dann heißt es mehr als jemals zuvor: Mach Dich selbst an Deine Karriere!

Wir als Gruppe haben neue Technologien, das Internet und neue Herangehensweisen immer gut geheißen. Das Motto von heute lautet: Nach oben sind keine Grenzen gesetzt, wenn Du MySpace, YouTube oder Facebook zur Verfügung hast. Es gibt keinen Grund für einen Deal mit einem Majorlabel, außer Du bist faul oder Du bist Christina Aguilera. Und selbst wenn Du so groß bist, denke ich, profitierst Du mehr davon, es auf eigene Faust zu machen und deine eigene Firma zu gründen. Do it yourself!

Was uns betrifft: Ja, wir genießen es wirklich, von Capitol weg zu sein. Evidence hat als erster nach dem Split mit seiner "Weatherman LP" die Meßlatte echt verdammt hoch gelegt für uns als neugeborene Indie-Künstler. Wir sind echt stolz auf ihn. Außerdem geht gerade seine "Layover EP" an den Start, eben kam meine dritte "Duck Season" raus und auch Rakaa steckt knietief in seinem Solo-Debüt.

Diese Solo-Sachen hatten absolute Priorität für uns, speziell für Evidence und Rakaa. Wären die damals an Capitol herangetreten und hätten gesagt: "Ich will eine Solo-Scheibe machen", dann hätte Capitol denen vertragsmäßig wieder einen Strick draus gedreht. Und keiner von den beiden hatte länger als nötig Bock auf Capitol. Nachdem wir als Dilated Peoples also unsere Pflicht erfüllt hatten, veröffentlichten wir als erstes unsere gemeinsame "Release Party"-DVD – und selbst da wollten die noch mit ins Boot.

Dann starteten wir alle unsere Solo-Projekte, aber sind natürlich nach wie vor eng miteinander verbunden, supporten uns im Studio und live und sind ja auch immer wieder gemeinsam auf Tour, wie Du siehst. Ich möchte einfach nicht, dass die Leute auf die Idee kommen, Dilated Peoples hätten sich getrennt. Aber klar, jeder von uns genießt seine neue Freiheit, sicher.

Würdest Du sagen, dass dieser "Knebelvertrag" mit Capitol, der Euch so lange als Band zusammengeschweißt hat, genau dadurch eine Art persönlichen Keil zwischen Euch getrieben hat?

Ähm... (überlegt lange) Also, ich denke, dass dieser Vertrag mit Sicherheit etwas damit zu tun hat, wie und wer wir heute sind. Dazu muss ich erst mal sagen, dass Evidence und Rakaa sehr großzügige Kerle sind – denn ich selbst hatte nie einen Vertrag mit Capitol. Ich persönlich hatte meinen Vertag mit Ev und Rakaa, während die beiden an Capitol gebunden waren. Aber egal, was wir als Dilated machten und verdienten, wir teilten es immer durch drei. Trotzdem haben sie nicht darauf bestanden, dass ich einen Vertag mit Capitol unterschreibe.

Auf diese Weise war es mir in den vergangenen Jahren möglich, z.B. "Super Duck Breaks" bei Stones Throw zu veröffentlichen, die Duck Seasons oder auch die Likwit Junkies-Sache zu machen – so gesehen hatte ich als einziger von uns die Chance, immer mal wieder Abstand zu der Karriere mit Dilated zu gewinnen. Die anderen beiden hatten diese Chance fast nie. Evidence vielleicht noch irgendwie in seiner Rolle als Produzent für z.B. Planet Asia oder Defari und so weiter. Aber als Solo-MCs hatten sie aufgrund des Vertrags keine Chance, aus der Dilated-Sache mal auszubrechen.

Insgesamt gesehen ist es also wahnsinnig erleichternd, von dem großen Label weg zu sein und tun und lassen zu können, worauf wir Lust haben. Die Typen von Capitol können uns nix mehr sagen, herrlich.

Aber um auf Deine Frage zu antworten: Klar, die Angst und der Druck eines Major-Deals beeinträchtigt natürlich schon das interne Verhältnis. Und ja, es gab auch "Wachstumsschmerzen", aber die haben uns letzten Endes zu mehr als Freunden gemacht. Wir gingen durch Liebe und Hass und sind heute an dem Punkt angekommen, an dem wir erkennen, dass Dilated über die Jahre mehr geworden ist als die Summe seiner Teile. Wir können stolz zurückblicken auf unser gemeinsames Vermächtnis und erkennen, dass Dilated uns in die Zukunft begleiten wird. Kurzum: Es kommen neue Dilated Peoples-Sachen, Wort drauf.

Wann dürfen wir damit rechnen?

