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Mit:
Datum: 4. Mai 2000
Location: X-tra Limmathaus
Zürich
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Review von Michael Schuh

Als Warm Up-Gig für den Auftritt beim Schweizer Goliath-Rave am Wochenende beehrten Front 242 am 4. Mai kurzfristig das Züricher Limmathaus - und räumten gnadenlos ab. Bei der Techno-Hymne "Happiness" konnte man die Band zunächst nur schemenhaft hinter einem effektvoll eingesetzten, halbtransparenten Vorhang erkennen. Doch spätestens als der Blick auf Shouter-Derwisch Richard 23 im silbernen Space-Mantel frei wurde, standen die Zeichen im Moshpit auf Sturm. "You know me and I sure know you - everyone", dieses Sample ist jedem Fan bekannt: "Masterhit" donnerte aus den Boxen. Mittlerweile hatte sich auch Sänger Nummer 2, Jean Luc de Meyer, an der Bühnenfront eingefunden und erfreute mit den ungelenken Bewegungen eines Tanzbären.

Vor 3 Jahren tourten Front 242 erstmals mit dem "Re:Boot"-Programm, in dem sie sämtliche Elektroklassiker vergangener Zeiten in aufgepeppten Techno-Versionen präsentierten. Seither sieht die Band von Tourneen ab und packt nur noch die Koffer, wenn finanziell lukrative Angebote in ihre belgischen Briefkästen flattern.

Bei der in 19 Jahren angesammelten Palette an Kultsongs, fieberten die meisten Anwesenden natürlich der Songauswahl entgegen. Und so wurden nach 75 Minuten Nostalgie-Film "Quite Unusual" und "Tragedy For You" wohl am schmerzlichsten vermisst. Aber man kann nicht alles haben: Schließlich feuerte die Band wahre Remixperlen von "Motion" und "Welcome To Paradise" ab. "Headhunter" mit etwas weniger Techno-Rumms ist ohnehin eine sichere Bank. Die groovetechnische Meisterleistung im neuen Repertoire stellte dennoch der "Up Evil"-Track "Melt" dar, der mit dem Original fast nichts mehr gemein hat.

Nachdem "Body To Body" die Fans der ersten Stunde in vier Minuten glücklich machte, wurde sogar der Fan-Hunger nach Live-Raritäten gedeckt. Ohne Vorwarnung stimmte die Band plötzlich den Düstertrack "Lovely Day" von 1985 an. Schade nur, daß die Belgier auch hier nicht vor einer technoiden Generalüberholung zurückschreckten. Den Zwei-Akkorde-Song hätten die meisten Besucher lieber in der alten Version gehört. Hier liegt der einzige Wermutstropfen einer ansonsten beeindruckenden Show: Irgendwie scheinen die Herren eher noch fünf Jahre mit den "neuen" Versionen zu touren, als auch nur eine Originalversion für's Fanherz ins Set zu integrieren, ts ts ts. Dennoch: Wie heißt es im jetzt-Magazin der Süddeutschen Zeitung? "Lernen von den Alten". Genau!

Artistinfo

LAUT.DE-PORTRÄT Front 242

Sie zählen zu den Vorreitern der aggressiven, elektronischen Tanzmusik und prägten den inzwischen gefestigten Spartenbegriff "Electronic Body Music" …