laut.de-Kritik
Affektive Seelenreinigung. Katharsis is fun!
Review von Matthias Manthe"Puring beer over our pedals is not so cool." Für einen kurzen Augenblick reißt Aaron Turner seine ergebene Fangefolgschaft aus dem Bann. Irgendein cleverer Typ in der ersten Reihe hatte gemeint, seinen Getreidesaft über die ein Quadratmeter große Fläche vor Jeff Caxide verschütten zu müssen.
Der Bassmann der Todesgöttinnen von Isis war drauf und dran gewesen, ins Publikum zu springen und dem Missetäter sein Instrument ganz hautnah zu Gemüte zu führen. Einige Augenblicke später herrscht aber wieder eitel Sonnenfinsternis, die Fünf widmen sich wieder ihrem Geschäft.
Davon verstehen sie schließlich was: 1997 als Post-Hardcore-Doom-Metaller gestartet, streiften Isis mit ihrem jüngsten Epos "In The Absence Of Truth" das olle Neurosis-Soundalike-Mantra endlich weitgehend ab. Post Metal steht nun häufig oben drüber - oder eben Sludgecore. Auch heute im fast ausverkauften Bürgerhaus Stollwerck sucht der Sound von Turner und Co. das Weite. Zeitweise drei Gitarren klangmalen transzendentale Fresken von Schmerz und Wut in den Raum zwischen Parterre und Loge.
Immer wieder beeindruckend, was man so alles aus ein paar Saiten und Effektgeräten kitzeln kann, selbst wenn mancher Konzertbesucher später meint, der Sound sei etwas zu verwaschen gewesen. Ich für meinen Teil finde, das muss genau so sein. Für die Sogwirkung, nicht wahr.
Unterdessen zaubert Aaron Harris hinter seiner Drumburg jenen kalten Beat, der die Songs unbeirrt vorantreibt und deren Kraftentladung zugleich stets bis zur Schmerzgrenze aufschiebt. Gute sieben Minuten nehmen sich diese Dramen für gewöhnlich Zeit, bevor der Frontmann in kathartisches Schreien verfällt.
Kein Halten mehr dann: Auf der Bühne bricht und zuckt die Band, davor die Jungschar in schwarz. Die kann überraschenderweise einen verhältnismäßig hohen Frauenanteil vorweisen, und vom Metalhammer-Leser bis zur Indieklientel sind sie alle gekommen. Isis finden eben auf vielen Äckern gleichzeitig statt, geben nichts auf überflüssige Heavy-Klischees und funktionieren ausschließlich über ihre Musik. Da ist Tiefe vorhanden, da ist Show-Brimborium obsolet und Genrezugehörigkeit kein Diskussionsgegenstand.
Zumal die Songs der Kalifornier ja irgendwie auch Elektro sind. Vergleichbar minimalistische Melodiewechsel, ein sukzessives Zusteuern auf eine befreiende Klimax, und dazu die bollernde Rhythmusabteilung. Derlei Gedanken kommen mir während des 75-minütigen Auftritts, und dann erinnere ich mich grinsend an die Vorband. Oxbow mögen schon lange eine Hausnummer sein im Noise-Biz, doch Erfahrung schützt vor Peinlichkeit nicht.
Wie ein aufgedrehter Captain Jack (RIP) hampelt Eugene Robinson über die Stage, trommelt auf seiner Brust, um schließlich die Hose runterzulassen und in hautengen Shorts eine Art Penisrock-Paarungstanz aufzuführen. Muss jetzt nicht sein, das sehen auch nicht wenige Anwesende so und ziehen sich in den Vorraum zurück. Da gibt es Bier (zum artig Austrinken und nicht Verschütten), und dazu sehr schicke Isis-Shirts. Gelungener Abend.