24. März 2009
"Der Take That-Split war großartig!"
Interview geführt von Michael SchuhNeil Tennant und Chris Lowe genießen Legendenstatus im internationalen Popgeschäft. Sie sangen im Duett mit Dusty Springfield, coverten U2, schrieben Songs für Madonna und Robbie Williams und remixten Rammstein. Gerade erschien mit "Yes" ihr tanzbarstes Album seit Jahren.Wie eh und je empfängt das Duo die Presse vor der Veröffentlichung eines neuen Albums in Köln, Standort ihrer Plattenfirma EMI. Interviews gehören nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen der beiden, was angesichts der smarten Eloquenz Tennants schwer zu glauben ist. Sie sitzen an einem Glastisch in ihrer geräumigen Hotelsuite, Tennant aufrecht im Sessel, Lowe lümmelnd auf der Couch. Vor ihnen steht ein Kelch Wasser und zwei volle Gläser. Doch der einzige, der trinkt, ist Tennant.
Neil, zunächst möchte ich mich noch bei dir bedanken. Als wir im Zuge eurer "Fundamental"-Tournee miteinander sprachen, unterhielten wir uns über Italo Disco und du kamst das gesamte Gespräch über nicht auf den Namen von Alexander Robotnick. Als er dir zehn Minuten nach unserem Gespräch wieder einfiel, riefst du einfach kurz in der Redaktion durch. Sowas erlebt man auch nicht alle Tage.
Neil: Tatsächlich, ich erinnere mich. Robotnick, great.
Chris: Dir fiel der Name nicht ein? Haha. Es ist aber sicher nicht sein richtiger Name.
Glaube ich auch nicht, aber zumindest ein sehr passender, was elektronische Musik angeht.
Neil: Absolut.
Selbst nach über 25 Jahren Musikbusiness auf dem Buckel veröffentlicht ihr immer noch von Kritikern und Publikum gefeierte Alben. Da muss es doch irgendein Geheimnis geben?
Neil: Das würde ich bezweifeln. Ich denke wirklich, es hängt schlicht und ergreifend damit zusammen, dass sich an unserer Motivation in all den Jahren nichts geändert hat. Dieser Job ist großartig und wir wollen ihn richtig machen. Ich wache morgens auf und denke: Was für ein tolles Leben.
Dabei könntet ihr doch alle paar Jahre die "West End Girls"- oder "Go West"-Revivaltour lostreten und harmlose Studioalben aufnehmen.
Chris: In erster Linie mögen wir an unserer Arbeit das Songschreiben. Und die Vorstellung, ein- und denselben Song immer und immer wieder zu schreiben, ist nicht so verlockend.
Neil: Außerdem eignet sich "West End Girls" dafür schlecht.
Chris: Gut, ehrlich gesagt hätte ich nichts dagegen, nochmal einen Song mit solch immensem Einfluss zu schreiben. (lacht)
Neil: (lacht) Tja, aber wir müssen der Wahrheit leider ins Auge sehen.
Chris: Aber selbst wenn es wahrscheinlich alle gerne sehen würden, dass wir dieses Stück übertreffen: Es stand damals schon für sich allein. "West End Girls" ist sozusagen sein eigenes Genre.
Neil: Unser Impetus ist, einem Popsong immer wieder eine neue Drehung zu geben. Manchmal haut es hin, manchmal nicht.
Neu im Sinne von anders als die eigenen, alten Stücke?
Neil: Ja, es geht um die Herausforderung, neue Melodien oder einen unerwarteten Akkordwechsel zu erschaffen. Wenn das gelingt, fühlst du dich sehr glücklich und manchmal hört man das dem Song auch an. "Did You See Me Coming?" fällt mir da als erstes ein.
Habt ihr der Neuerfindung wegen in den letzten Jahren eure Arbeitsweise verändert?