Wir beginnen noch dieses Jahr, daran zu arbeiten. Aber wie schon gesagt, aktuell haben ganz einfach die Solo-Projekte, vor allem die von Ev und Rakaa, Vorrang. Denn dieses Individuum-Ding ist für eine Band sehr wichtig. Es sei denn, alle sind schon immer einer einzigen Meinung gewesen. Wenn Du Blink 182 und plötzlich da bist und sagst: "Genau das und nichts anderes machen wir jetzt unser ganzes Leben lang!", dann mach' das. Aber wir haben als Solo-Artists begonnen, uns kennen gelernt und eine Gruppe gegründet – hatten dabei aber stets im Hinterkopf, früher oder später auch wieder solo aktiv zu sein. Ich meine, wenn Du Dir unsere Alben anhörst, dann hörst Du da immer typische Evidence-Songs, typische Rakaa-Songs und auch Songs, wo Du den Unterschied wiederum fast nicht erkennst. Wir haben uns gegenseitig immer sehr viel Raum gelassen, sogar ich hatte ja meine eigenen Songs auf den Dilated-LPs.

Ich halte das für essentiell wichtig für Musiker und deren schöpferische Kraft. Es ist ein zweischneidiges Schwert: Jedes Mal, wenn ich weg war und mich um meine eigenen Sachen gekümmert habe, habe ich auch Unmengen an Neuem dazu gelernt. Wenn Du Dich aber immer nur mit Deiner eigenen Band umgibst, dann schaust Du unwillkürlich, was die anderen so treiben... und Du weißt ja: Das Gras im Nachbarsgarten ist immer grüner.

Jedes Mal wenn ich dann "draußen" bin und zurückblicke, dann bin ich echt glücklich, diese beiden Jungs im Rücken zu haben und den Spaß und die Sorgen mit ihnen zu teilen. Auch wenn man oft wochenlang im Tourbus aufeinander hockt, den anderen schon in- und auswendig kennt und sich nur noch auf die Nerven geht. Aber es läuft ja auch mit anderen MCs nicht immer alles wie geschmiert... und spätestens dann, wenn ich ein großes, schwieriges Projekt fertig und veröffentlicht habe, dann freu' ich mich auf meine Rückkehr und kann sagen: "Kommt schon, lasst uns neue Musik machen! Ich bin frisch und meine Dilated-Akkus sind wieder voll."

Nehmt ihr eigentlich irgendwelche deutschen oder europäischen MCs, DJs oder Produzenten wahr?

Hm... jetzt hast Du mich erwischt. Sido vielleicht, der scheint hier drüben eine große Nummer zu sein. Wer noch ... Tim! Welche deutschen Hip Hopper kenn' ich noch?

(Der Tourmanager schaltet sich ein:) Na Kool Savas, Alter! Aber ehrlich: Wenn Du als US-Act durch Deutschland unterwegs bist, da kriegst Du höchstens "die Großen" mit. Denn es ist schwer, sich in der kurzen Zeit mit weniger bekannten Künstlern auseinander zu setzen. K.I.Z. wären vielleicht noch so ein Kandidat, aber die sind noch zu neu...

(DJ Babu:) Ach genau, Kool Savas – natürlich. Wir sind halt nun mal ignorante Amerikaner. Wenn Du kein Englisch sprichst, nehmen wir Dich nicht wahr. Aber im Ernst: Ich hör so viele Songs und Beats, dass ich sagen kann: Mit der Technologie von heute und den Möglichkeiten, die das Internet bietet, musst Du nicht aus den Staaten sein, um es krachen zu lassen. Ich kenne genug fähige und gute Produzenten aus der ganzen Welt. Klar sollte ich mehr deutsches Zeug kennen. Tu' ich aber nicht.

Amerikas Wahl

Leider ist Evidence ja nicht hier, aber vielleicht kannst Du ja auch etwas dazu sagen: Sein Solo-Debüt "The Weatherman LP" – wäre das bei Capitol überhaupt möglich gewesen und wenn ja, hätte es auch so geklungen?

Naja, ich kann natürlich nicht wirklich für ihn sprechen, aber so viel ist gewiss: Wäre dieses Album bei Capitol erschienen, wäre es für Ev eine riesiger Kampf gewesen. Alleine schon aufgrund der übermächtigen Verkaufszahlen-Priorität – aber eben auch in Bezug auf den ganzen Papierkram wie die Klärung aller verwendeten Samples, des Budgets und so weiter und so fort.

Aber das sind wir ja allesamt gewohnt, denn auch mit Dilated war es bei allen vier Alben ein Kampf mit dem Label, damit wir unsere musikalischen Visionen und Vorstellungen durchsetzen konnten. Evidence bildet da keine Ausnahme, er investiert unglaublich viel Leidenschaft in das, was er tut und wäre die Situation so gewesen, dann hätte er etwas vergleichbar Hochwertiges abgeliefert. So ist er nun mal. Aber dass er letzten Endes beim Independent-Label ABB/Imperial veröffentlichen konnte, war in jeder Hinsicht und auf jeden Fall von Vorteil für ihn.

Du und Rakaa habt zusammen die "Expansion Team Soundsystem" Live-Reihe gestartet. Inzwischen gibt es auch zwei Mixtapes unter diesem Namen. Wird es je einen dritten Teil von "World On Wheels" geben?

