laut.de-Kritik
Beim Abschiedskonzert brennen KiZi noch mal sämtliche Klassiker ab.
Review von Philipp GässleinSeien wir ehrlich: Wenn irgendeine Band aus dem erweiterten deutschen Hip Hop-Bereich überhaupt ein MTV Unplugged verdient hat, dann Kinderzimmer Productions. Da der Musiksender aber, wie manch ein Rapper munkelt, Talent häufig nicht einmal dann erkennt, wenn es ihm mit dem Hintern voraus ins Gesicht springt, organisieren sich die Ulmer Grenzgänger ihr Abschiedskonzert kurzerhand selbst: Ein halbes Dutzend Musiker helfen Textor und Quasi Modo, die richtigen Worte zu finden, um 'Lebwohl' zu sagen.
Der Abschied gilt weniger einer Szene, die für die Ergüsse der beiden experimentellen Beatmusiker - trotz ihres kindischen Namens - nie reif genug war. Vielmehr richtet er sich an jenen kleinen Haufen eingefleischter Fans, die die Ulmer über eine Dekade hinweg frenetisch als Heilsbringer einer krankenden Musikrichtung feierten. Das zeichnet sich auch im Publikum ab: Beim obligatorischen Bierchen vor dem renommierten Dortmunder Konzerthaus, üblicherweise Heimat der klassischen Philharmonie der Pottmetropole, reichen die Dialekte von friesischem Platt bis zu tiefstem Tirolerisch, statt den sonst üblichen Caps zieren bunt gemischte Frisuren bis hin zu Dreadlocks die Köpfe der angereisten Fans.
Erstaunlicherweise geben sich die Protagonisten beinahe bieder: Zu emotionalen Ausbrüchen kommt es nicht, vielmehr lassen die laut.de-Redaktionslieblinge ihre Karriere mit einigen Anekdoten beschwingt ausklingen. Um die eigentlich strikten Vorgaben des Oberbegriffes 'Unplugged' schert sich das Duo ebenso wenig wie es der 'Hip Hop' seinerzeit tat - die Stromgitarre kommt ebenso zum Einsatz wie der Konzertflügel, der Kontrabass ebenso wie Quasi Modos Turntables.
Auch an Innovation mangelt es keinesfalls: Harmonika, mannigfache Percussion und auch eine Chipstüte finden ihren Einsatz. Man muss wohl mal Mitglied in einer Orff-Combo gewesen sein, um alle Instrumente benennen zu können, mit denen die Kapelle die grenzgenialen Instrumentals aus dem Kinderzimmer simuliert.
Textor befürchtete schon anno 94, von den Stranglers die Eier abgerissen zu bekommen - dennoch scheint den Ulmern bis heute genug davon geblieben zu sein, auch ihren Skandaltrack "Back" ein letztes Mal zu zelebrieren, der ihnen damals eine Klage der englischen Classic-Rockband einbrachte. In knappen 100 Minuten brennen KiZi noch mal sämtliche Klassiker von "Das Gegenteil Von Gut Ist Gut Gemeint" bis hin zu "Geh Kaputt" ab und bereiten ihren Jüngern somit einen liebevollen und ordentlich elitären Farewell.
Ob die deutsche Rapszene das grenzgeniale Duo vermissen wird, ist fraglich. Sicher jedoch ist, dass sie mit den Urgesteinen ihre interessantesten Paradiesvögel verliert.