24. Mai 2010
"Ich bin selbst mein größter Feind"
Interview geführt von Deborah KatonaEin Interview soll es werden. Und entwickelt sich doch eher zur Rede eines großen Denkers und Weltverbesserers. John Butler spricht vor seinem Konzert in Köln mit laut."Mensch, jetzt sei mal nicht so negativ." Herzlich Willkommen in der Welt des John Butler. Johns Welt ist positiv - und das nicht zu knapp. Man sucht nach Spirit und findet die Magie. In Worten, in Taten, in anderen Menschen. Man sieht das Unrecht und glaubt trotzdem an das Gute. Seine Vorstellung vermittelt eher einen Wunsch. Eine Utopie.
Wie schön es wäre, wenn die Menschen wieder aufeinander zugingen. Und sich selbst ein wenig zurücknähmen. "Individuen wie du und ich, wir haben eine große Verpflichtung an unsere Kinder: wir müssen die Macht wegholen von denen, die sich nicht um uns kümmern." Allerdings: der größte Feind sind nicht die, sondern wir selbst.
John scheint die Menschheit zu kennen. Der australische Gitarrenvirtuose reiste lange Zeit als Straßenmusiker umher. Lebte vom Hand in den Mund. Das klingt ein wenig öko – und das sieht man dem Mittdreißiger auch an. Er trägt kariertes Hemd, braune Lederstiefel, enge schwarze Hosen. Die Ohrlöcher geweitet. Sein früheres Markenzeichen, lange Dreadlocks, sind mit dem Auftauchen des neuen Albums verschwunden. Ob es was mit den poppigeren Klängen darauf zu tun hat? Nein nein, versichert er. "Ganz ehrlich, ich hatte die Dinger jetzt 13 Jahre. Sie waren einfach kaputt und mussten weg."
Dennoch kann John Butler es nicht leugnen: Sein neues Album "April Uprising" unterscheidet sich von früheren Aufnahmen. "Ja, na klar, in meiner Musik ist jetzt mehr Folk, mehr Groove. Ich wollte taffere Beats." Konzentriert und dennoch leichtfüßig schlägt der Vollblutmusiker in die Hände. So klingt der Takt. Klatsch klatsch klatsch. Ein Lachen.
Der Sound stammt aus der Feder von Butler, gemeinsam erarbeitet mit Nicky Bomba und Byron Luiters. Nach sieben Jahre hatte er sich dafür von seinen vorigen Triokumpanen verabschiedet. Nahe ginge ihm das schon, sagt er. "Klar, es war eine harte Zeit und eine große Sache. Schließlich haben wir lange miteinander gearbeitet. Aber Zeit bringt Veränderung. Und ich hoffe, dass sie es verstehen."
Ob die früheren Kollegen deswegen wohl sauer auf ihn sind? Nicht in Johns Welt. "Weißt du, das Leben, das verändert sich nun mal. Wege trennen sich. Du solltest dankbar sein für die Zeit, die du hast." Johns Blick ist fest. Er sucht Sichtkontakt und hält ihm stand. Um die Augen bilden sich schon kleine Falten, Lachfalten. Das ganze Gesicht strahlt Energie aus. Und Fröhlichkeit – auch bei ernsten Themen.
"Ich will zur Veränderung beitragen."
"Die größte Revolution findet im Kopf statt. Ich glaube, wir müssen uns selbst ändern. Ich kann da natürlich nur für mich sprechen. Ich will eben nicht den falschen Weg auf dieser One Way Road gehen. Denn wenn ich mich so umsehe, sehe ich eine Welt, die manipuliert wird. Vom Militär. Von Politikern. Von Großkonzernen. Die scheren sich nicht um die Leute, die kümmert nur das Geld. Vor allem, Geld zu scheffeln.Das finde ich nicht richtig. Es geht darum, sich selbst ein bisschen zurückzunehmen, erst dann kann man sich gegen den Feind stellen. Ich bin selbst mein größter Feind. Fang mal an dich zu fragen, ob du ein Teil dieser Welt sein willst. Ein Teil dieser Konsumgesellschaft. Teil dieser Gemeinschaft, die unsere Welt zerstört. Willst du wirklich zu so etwas gehören? Also, ich will zur Veränderung beitragen. Ich möchte Teil einer positiven Entwicklung sein."
John Bulter redet und redet. Er redet viel, aber immer mit Gehalt. Es wäre geradezu abwegig, stünde hinter dem Albumtitel keine tiefere Bedeutung. April Uprising ist eine bulgarische Freiheitsbewegung aus den 1870er Jahren. Grob gesagt. Butler erfuhr davon, als er im November vor zwei Jahren an einem australischen Fernsehformat teilnahm, bei dem er nach seinen Vorfahren, seinen Wurzeln suchte. "Die schickten mich also auf diesen Trip und ich landete in Bulgarien."