ETS-Gigs waren immer etwas, das Rakaa und ich aus Spaß an der Freude gemacht haben, wenn die Zeit es zuließ. Ein bisschen herum reisen, ein bisschen was verdienen. Zwei Stunden Rakaa als Host auf der Bühne, DJ-Show von mir und dann ab in die nächste Stadt – weit von einem offiziellen Dilated-Auftritt oder auch einer Solo-Show entfernt. ETS machen wir wirklich nur, wie wir Lust dazu haben. Und früher oder später kommt sicher auch ein Volume 3, klar.

Ein paar letzte Worte vielleicht zu Amerikas Wahl?

Ich war bewegt, Alter. Ich bin stolzer Wähler und zumindest von meinem Standpunkt, von Los Angeles und Kalifornien aus betrachtet kann ich sagen: Nachdem uns die Wahl schon zweimal buchstäblich gestohlen wurde, tat es gut zu sehen, wie die Leute sich dieses Mal beteiligten. Ich war echt froh, dass es nicht zu Ausschreitungen kam, obwohl man lange Zeit davor beobachten konnte, dass "Obama vs. McCain" ein in der amerikanischen Öffentlichkeit sehr heiß diskutiertes Thema war.

Ich bin stolz, für Barack gestimmt zu haben. Als jemand, der viel in der Welt herumreist, habe ich hautnah erlebt, wie es vor und nach dem 11. September war, als Amerikaner unter dem Bush-Regime in anderen Ländern unterwegs zu sein. Mir schlug da kein Hass entgegen, eher so etwas wie Mitleid: "Oh, Sie sind Amerikaner? Tut mir leid... euer König ist echt böse. Er macht auf der ganzen Welt die Leute blöd an." Und über diese Reaktionen bin ich echt noch froh, denn einfacher wäre es ja gewesen, zu sagen: "Fuck you, Amerikaner!" Aber so schienen die Leute wenigstens zu wissen, dass es nicht die Stimme Amerikas war, die diesen Präsidenten ins Weiße Haus gesetzt hat. Diese Wahl war da echt was anderes, vor allem auch, was die jungen Wähler, also die Zukunft Amerikas betrifft.

Um ehrlich zu sein: Von dieser großen Rede von Barack in Chicago nach seinem Sieg war ich echt sehr berührt, so kitschig das klingen mag. Aber ich denke, die meisten Amerikaner würden mir zustimmen, wenn ich sage, dass dies die leidenschaftlichsten Wahlen seit ... JFK waren. In den letzten Jahrzehnten hatte es den Anschein, als wären unsere Präsidenten eher die Köpfe von großen Unternehmen als ein Mann oder eine Frau fürs Volk. Ich persönlich setze große Hoffnungen in Barack Obama und heiße jede Art der Veränderung willkommen.

Den Leuten steht das Wasser echt bis zum Hals: Meine Nachbarn, die echt gut verdienen, mussten vom einen auf den anderen Tag ihr Haus verlassen, weil sie ihren Job verloren hatten. Wir bezahlen über vier Dollar für eine einzige Gallone Benzin! Es sind echt harte Zeiten …

Also ja, ich bin echt froh, dass er es ins Weiße Haus geschafft hat. Es ist echt wild, welche Wirkung Amerika auf den Rest der Welt hat ... und ich bin wieder stolz, Amerikaner zu sein. Wieder mal, muss ich sagen, denn ich war es natürlich immer. Aber jetzt bin ich es wieder zu hundert Prozent und hoffe, wir können die Brücken, die wir weltweit zerstört haben, wieder reparieren. Obama als Präsident ist ein Strahl der Hoffnung für unsere Jugend, unsere Zukunft und unser Land. Ich hoffe, die Welt nimmt Amerika nun wieder ein wenig anders wahr.

Ja. Die Zukunft strahlt momentan ein bisschen heller als sonst.

Ja Mann, es war echt lächerlich, diesen Typen da im Weißen Haus zu haben. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass wir so einen verrückten Kerl da rein gesetzt haben. Wenn er eine Ansprache im Fernsehen hatte, haben wir uns immer eingeraucht, uns das wie ne Comedy reingezogen und uns vorgestellt, wie er keine Ahnung hat von dem, was er da redet. Wie er von seinem Dad und dessen Freunden schikaniert wird: "Halt die Klappe, George W., lass uns reden. Tu, was wir Dir sagen! Hier ist ein Skript, lies es vor!" Oder so: "Willst Du in den Krieg ziehen?" – "Ja! Ja! Lass uns in den Krieg ziehen!"

Wie in einem schlechten Film...

Exakt. Wie in einem schlechten Film.

Okay, dann sag’ ich vielen Dank!

Gerne! Ich wünsch’ Dir eine gute Zeit!

Im Hinausgehen läuft mir Rakaa über den Weg und ich kann noch in Erfahrung bringen, dass er sein Solo-Debüt wohl im März oder April kommenden Jahres veröffentlicht.

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