Chris: Nö. (lacht)
Neil: Nicht wirklich. Eine Zeit lang arbeiteten wir aber mit einem Studio-Programmierer zusammen, der für die ganzen Geräte zuständig war. Jetzt macht Chris das wieder allein, wie zu Beginn unserer Karriere eigentlich.
Bono meinte kürzlich in einem Interview, das Geheimnis des stetigen Dranges zur Weiterentwicklung in einer Band ist schlicht und ergreifend Freundschaft. Man sähe das bei den Rolling Stones, wo Mick und Keith ...
Neil: ... sich beide hassen!
Das vielleicht nicht, aber sie hörten irgendwann auf, Freunde zu sein und gingen stattdessen eine Geschäftsbeziehung ein und das würde man deren Musik eben anhören.
Neil: Da hat Bono wohl den Punkt getroffen. Ich bin natürlich froh, dass Chris und ich noch eine freundschaftliche Beziehung zueinander pflegen. Zusammen Songs zu schreiben ist ja oft auch so ein Wettbewerbsding, Lennon/McCartney ist da wohl das klassische Beispiel. Das ist schon eine spezielle Form von Freundschaft.
"Ein Depeche Mode-Cartoon wäre kein Problem"
Kämpft ihr miteinander so richtig um eure Ideen, um Melodien?Neil: Eigentlich nicht.
Chris: Von Xenomania haben wir aber gelernt, dass man sich nicht zu schnell mit Melodien zufrieden geben sollte.
Neil: Manchmal hatte ich eine neue Melodie und einen Text zusammen und nach dem Einsingen dachte ich: "Das ist ja großartig!" Dann kam Brian Higgins und sagte: "Okay, schreibe noch eine Melodie." Als ich danach wieder mit neuer Melodie und Text ankam, schickte er mich wieder weg.
Chris: Brian will immer auswählen. Und du wirst nach einem Punkte-System benotet, so in der Art: Das war jetzt 7/10.
Neil: Ja, er verteilt Zettel mit Noten und kurzen Kommentaren, zum Beispiel "scheiße". Oder auch "herausragend, fünf Sterne". Es ist als wäre man wieder in der Schule. Man ertappt sich dabei zu denken: "Brian hat meiner Strophe fünf Sterne gegeben. Bin ich nicht fantastisch?" (beide lachen)
Chris: Das könnte ich mir in der Zukunft wieder vorstellen.
Fällt es euch leicht, solche Kommentare zu bekommen?
Chris: Ja, das ist überhaupt kein Problem. Wenn jemand was scheiße findet, so what? (lacht laut auf)
Neil: In manchen Fällen mussten wir Brian natürlich auch beibringen, dass er die Stelle nicht aufmerksam genug angehört hat.
Chris: (mit sanfter Stimme) Da liegst du falsch, Brian. Es ist nämlich ziemlich spitzenmäßig.
Neil: Das beste Beispiel ist unser Song "Pandemonium", den wir beide super finden. Brian Higgins hörte ihn sich an und meinte, er klinge altmodisch. Nun bemerke ich eine diebische Freude in mir aufsteigen, wenn ich Reviews lese, in denen dieser Song herausgehoben wird. Wir sollten eigentlich T-Shirts machen lassen mit dem Aufdruck "Pet Shop Boys. Quaint."
In Deutschland erscheint "Yes" mit nur wenigen Wochen Abstand von zwei anderen Schwergewichten britischer Melancholie, Morrissey und Depeche Mode.
Chris: Echt? Kommt eine neue Depeche Mode?
Neil: Ja, im April.
Meine Frage wäre: Von welcher der drei Bands seid ihr am meisten überrascht, dass es sie heute noch gibt?
Neil: Puh, Depeche Mode sind sicher noch fünf oder sechs Jahre länger dabei als wir. Wenn man ehrlich sein will, müsste unsere Brit Award-Auszeichnung an Depeche Mode gehen. Wir hätten in dem Fall gerne noch ein Jahr gewartet. Die haben ja auch weltweit eine riesige Fangemeinde. Ich denke nicht, dass Depeche Mode in ihrer Heimat den Respekt erfahren, den sie verdienen.
