Details

Datum: 21. — 22. Mai 2010
Location: Amphitheater
Grothusstraße 201
45883 Gelsenkirchen
Website: Offizielle Homepage des Veranstaltungsorts
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Sommer, Bier und Sonnenschein.

Review von Michael Edele

Pfingsten, Rock Hard Festival, Sonne. Das scheint eine Kombination zu sein, die aufgeht. Auch 2010 spielt das Wetter das ganze Wochenende mit und beschert den zahlreich im Amphitheater angereisten Metalfans jede Menge gute Musik und gute Laune.

The Devil's Blood polarisieren

Allerdings polarisiert der Freitags-Headliner The Devil's Blood wie kaum eine andere Band zuvor in der Geschichte des Festivals. Während die einen von einer langweiligen Darstellung und einer Sängerin ohne erkennbares Talent sprechen, wollen die anderen the next big thing gesehen haben. Wie auch immer - auch Raven dürften am Samstag vor allem deswegen auf der Bühne stehen, weil sich die Rock Hard-Belegschaft als beinharte Fansgemeinde outet.

Der Funke will jedenfalls nicht so recht überspringen, doch damit hatten auch Exhorder zu kämpfen: Wenn man seit 18 Jahren nicht mehr in Europa war und das letzte Album genauso lange zurück liegt, muss man schon ein wenig mehr auffahren, als böse zu gucken. Das beherrscht die Saitenfraktion zwar sehr gut, aber Jogginghosen und Putzfrauenkopftuch auf der Birne sind dann irgendwie doch nicht so evil.

Accept? Respekt!

Druff geschissen, denn die große Überraschung am Samstag heißen Accept. Hatte man im Vorfeld kaum Interesse daran, die Band ohne Udo Dirkschneider zu sehen, muss man sich bereits mit dem ersten Song eines Besseren belehren lassen. Ex-TT Quick-Fronter Mark Tornillo schlägt stimmlich in dieselbe Kerbe, bleibt als Person trotz gesunder Bräune aber ein wenig blass.

Dafür haben vor allem Bruce Willis-Lookalike Wolf Hoffmann und Basser Peter Baltes jede Menge Spaß auf der Bühne und transportieren diesen auch locker ins Publikum. Ein mehr als gelungener Auftritt, und in der Form darf man durchaus auf das neue Album gespannt sein, das im August folgen soll.

Bei der Menge an Geld, das gerüchteweise in die Kreator-Taschen für den Headlinergig am Samstag geflossen sein sollen, hat der Auftritt einen leicht faden Beigeschmack. Immerhin ist man schon seit Ewigkeiten mit dem Rock Hard verbunden, und drei Viertel der Band könnten quasi mit dem Fahrrad zum Festivalgelände kommen.

Bis auf eine Videoleinwand gabs weder irgendwelche Aufbauten noch Pyros oder ähnliches zu sehen. Dafür einen Mille, dessen Ansagen größtenteils wenig glaubwürdig klingen, und dessen Versuche, einen auf 'Ich-bin-einer-von-euch' dann doch zu schal wirken. Musikalisch gibts an dem Gig allerdings nichts auszusetzen, und nach dem Publikumsandrang vor der Bühne zu urteilen, hat das Quartett den Headliner-Posten zu Recht inne!

Zuhälter mit Hut

Am Sonntag hätten Keep Of Kalessin gut und gern einen späteren Slot verdient gehabt. Zwar sind die Norweger deutlich zu laut abgemischt, doch in Sachen Stageacting und Musik wird da nicht viel falsch gemacht. Und dass eine Band diesen Kalibers mit einem - zugegeben eher melodischen - Track wie "Dragontower" am norwegischen Vorausscheid zum Eurovision Song Contest teilnimmt, ist durchaus beachtlich.

Von Crashdiet erwartete man nach dem eher mäßigen "Generation Wild" kaum etwas und der Gig der Schweden kann kaum vom Gegenteil überzeugen. Allein bei den älteren Nummern kommt sowas wie Stimmung auf. Entsprechend spärlich bleibt die Zahl der Fans vor der Bühne.

Dafür gehen die beiden Orphaned Land-Gitarristen in Sachen 'Zuhälter-mit-Hut'-Mode ganz vorne. Auch Sänger Kobi Farhi nötigt mit seinem Einmarsch als Jesus ohne Kreuz gleich mal ein Grinsen ab. Musikalisch gibts nichts zu meckern, denn die Multikulti-Truppe kommt souverän und hätte auch ohne die optische Unterstützung einer Bauchtänzerin zu den Favoriten des Festivals gezählt.

Wieso und warum Virgin SteeleNevermore sei Dank!

Dafür machen Nevermore alle Tiefschläge wieder mehr als wett! Gemeinsam mit ihrem neuen Gitarristen Attila Voros feuern die Jungs aus Seattle eine Granate nach der anderen ab. Fronter Warrel Dane ist bestens bei Stimme und singt wie ein junger Gott. Jeff Loomis ergänzt sich dabei wirklich hervorragend mit seinem neuen Sidekick Attila. Und was Drummer Van Williams hinter seinem Drumkit anstellt, ist beinahe unglaublich. Nevermore wagen es tatsächlich, drei oder vier neue Songs des zu diesem Zeitpunkt noch nicht erschienen, neuen Albums zu spielen.

Was allerdings beim letzten Song passiert, ist schon eine Frechheit: Die Crew baut bereits die Bühne um, und es hätte nur noch gefehlt, dass man Van den Drumhocker unterm Arsch weggezogen hätte. Diese drei Minuten hätte man auch beim überflüssigen Karaoke-Gewinner-Jam einsparen können, und wenn die folgenden Sonata Arctica auch noch 15 Minuten ihrer Spielzeit verschenken, kommt das umso ärgerlicher.

Tja, und dann fragt man sich noch, warum Sonata Arctica eigentlich nach Nevermore auf die Bühne dürfen. Während bei den Amis das Rund vor der Bühne proppenvoll ist, wird es bei den Finnen deutlich leerer. Da mag die Band noch so lange als enge Freunde der Belegschaft angekündigt werden, ob sie sich an dem Tag viele neue Freunde im Publikum gemacht haben, darf bezweifelt werden.

Ein würdiger Abschluss mit Rage

Der Karaoke-Jam scheint heuer mal wieder ähnlich überflüssig, wie Mambo Kurt, dessen Zeit wohl auch langsam abläuft. Allerdings wird auch eine längere Umbaupause benötigt, um für Rage samt Lingua Mortis-Orchester die Bühne zu präparieren: Wo manch andere Band die Regler deutlich zu weit aufgerissen hat, sind bei Rage eher die leisen Töne gefragt.

Wer nun allerdings denkt, dass die Security im Graben einem ruhigen Abend entgegen sieht, hat sich getäuscht. So viele Crowdsurfer wie bei Rage hatten stellenweise nicht mal Kreator am Vorabend. Peavy und Co. genießen die ausgelassene Stimmung in vollen Zügen und holen sich für ein paar Songs auch noch eine bezaubernde Gastsängerin auf die Bühne: Ein tolles Spektakel und ein würdiger Festivalabschluss.

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