laut.de-Kritik
Götzi und Chris Howland allein unter Frauen.
Review von Michael SchuhIch gebe zu, selbst ich hatte im Vorfeld gemischte Gefühle. Wenn auch nur ganz kurz. Natürlich nicht ausgehend von der Befürchtung, Entertainer-Gott Götz Alsmann könne sich mit seinen für vier Tourwochen einberufenen Schlager-Gaststars der 50er und 60er Jahre womöglich auf eine allzu platte Retro-Parade eingelassen haben. Dafür ist der Mann zu schlau und zu talentiert. Dennoch ist es Fakt, dass einer der größten Hits der teilnehmenden Greetje Kauffeld auf den vielsagenden Titel "Jeden Tag, da lieb ich dich ein bisschen mehr" hört, und dass Kollegin Bibi Johns einst so frei war, Nachkriegsdeutschland zu erklären, warum sie in Spanien die "Bella Bimba" genannt wird. Tatsachen, die nicht so leicht wegzudiskutieren sind.
Gemeinsam mit beiden Sängerinnen sowie den Kessler-Zwillingen und Disc Jockey-Oldie Chris Howland tritt Götz Alsmann mit Band bis Anfang Juli an, ihre zu Echo-Erfolg gekommene Definition von "Jazz-Schlager" mit dem Glanz einiger Original-Interpreten zu krönen. Im Nachhinein hätte man vielleicht das Zauberwörtchen "Jazz" in der Werbung etwas hervorheben sollen, denn auf Alsmanns Mission, die den Titel "Bekannt durch Film, Funk, und Fernsehen" trägt, ließen sich in Karlsruhe leider nur etwa 500 Zuschauer ein. Und zwar vor allem die "Bella Bimba"-Fanfraktion des divergenten Zielpublikums, die Chris Howland noch als Heinrich Pumpernickel kennt, sich freudig zum Mitklatschen auffordern lässt, und die Tolle des Conférenciers Alsmann einfach köstlich findet. Von der üblicherweise beinharten U30-Fanmeute des WDR-Fernsehstars war hingegen nicht viel zu sehen, so dass sich meine 83-jährige Begleitung im Brahms-Saal nicht unwohl fühlen musste.
Alsmann wiederum wurde nicht müde, dem "sehr exklusiven Kreis heute Abend" klar zu machen, dass die Anwesenden in dieser Bühnen-Konstellation nie mehr zu erleben seien, was man den nicht anwesenden Freunden bitte in dieser Deutlichkeit übermitteln solle, auf dass der Gram über die verpasste Chance ewig schmerzt. Wie Recht er hatte. In Anwesenheit des gewohnt wortgewaltigen Entertainers aus Münster blühten seine Gäste richtiggehend auf und freuten sich, ihre hierzulande eher unbekannte Jazz-Seite vorstellen zu dürfen. Im ersten Teil der Show, den Alsmann mit "Es liegt was in der Luft" eröffnete, stellten sich alle Teilnehmer zunächst mit Soloauftritten vor, von denen in erster Linie Kauffeld und Johns mit überragenden Interpretationen begeisterten. TV-Legende Howland wirkte zunächst unsicher, witzelte sich aber bald mit Alsmann in Fahrt, strahlte nach seinen Vorträgen sichtlich gerührt ins Publikum und punktete auch sonst mit sympathischem Alte-Herren-Charme.
Die auch nicht mehr blutjungen Alice und Ellen Kessler exerzierten dagegen in schwungvoll juveniler Art noch einmal vor, wo die Choreographien heutiger Casting-Bands ihren Ursprung haben. Dass ein Kessler-Teil kurzzeitig zu Boden ging, lag nicht etwa an fehlender Kondition, sondern am zu langen Chiffon-Rock. Im zweiten Showteil legten die Altstars sogar noch einen Gang zu. Greetje Kauffeld fand mit dem Klassiker "Route 66" in einer an Nat King Cole erinnernden Jazz-Version ihren Höhepunkt, während sich Kollegin Bibi Johns mit einer leisen "Mackie Messer"-Performance (feat. Alsmann an der Melodica) sowie einer Gilbert Bécaud-Coverversion stürmischen Beifall einhandelte.
Die Evergreens "Bella Bimba", "Jeden Tag, da lieb ich dich ein bisschen mehr" oder Howlands eher karnevalistische Einlage namens "Hämmerchen-Polka" ("Und dann hau ich mit dem Hämmerchen mein Sparschwein, mein Sparschwein kaputt") durften im Abendprogramm zwar auch nicht fehlen. Aufsehen erregten die betagten Protagonisten aber mit ihren swingenden Vorträgen, die sich zum Glück schlecht als Schenkelklopfer eignen. Alsmanns im Vorfeld getätigte Prophezeiung, mit der Revue "keine Zahnärztegala" aufführen zu wollen, ging jedenfalls auch vor kleiner Kulisse voll auf und bildet den dringend notwendigen Gegenpol in Zeiten unsäglicher TV-Oldieshows und überflüssigen Dieter Thomas Kuhn-Revivals. Denn nur so macht Schlager Spaß.