Chris: Das Beeindruckende an der Band ist für mich ihr Werdegang. Sie fingen an mit harmlosen Synthiepop-Liedchen Mitte der 80er ... oder wars früher?
Neil: Klar, 1980/81.
Chris: Okay, jedenfalls arbeiteten sie sich nach und nach zu diesen dunklen Industrial-Sounds vor. Ich würde sagen, dass alle diese Bands heute zu Recht noch da sind.
Neil: Wobei die Pet Shop Boys nicht ausschließlich melancholisch sind, wir sind sogar die fröhlichsten von den dreien. Was meiner Meinung nach alle Bands auszeichnet, ist absolute Integrität. Alle drei haben es geschafft, mit ihren Songs eine eigene Welt zu erschaffen, ein Aspekt, der uns von Anfang an wichtig war.
Du könntest zum Beispiel ohne Weiteres einen Depeche Mode-Cartoon erfinden, der nur in ihrer Welt spielt und dasselbe ginge auch mit Morrissey und den Pet Shop Boys. Leider gibt viele Bands heutzutage, bei denen das nicht geht. Unendlich viele.
Interessieren euch die Platten der alten Weggefährten oder findet ihr Popmusik der jüngeren Generation wie Girls Aloud spannender?
Neil: Oh, mich interessiert alles. Ich mag Depeche Mode, wenngleich sie sich für meinen Geschmack in letzter Zeit etwas wiederholen. Ich höre sie mir aber auch eher beiläufig an. Was nicht heißt, dass sie nicht immer wieder einen klasse Song abliefern.
Martin Gores Stimme gefällt mir allerdings besser. Die Gesangsharmonien, die haben sie drauf, die sind immer großartig auf ihren Alben. Im Gegensatz zu uns kommen sie aber aus der puristischen Electro-Ecke. Auf unseren Platten waren immer alle möglichen Instrumente vertreten. Morrissey ... er ist eher ein Chris-Ding.
Chris: Ich liebe seine Liveshows. Ich schaue ihn mir auf jeder Tour an. Worauf ich total stehe, sind seine Geschichten, die er zwischen den Songs erzählt. Du erfährst, was er am Tag so gemacht hat, was ihn im Fernsehen in den 18-Uhr-Nachrichten aufgeregt hat, kurz bevor er zur Halle musste ... oder der Klassiker: was die Zeitungen über sein Konzert am Vorabend geschrieben haben.
Eins ist mir besonders in Erinnerung geblieben, einmal sagte er: "Die Kritiker finden, ich sei älter und grauer geworden. Mal ehrlich: Wollen wir wirklich jünger werden?" Großartig. Auch seine Körpersprache, das Herumwirbeln mit dem Mikrofonkabel ... Man bekommt was für sein Geld bei Morrissey. Natürlich habe ich Johnny Marr davon nichts erzählt ...
Neil: Ich schon!
Chris: Du hast ihm erzählt, dass ich ..?
Neil: Nein, aber ich habe ihm gesagt, dass Morrissey ein großer Live-Performer ist. Das ist schon Jahre her. Weißt du nicht mehr, damals in der Albert Hall, Mark Anderson stand hinter uns ...
Chris: Ahh, klar, wo er als der Bucklige von Notre Dame auf die Bühne kam, mit den Glocken und allem und so die ganze Show absolvierte, haha.
Neil: Genau. Wir waren völlig baff und fragten uns: Was ist nur mit Morrissey passiert? Also rief ich Johnny an, um ihm alles zu erzählen.
Johnny Marr hat auf "Yes" wieder einige Gitarrenspuren eingespielt.
Neil: Und Mundharmonika. Auf zwei Songs.
