laut.de-Kritik
Ein Hauch von Las Vegas über dem Museumsplatz ...
Review von Klaus HardtWenn eine Musiklegende am Ende seiner Karriere nach Deutschland kommt, sind natürlich die Erwartungen groß. Man wollte eine richtig gute Show mit viel Tamtam geboten bekommen, erinnerte sich an die vielen Live-Aufnahmen der vergangenen Jahrzehnte und hoffte, ähnliche Ekstase möge sich auf und vor der Bühne breit machen. So gaben sich die Verantwortlichen alle Mühe, die Sache groß aufzuziehen. Schon als die Band die Bühne betrat, konnte man sehen, dass hier ein Hauch von Las Vegas über den Museumsplatz wehen sollte. Royalblaue Anzüge bei den Herren und die äußerst knapp sitzenden Kostüme bei den Background-Sängerinnen mit Glanz versehen.
Nachdem die Band die ersten Grooves angespielt hatte, die der Trompeter unter strengem Regiment dirigierte, kam der Ansager komplett in weißem Anzug, mit weißen Lackschuhen und davon abgehobener weinroter Krawatte auf die Bühne. Dank seiner eher schmächtigen Statur, dem permanenten (völlig natürlichen) Lächeln und den gemessenen Bewegungen erinnerte er doch sehr stark an Sammy Davis Jr. Nun kam das, was immer zu Beginn eines James Brown-Konzertes kommt. Einzelne Hits wurden angekündigt und die Band spielte sie für ein paar Takte an. Dieses Prozedere endete dann mit "Ladies and Gentleman; it's startime."
Endlich kam James Brown auf die Bühne. Ab diesem Moment gab der Trompeter die Peitsche aus der Hand, und der Godfather Of Soul war nun der Dompteur. Die Führungsrolle konnte man auch gut an seiner Kleidung erkennen. Sein Anzug hatte zwar die selbe Farbe wie die der anderen Musiker, doch nur er trug Pajetten, glänzenden Stoff und Fransen an Schulter und Armen.
Mr. Brown versuchte, die Menge mit viel Theatralik und Show anzuheizen. Seine Soulmelodien singt er immer noch mit einer unvergleichlichen Phrasierung, doch leider geht ihm mit über 70 Jahren doch die Kraft verloren, und so war seine Stimme etwas dünn und heiser. Vielleicht war dies auch der Grund, warum die Stücke so viele (tolle) Bläser und Gitarrensoli enthielten.
Doch am beeindruckendsten war die Begleitung. Die perfekt gespielten Beats erhielten ihr Fundament von zwei Schlagzeugern, zwei Bassisten und einem Perkussionisten. Die beiden Schlagzeuger spielten dabei genau das gleiche. Nicht nur die Grooves, nein, jeder kleine Fill oder Beckenschlag war identisch und so exakt ausgeführt, dass man mit bestem Willen das Spiel der beiden Drummer nach dem Hören nicht unterscheiden konnte. Das war wirklich eine große Show.
Zu einer guten Unterhaltung gehörte auch der Flirt mit der einen oder anderen Background-Dame, die sich übrigens genauso exakt aufeinander abgestimmt bewegten wie die beiden Schlagzeuger. Eine der drei war Mr. Browns Frau Tomi Rea, die ihn auch in ganz besonderer Weise als tollen Liebhaber darstellte. Ob das glaubwürdig war, konnte man bezweifeln, denn bei einer Tanzeinlage mit einer der anderen Damen musste Brown schon nach wenigen Takten Pause machen, um zu verschnaufen. Er startete aber tapfer noch einen weiteren Versuch, ehe er sich wieder auf das Singen, Dirigieren und Lächeln beschränkte.
Leider war das Publikum nicht so richtig von der Vorstellung beeindruckt. Man stand da, bewegte sich ein kleines bisschen im Rhythmus und applaudierte wohlwollend. Wirkliche Begeisterung wollte nicht aufkommen. Eigentlich wollten alle nur die zu Beginn kurz vorgestellten Hits des am härtesten arbeitenden Mannes des Showbusiness hören. Doch die kamen nur sehr vereinzelt. Mittendrin gab er "It's A Man's World" zum Besten, und erst am Schluss des Konzertes folgten nacheinander "I Feel Good" und "Sex Machine".
Da konnte sich Mr. Dynamite vorher anstrengen wie er wollte. Die Band spielte ihre Grooves minutenlang durch, dass es nur so krachte. Doch die Zuschauer wollten nun mal "Please, Please, Please", "Try Me" oder "Cold Sweat" hören. Wenn nichts Bekanntes kommt, ist man beleidigt. Dies ist wohl das Los aller Musiker, die von ihrer großen Vergangenheit leben, auch wenn sie vielleicht die alten Stücke selber nicht mehr hören können. Jedenfalls hatten die Besucher am Ende eine Viertelstunde richtig Spaß. Als sie gerade in Schwung kamen, war das Konzert nach nur eineinhalb Stunden aber auch schon vorbei. Das konnten viele zunächst gar nicht glauben, denn es gab keine einzige Zugabe. Vermutlich ist James Brown einfach nicht mehr in der Lage, längere Konzerte zu geben. Trotzdem: man hatte eine lebende Legende live gesehen.