laut.de-Kritik
In Köln lieferten Incubus eine bis auf den letzten Takt durchgestylte Show ab.
Review von Philipp SchiedelDa wartet eine zweihundert Meter lange Menschenschlange vor dem Palladium, drängelt, kreischt und trinkt Dosenbier. Und verpasst (wie die LAUT-Vertreter) auch gleich die erste Vorgruppe "Hoobastank", da diese schon um halb acht auf der Bühne metallen. Deren letzte Töne hören sich so an, als wäre es kein großer Fehler gewesen, zu spät zu kommen. You know that usual New Metal-Thing ...
Nach kurzer Umbauphase trotteln fünf Hansel auf die Bühne. 311, die schon seit Anfang der Crossover-Zeit im Rennen sind und trotzdem nie den großen Durchbruch geschafft haben. Ihr Gig beantwortet das "Warum?" mit Stagnation im Rock-Mittelmaß. Zwei hyperaktive MCs, die als Kind wohl keine Konservierungsstoffe zu sich nehmen durften, da sie dann noch eine Spur härter in ihrem Kinderzimmer abspackten, hopsen von einem Eck ins andere und haspeln ihre abgehackten "Here We Go-Go-Go"-Lyrics ins Mikro. Dazu schrubben zwei Leute an ihren Instrumenten auf und ab, und der Drummer haut wie besessen im immer selben Takt in die Felle. Veränderung scheint bei 311 im Jahre 2002 nicht in Sichtweite zu sein. Außer einem Song, der einen Hauch vom alten Reggae-Einfluss versprüht (und dementsprechend das Highlight ihres Auftritts ist), klingen sie wie Kid Rock für Skater-Prolls. Highschool-Crossover, der schon seit Jahren vollständig ausgedient hat.
Dann ist die Zeit für die Helden des Abends gekommen. Zuerst passiert nichts: kein sich langsam aufbauendes Intro, kein Vorhang oder ähnliche Popstar-Gimmicks. Einzig das Bühnenlicht wird ausgeschaltet und Incubus kommen auf die Bühne. Doch in Sekunde eins des Konzertes und mit den ersten Takt von "Circles" setzt sofort eine völlig durchstrukturierte Bühnenshow ein, die an Professionalität mit großen Stadion-Gigs locker mithalten kann. Der zweite Gedanke: "Was für ein Rockstar!". Sänger Brandon Boyd zieht dort oben eine Selbstinszenierungs-Show ab, die sich gewaschen hat. Er lächelt den 14-jährigen Girlies in der ersten Reihe zu, nutzt seine Wahnsinns-Stimme in jeder Tonlage perfekt aus und windet seinen Astral-Körper so im Scheinwerferlicht, dass die ersten (jungen) Reihen vor Hormonüberschuss ihr Kreischen nicht im Zaum halten können. Bei Song Zwei ("Nice To Know You") geht die Show gleich weiter. Posing at its best und nebenbei noch ein bisschen rocken.
Leider beginnt dann eine unsägliche Mitsing-Orgie, die von der Band auch noch freundlich aufgenommen wird. Tausend New Metal-Fans schreien den Refrain der Band entgegen und fangen an zu bangen. Alles ist perfekt. Die Lichter wechseln jede Sekunde ihre Farbe, ein Scheinwerfer ist meistens nur auf Brandon gerichtet, der Rest der Band verschwindet in ihrer instrumentellen Perfektion. Bei "Whish You Where Here" animiert die Band das Publikum sogar zum Mitklatschen. Dann wird gemeinsam fröhlich gesungen und geschunkelt. Da ist nicht mehr viel Unterschied zur Karnevalsveranstaltung im gegenüber liegenden E-Werk.
Nach der ersten Rockphase reduziert sich Incubus auf den Gitarristen Mike Einziger und Frontmann Brandon Boyd, die auf ihren Barhockern sitzen und mit "Mexico" und ihrem Megaseller "Drive" eine kurze Akkustik-Einlage abziehen. Die Mädchen recken die Hälse und schmelzen zu Teenager-Lyrics wie "You only care about yourself" dahin, schreien als Brandon mit bloßem Oberkörper und einer Buschtrommel um die Taille wieder erscheint und seine Tarzan-Show durchführt. Blitze schießen über die Bühne, wie beim Schlagzeugsolo einer Metal-Show aus den 80zigern. Der Typ steht da, haut auf das Fell und genießt seinen Ruhm.
Endlich wird die Trommel weg gelegt und die Hand greift wieder zum Mikro. Von dickem Gitarrensound begleitet rockt er glatt durch die letzten drei Alben. Polierte Rocksongs für die Masse, die dafür gemacht worden sind, dass sie von der ganzen Halle mitgesungen werden können. Incubus sind durchgestylt bis in den letzten Takt. Jeder Ton sitzt exakt dort, wo er beim Songwriting hingesetzt wurde. Der Sound ist glasklar, die Musiker hyper-professionell, ihre Lieder Breitwand-Format. Bis zum Ende des Konzertes sind Überraschungen genau so tabu wie Fehler. Wenn ich so etwas sehen will, kann ich mir die 25 Euro für die Karte auch sparen und mir das Album in Ruhe auf dem Sessel anhören. Was in etwa auf das Selbe rauskommen würde. Für die MTV-Alternative-Charts-Zuschauer scheint es aber das Richtige gewesen zu sein.