Details

Mit:
Datum: 28. November 2000
Location: Schlachthof
Hamburg
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Der New Wave-Torrero begeistert in der Hamburger Arena.

Review von Michael Schuh

Numan. Numan. Numan. Wider besseren Wissens könnte man sich in einer spanischen Arena wähnen, in der bei 40°C Außentemperatur der Angriff des Stiers auf den Torrero namens Numan mit Mut zurufenden Sprechchören von den Rängen begleitet wird. Doch wir sind in Hamburg, draußen ist's saukalt, das Venue heißt passenderweise Schlachthof und Gary Numan ist die Frontsau, sprich: die Attraktion, die hier sehnlichst herbei geklatscht wird.

Noch vor wenigen Jahren wäre dies Szenario undenkbar gewesen: New Wave-Veteran Numan schickte nach langer musikalischer Dürreperiode neue Kompositionen an diverse Labels, die sich teilweise nicht einmal seiner Existenz bewusst waren oder sie tunlichst ignorierten. Besonders die britische Presse hasste den Mann, der um das Jahr 1980 seine Elektropop-Erfolge mit den Statussymbolen Rennwagen und Privatjet narzistisch in Szene setzte.

"Pure", sein neues Album, fand in Eagle Records schließlich doch einen Abnehmer und jetzt steht er plötzlich vor einem auf der Bühne, schnallt die Gitarre um und ist bereit für die Fortsetzung der erfolgreichen Comeback-Story. Ein zweiter Gitarrist baut sich auf, ein Iro-Basser zuckt in Lauerstellung, der Drummer jongliert mit den Sticks; beinahe möchte man auf die Bühne springen, um den versteckten Keyboarder vor tätlichen Übergriffen zu schützen ...

Nicht nötig: Gary Numan genießt das Bad in der Menge und ist in Feierlaune - und zum Feiern gehören Hits. Im herkömmlichen Sinne dieses Begriffs hatte er wohl nur einen: "Cars". Gleich nach einer Viertelstunde ist er dran, nur noch durch die schwebende Synthie-Hookline am Leben erhalten, poltert er dank engem Rock-Korsett frischer denn je aus den Boxen. Das Volk jubelt.

Zusammen mit der Hoffnung auf weitere Klassiker seiner Tubeway Army-Zeiten verschwindet auch die Sprachlosigkeit über das Outfit des einstigen Mode-Vorreiters. Das schwarze Irgendwas aus Pulli und Hemd, erschreckend verziert mit einer Handvoll glitzernder Reißverschlüsse, lässt mich ausnahmsweise nicht der Musik wegen erschaudern und die Augen schließen.

Dennoch: Numans Band ist perfekt eingespielt. Alte Gassenhauer fügen sich nahtlos in die bedrohlichen Neukompositionen ein: so erinnert "My Jesus" an die frühen Nine Inch Nails, und ist dennoch Numan pur, dessen fragile Intonation keine Vergleiche findet. "Are Friends Electric?" begeistert, "Metal", "Down In The Park" und allen voran das außerirdische "Me, I Disconnect From You"; der Altmeister widmet sich ausgiebig seiner Vergangenheit. Als Verfechter der Theatralik hat er nun mit 42 die Metal-Gebärden für sich entdeckt: kommt ein Drumstick auch nur in die Nähe des Hi-Hats, mosht Numan, als müsse er die Gunst Dave Lombardos gewinnen.

Nach 90 Minuten verlässt der Meister den Schauplatz, der nun doch zur Arena wurde, die Sprechchöre sind verstummt, aber die Menge scheint glücklich. Manche vielleicht, weil sie ihn gesehen haben, die Mehrheit aber wird in der Vorweihnachtszeit alte Numan-Scheiben auf die Wunschzettel schreiben. Bestimmt.

Artistinfo

LAUT.DE-PORTRÄT Gary Numan

Wer im Mai 1979 die britische TV-Kultsendung Top Of The Pops einschaltete, wurde Zeuge eines spektakulären Auftritts: Auf der Bühne stand ein ernst …