Dort fand er heraus, dass zwei seiner Ahnen im Jahr 1875 an diesem April Uprising beteiligt waren. 100 Jahre später, 1975, wird Butler geboren. Im April. 2009 stellt er die neue Band zusammen. Im April. Und ein Jahr später erscheint das Album – ebenfalls im April. "Der Titel ist eine Metapher für so viele Dinge aus meinem Leben. Es fühlt sich so an, als hätte ich mich aus einer alten Haut geschält. Wiedergeburt. Transformation. April Uprising."
"Was ist mit der Liebe?"
John Butler kann sich artikulieren, keine Frage. Er kann überzeugen. Sein Drive steckt an, seine Meinung wirkt sehr gefestigt. Spirituell sei er schon in der Jugend gewesen, erklärt er. Aber mit dem Alter interessiere er sich mehr und mehr dafür. "Ich sehe das Leben als mehr an als drei Dimensionen. Die Seele ist sehr wichtig. Sehr, sehr wichtig. Ich kann das nicht erklären. Ich weiß auch nicht, woher es kommt. Ich spüre einfach diese Energie und dass wir alle Teil davon sind. Du und ich, wir sind Moleküle, vibrierende Energie." Ein wedelnder Arm unterstützt die große Rede eines gar nicht so großen Mannes."Wir sind miteinander verbunden: Die Energie, die ich aussende, beeinflusst dich und anders herum. So wie Jesus das gesagt hat. Ich bin kein Christ. Gott ist in allem... weißt du, ich glaube, wir sind es. Wir sind einfach. Gott ist nicht da oben. Gott ist in uns. Ich kann es nicht erklären, ich bin selbst noch auf der Suche. Aber ich bin mir sicher, dass wir alle miteinander verbunden sind. Stell dir vor, du säßest da in der Ecke und wärst hungrig und ich hätte zu essen. Es sollte doch selbstverständlich sein, dass ich mein Essen mit dir teile."
Na klar, aber normal ist das inzwischen nicht mehr in der Welt. "Ja, ich weiß. Du denkst gerade dreidimensional. Aber betrachtet man das Ganze mehrdimensional, sind wir alle eins. Wir leben auf einem sehr kleinen Planeten. Wenn du da hungrig in der Ecke sitzt, hungere ich doch auf eine Weise mit." Aber ist das nicht das Problem unserer Gesellschaft? Jeder will immer mehr und mehr haben. "Weil wir Angst haben."
Angst? Angst vor was? Butler weiß es nicht, sagt er. Holt dann aber doch weit aus. "Vielleicht vor uns selbst. Vielleicht haben wir eine kleine Stimme in uns, die uns zuflüstert, dass wir immer mehr brauchen. Dass wir hungern werden, wenn wir uns nicht noch mehr holen. Diese Angst kontrolliert uns. Aber was ist mit der Liebe? Liebe zeigt uns, was wir füreinander tun können.
Ich nehme mich da nicht raus, aber ich versuche, was zu ändern. Ich will mich nicht zufrieden geben. Wir leben auf einer so tollen Erde. Und es gab und gibt so tolle Menschen hier, die so tolle Dinge getan haben: Gandhi, Martin Luther King, Mandela. Die Revolution schreitet voran – wenn auch langsam. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Aber die Hoffnung dürfen wir niemals aufgeben."
Ob wir noch genug Zeit dafür haben? Butler runzelt die Stirn, er hat sich Rage geredet. Ein wenig Zorn schwingt in seiner Stimme mit. "Was sollen wir schon anderes tun? Jetzt ist unsere Zeit, die sollten wir nutzen. Es gibt keine Vergangenheit, es gibt keine Zukunft. Alles, was wir haben, ist das Jetzt. Wir sollten einander mit Respekt begegnen. Das ist ein kleiner Schritt, ein klitzeklitzekleines Teil des großen Puzzles. Du machst es dir etwas zu einfach. Das kann jeder. Mensch, jetzt sei doch mal nicht so negativ!"
Bam. Verbale Gesichtswatsche. Sitzt irgendwie. Aber beleidigt fühlt man sich nicht von dem Mann mit den langen Kunstfingernägeln. Der lächelt nämlich gleich wieder, kommt runter. Schnappt sich seine Gitarre und zupft kurz darauf herum. "Du brauchst Freiheit. Musst frei sein von deinen Ängsten, von Negativität und schlechten Stimmen im Kopf. Frei sein von Besessenheit. Als Mensch – oder nennen wir es Tier – bist du dazu geboren, frei zu sein. Bist du es nicht, ist der Tod die einzige Möglichkeit. Ob schnell oder langsam. Das ist dann alles, was du hast. Wir müssen immer die Freiheit suchen. Freiheit – oder kein Leben."
Dann steht er auf und geht. Raus aus dem Zimmer, rein in seine Freiheit. In sein positives Reich. Butlers schöne Utopie. Warum kann er nicht einfach die gesamte Menschheit mitnehmen?
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