Die Gitarren sind diesmal aber nicht leicht herauszuhören.
Chris: Die Gitarren sind weniger als solche erkennbar, sondern eher ins Arrangement eingearbeitet.
Neil: War das nicht schon immer so? Johnny ist nicht gerade für Soli berühmt.
Chris: Hmm, sein Solo am Anfang von "Did You See Me Coming?" ...
Neil: ... ist typisch Johnny Marr, einverstanden. Für "Pandemonium" hatte übrigens er die Idee, den Rhythmus leicht zu verändern. Dafür ist die Mundharmonika im selben Song und in "Beautiful People" nicht zu überhören. Obwohl noch andere Gitarristen aus dem Xenomania-Umfeld auf der Platte spielen, hört man Johnny bzw. seine Gitarre manchmal gar nicht raus.
In "Building A Wall" baten wir ihn zum Beispiel so zu spielen, als würde Robert Fripp sich an Bowies "Heroes" versuchen. Diese lustigen Melodielinien klingen zwar wie ein Synthesizer, sind aber Gitarren. Das finde ich ohnehin das Herausragende an ihm, dass man sein Spiel nicht zwangsläufig als Johnny Marr identifizieren muss. Er kann sich einem Song auch unsichtbar nähern, indem er sich dem Gesamtsound komplett fügt und unterordnet.
War es nicht schwierig, ihn dieses Mal zu gewinnen, wo er doch jetzt auch ein beschäftigter Dozent in Manchester ist?
Chris: Was ist er?
Neil: Ja, in Salford.
Chris: Er ist ein Dozent?
Neil: Klar, das hat er doch erzählt. Er ist Gastprofessor an der Uni.
Chris: Professor? Hahaha!
Neil: Ja, er macht da ....
Chris: Professor Marr, haha!
Neil: Ja, er sprach über Outsider im Popbusiness.
Chris: Sieh an, sieh an, Professor.
Neil: Aber zu deiner Frage: Es war nicht schwierig, wir schickten ihm einfach eine Mail, in der stand: Wir brauchen dich!
Chris: Wobei er zur Zeit ziemlich beschäftigt ist, Modest Mouse läuft ja auch noch, dann arbeitet er mit den Cribs und verbringt außerdem viel Zeit in den USA.
Neil: Er war aber auch sehr gespannt auf das Studio von Xenomania. Und schließlich spielte er sogar auf einem Song von Girls Aloud mit.
Wie kam es eigentlich zu eurer Kollaboration mit den Girls - ich schätze, es gibt unzählige Anfragen von Bands, die gerne Songs mit euch schreiben würden.
Neil: Es war eigentlich keine Kooperation. Wir hatten den Song "The Loving Kind" beinahe fertig, als wir mit Brian Higgins alle Album-Kandidaten durchgingen und Chris befand die Nummer dann als nicht passend für uns. Und Brian meinte sofort: "Dann kriegt ihn Girls Aloud." Mit denen arbeitete er auch gerade an einem Album. Umso schöner, dass es eine Single geworden ist.
Hättet ihr den Song auch freigegeben, wenn ihr keine Fans von Girls Aloud wärt? Oder wenn ihr etwa die Sugababes favorisiert hättet?
Chris: Nein, wir fanden das toll.
Neil: Zumal dieser Song wirklich melancholisch ist. Was mit ein Grund sein dürfte, warum Chris ihn nicht so mag. Jedenfalls fand ich genau diesen Punkt sehr interessant, Girls Aloud eine melancholische Nummer zu geben.
"Wenn Popstars Bärte wachsen, klingeln die Alarmglocken"
Euer Coverartwork habt ihr als "zufriedenes Abhaken" erklärt. Gemeinsam mit dem affirmativen Albumtitel könnte man es in Zeiten wirtschaftlicher Krisen als Zeichen von Hoffnung deuten. Zufall?Neil: Ja, aber irgendwie funktioniert es. Das "Yes" sprach aus der Musik heraus. Einige Leute meinten ja, das ginge in die Richtung "Yes we can - Obama", aber damit hat es gar nichts zu tun.
