laut.de-Kritik
Review von Eberhard DoblerDie Erwartungen waren hoch gesteckt. Denn Skandal-Rapstar Eminem warf die Kettensäge in Deutschland zum ersten Mal überhaupt an. Eine Hürde, die eigentlich kaum zu nehmen ist. Viele Fans erblickten ihr Idol beim einzigen Deutschland-Konzert zum ersten Mal und hatten das Ereignis vielleicht schon im voraus unter der Rubrik "Der wichtigste und schönste Augenblick meines Lebens" eingeordnet. Für Eminem und seine D-12-Posse war das Hamburger Konzert zwar der Auftakt zur Europa-Tour, aber letztlich ein Gig unter vielen.
Das heißt, der fiese Slim Shady flog mit ordentlich Gepäck über den Ozean und präsentierte eine solide Show in der Alsterdorfer Sporthalle: Xzibit und Outkast im Vorprogramm, als Bühnen-Deko eine heruntergekommene Detroiter Wohnhütte, die später durch eine Ritterburg ersetzt wurde, ein böser Slim Shady-Comicstrip und ein wenig Pyro-Knallerei. Dazu jede Menge Hits, straighte Tunes, Marshall Mathers' eigenwillig schneller Flow und fast 7000 genauso begeisterte wie textsichere Fans. Auch Angehörige aus dem Musik-Biz wollten da nicht fehlen und sich Unterricht in Sachen Performance holen. So wurden u.a. Das Bo, Guano Apes-Shouterin Sandra Nasic und auch Bandmitglieder von Die Happy gesichtet.
Gleichwohl gingen die Reaktionen dann auseinander. Von Ablehnung über Enttäuschung bis zu Gleichgültigkeit und verklärender Glückseligkeit war alles dabei. Kein Wunder, denn der momentan wohl erfolgreichste Pop-Star provozierte wo er konnte und ließ die Fans an seinem Hass auf diejenigen, die ihm in seinem Leben übel mit gespielt haben oder heute ans Bein pinkeln, offensiv teil haben. Irgendwie kam alles wie erwartet. Vor der Halle harrten Horden besorgt wartender Eltern, drinnen auf der Bühne rappten die Leute, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben: Musiker, die mit Ecstasy, Alkohol-Missbrauch, Gewalt und Sex - beispielsweise in Form eines riesigen aufblasbaren Plastik-Dildos - kokettierten und die Erziehungsbemühungen ganzer Bataillone von Lehrern mit einfachen Four Letter Words zunichte machten.
Eminem hat den Ruf, der ihm nach Europa voraus eilte, in Hamburg nach bestem Können und Gewissen erfüllt. Kaum ein zweiter Pop-Star ist derzeit erfolgreicher und umstrittener als er. Höchstens noch Marilyn Manson. Manche sehen in den beiden den personifizierten Untergang des Abendlandes. Vielleicht sollte man den ganzen Klamauk aber auch weniger wichtig nehmen. Denn Eminem rappt in erster Linie für sich selbst, als Therapie sozusagen. Nicht umsonst spricht seine Plattenfirma vom "Anarcho-Clown". Jedenfalls passte es wie die Faust auf's Auge, als Manson gegen Ende des Konzerts wie aus dem Nichts auf der Bühne stand und seinen neu entdeckten Rap-Kumpel beim letzten Refrain von "The Way I Am" unterstützte.
P.S.: Beim Gig in Hamburg wurden keine Fotopässe für Online-Medien ausgestellt, weshalb wir leider auch keine Fotogalerie anbieten dürfen.