laut.de-Kritik
Die vollgestopfte Halle bebte ...
Review von Klaus HardtEigentlich sollte der Gig auf der anderen Straßenseite im E-Werk stattfinden. Doch da sich die aktuelle Platte "Confidence" unglaublicher Weise bis auf Platz eins der Charts geschoben hatte, war der Andrang auf die Karten so groß, dass die Veranstalter das Konzert in das größere Palladium verlegten. Im November findet dafür im E-Werk noch ein Zusatzkonzert statt. Aber selbst die große Halle war noch zu klein. Die Veranstaltung war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Schon am Eingang mussten die Leute eine halbe Stunde warten. Wollte man dann in den warmen Räumlichkeiten im Untergeschoss seine Garderobe ablegen und das Weg-Bier in die Ecke stellen, hatte man schlicht keine Chance. Die Schlange begann schon vor der Treppe ein Stockwerk weiter oben.
Pünktlich um 20:00 startete der deutsche Reggae-Sänger Nosliw mit seiner Band, um die Menge schon ein bisschen in Fahrt zu bringen. Im Nachhinein betrachtet zeigte sich sehr deutlich der Unterschied zwischen einem mittlerweile international anerkannten Reggae-Künstler wie Gentleman und dem in der zweiten nationalen Liga spielenden Nosliw. Deutsche langweilige Texte sang er über schematische Beats, in denen die Band die obligatorische Off-Beat-Betonung bis zum Geht-Nicht-Mehr nudelte. Das wirkte mehr oder weniger aufgesetzt. Die Menge aber war wohlwollend und spendete freundlich Applaus.
Dann begann der Meister sein Konzert. The Far East Band spielte konsequent und lässig die Beats, dafür sprang Gentleman um so wilder über die Bühne. Das Publikum hatte er gleich auf seiner Seite, denn nichts wirkte bei ihm aufgesetzt. Es sang auf Englisch und machte auch die Ansagen meist nicht in seiner Muttersprache. Bei vielen anderen würde man denken: "Hey, nun tu mal nicht so affektiert!" Nicht so bei Gentleman. Er hat die jamaikanische Kultur ganz offenbar verinnerlicht. Mit Hingabe trug er seine Lieder vor und bestach durch absolute Authentizität. Die wunderbaren Melodien seiner Stücke, die abwechselnd oder miteinander verschlungen er und sein Backgroundchor sangen, ließen das Publikum dahin schmelzen.
In den Strophen warfen sich Daddy Rings und der Bandleader in teilweise atemberaubender Geschwindigkeit die Wörter zu. Und auch Jack Radics überzeugte die Zuhörer bei seinen Solostücken mit seiner tiefen Soulstimme. Der instrumentale Hintergrund war wie der Gesang mit Einfallsreichtum gespickt. Nicht ständig dieses schematische Synkopengeschrubbe herrschte vor, nein, abwechslungsreich waren die Beats, unterbrochen von vielen Breaks. Dazu Harmonien, die immer wieder einen größeren Bogen spannten und so zum Beispiel auch ein paar Flamenco-Elemente enthielten. Das Saxophon mit seinen weichen Melodielinien verband gut Instrumentalisten und Vokalisten.
Viele Stücke der neuen Scheibe spielten sie. Ein Höhepunkt war sicherlich die Single-Auskopplung "Superior". Direkt im Anschluss folgte "Dem Gone" als letztes Lied des normalen Sets. Nun waren die Leute richtig heiß. Schon nach Hause gehen war nicht! Nach ein paar ruhigeren Zugaben packte Gentleman "Leave Us Alone" aus. Das Publikum tobte, wie es das Palladium selten zuvor gesehen hatte. Die vollgestopfte Halle bebte. In den ruhigeren Strophen bremste Gentleman die Fans. Die Spannung wurde neu aufgebaut, bis sich dann in jedem Refrain wieder die gesamte Energie beim Publikum und den Musikern entlud.
Nach einer Gesamtspielzeit von zwei Stunden inklusive vier Zugaben war das Konzert zu Ende. Die Leute hatten richtig gut abgefeiert, und der in Köln wohnhafte Gentleman konnte auf ein gelungenes Heimspiel zurückblicken.