"Yes" entsprang also euren tanzbaren, neuen Songs.
Chris: Ja, und es klingt fast wie "Very". Wir wollten wieder ein Album machen, das sehr positiv und zufrieden klingt.
Wenn ihr "Yes" in der "Very"-Tradition seht, wie steht ihr dann zu euren letzten beiden Alben, die ich persönlich sehr mag, da sie streckenweise äußerst - hier nochmal - melancholisch ausgefallen sind?
Neil: Diese beiden Alben und ganz besonders "Release" sind stark unterbewertet. Sie haben beide einen ganz speziellen Sound-Charakter.
Kommerziell oder künstlerisch unterbewertet?
Neil: Was die Kritiken betrifft, bin ich nicht sicher, ganz sicher kommerziell. Es war nicht so, dass die Fans "Release" nicht mochten, aber es wurde allerorten als unser Akustikalbum beschrieben. Ich liebe es. Einer meiner Pet Shop Boys-Lieblingssongs überhaupt ist "Home And Dry".
Mit dem fantastischen Mäusevideo.
Neil: Mit dem berüchtigen Videoclip. Brandon Flowers erzählte uns, dass seine Frau, nachdem er von einer Welttour zurück kommt, immer als erstes "Home And Dry" auflegt. Ist das nicht süß? Außerdem meinte er kürzlich, dass seine Pet Shop Boys-Haupteinflüsse von unseren letzten drei Alben kommen.
Als ich mit ihm eine Killers-Weihnachtssingle einsang, meinte ich nebenbei, dass wir sowas auch einmal für den Fanclub gemacht hätten und er antwortete sofort: "Birthday Boy". Ich hätte ja niemals erwartet, dass er den Song überhaupt kennt. Er meinte dann, er war 19, als die Platte rauskam. Und er sah uns mit "Release" das erste Mal live in Las Vegas.
Ich habe gelesen, dass du Brandon unterstellt hast, einen Bart zu tragen, damit er nicht als Popstar missverstanden wird. Ich frage mich: Was ist schlecht an Bärten?
Chris: Genau! Haha!
Neil: Nein, nein, ich habe das nicht zu Brandon gesagt, sondern zu einem Journalisten vom Guardian. Es war ein Gespräch über Bärte in der Popmusik und ich sagte, dass Brandon aller Wahrscheinlichkeit nach nicht seinen Bart abnehmen wird, da Bärte in der Rockmusik auf ein ernstes, künstlerisches Statement hinweisen. Wohingegen eine frische Rasur eindeutig Pop kennzeichnet. Schau nur mal in die Geschichte der Popmusik: Immer wenn Bärte wachsen, klingeln schon die Alarmglocken. Den Beatles wuchsen sie und kurz darauf war Feierabend. Das ist so, das ist eine Tatsache. (alle lachen)
Oder das Mojo Magazine, ein ganz klares Bärte-Magazin, ein gutes übrigens. In der Popmusik ist sowas selten. Gut, abgesehen von George Michaels komischen Stoppeln. Aber der Clou meiner Theorie ist: Mit "Sam's Town" wollte Brandon tatsächlich ein Zeichen setzen. Den neuen Killers-Song "Human" kannst du als Bärtiger dagegen überhaupt nicht bringen. Das ist ganz klar ein Song für einen rasierten Sänger. "Read My Mind" genauso. Wie dem auch sei, ich habe mich bei Brandon für meine dreisten Worte entschuldigt.
Er hat in diesem Bart-Konflikt allerdings auch geantwortet und zwar, dass er dir gerne ein paar seiner Barthaare für dein etwas licht gewordenes Haupt aufbewahrt.
Neil: Haha, das habe ich irgendwo im Internet gelesen. Ja, er hat dem Q Magazine gesagt, dass er im Falle einer Rasur alle Haare in eine Dose steckt und sie mir schickt.
Euer letztes Nummer Eins-Album in England liegt 16 Jahre zurück: "Very". Sind Charterfolge noch relevant für euch bzw. ärgert ihr euch, wenn "Yes" nur in die Top 20 einsteigt?
Neil: Nun, in erster Linie willst du, dass deine Arbeit wahrgenommen wird. Zur Öffentlichkeit durchzudringen ist heute schwieriger denn je. Wir leben in einer Zeit, in der die Leute dich danach beurteilen, wie oft dein Name in der Zeitung steht. Musterbeispiel Amy Winehouse: So berühmt ihre Platten auch sind, die Person Amy Winehouse ist berühmter.
Lily Allen ist bekannter als ihre Platten. Wenn beides zusammenkommt, ist das toll, Lily Allens Platte ist ja auch gut geworden. Die Pet Shop Boys haben sowas immer vermieden und ich weiß, dass wir gerade ein Interview führen und dafür immerhin zwei volle Tage in Köln sind. Aber wir wollten nie Celebritys sein und unsere Freiheit aufgeben. Wenn dich diese Fotografen jagen, ist das nur noch schrecklich. Aber so sind die Zeiten: Ruhm verkauft deine Platten.
Gibt es etwas, das ihr in eurer Laufbahn von anderen Bands lernen konntet?
Chris: No!
Neil: Lernen ... wie meinst du das?
Zum Beispiel, dass ihr bei Freunden oder Weggefährten Fehler mitbekommen und euch daraufhin fest vorgenommen habt, diese bei den Pet Shop Boys zu vermeiden.
Chris: Also ich finde die Auflösung von Take That damals war großartig. So wie die hätten wir es auch machen sollen. Dann hätten wir jetzt ein fettes Comeback feiern können.
Neil: Der optimale Weg, sich aufzulösen, ist ohne Zweifel der von Take That. Was im Nachhinein natürlich einfach zu behaupten ist.
Chris: Im Fernsehen in Tränen auszubrechen und dann eine Nummer Eins-Single nachzuschieben, perfekt. Besser geht es nicht.
Neil: Wenn wir uns nach der Veröffentlichung von "Go West" aufgelöst hätten, damals waren wir immerhin auf Platz eins, und wären zehn Jahre später wieder gekommen ... Nein, das Comeback von Take That ist inzwischen schon kein Phänomen mehr, sondern eher ein verschwörerisches Mysterium. Es ist unfassbar.
Chris: Die spielen vier Nächte hintereinander im Wembley-Stadion.
Neil: Meine Theorie ist: Das Publikum von Take That ist eins zu eins identisch mit Robbies. Nicht in Deutschland, ich weiß, Robbie ist bei euch beliebter. Aber genau in dem Moment, als sein "Rudebox"-Album nicht so gut ankam, verkündeten Take That ihr Comeback. Mit einer erstaunlicherweise guten Platte. "Patience" ist vielleicht ihre beste Single überhaupt, mit Ausnahme von "Back For Good".
Jedenfalls: Robbies Publikum, das vermutlich einst von Take That zu ihm wechselte, konnte dadurch problemlos wieder zu Take That zurück morphen. Robbie war natürlich auch noch so gnädig, für die gesamte Zeit nicht auf der Bildfläche zu erscheinen. Und ich befürchte, das geht noch ein paar Jahre so weiter. Aber sollte Robbie wieder mit einem tollen Album zurück kommen, wäre die Welt wieder bereit für ihn.
Chris: Übrigens: Nein, Take That haben uns nicht eingeladen, sie bei ihren vier Stadion-Konzerten zu begleiten.
Neil: Das hätte ich sowieso nie gemacht.
Chris: Och, vier Abende in einem Stadion? Gutes Geld ...
Neil: Egal, niemals.
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