Anja Rützel: Take That
Worum geht's?
In der Reihe "KiWi Musikbibliothek" schreiben Autorinnen und Autoren über ihre Lieblingskünstler. Statt, wie andere, vom Feuilleton anerkannte Acts wie Nick Cave, Leonard Cohen oder die Beatles zu ihrem Thema zu machen, widmet Anja Rützel ihren Beitrag einem Teeniekreischphänomen. "Ich hatte das Gefühl, Take That brauchen mich", erklärte sie unlängst erst im Interview im Morgenmagazin. Nicht, dass jemand auf falsche Gedanken kommt: Ihre Wahl ist keineswegs ironisch gemeint oder nur gefallen, um trotzig gegen irgendeinen intellektuellen Strom zu schwimmen. Anja Rützel liebt Take That, so einfach ist das.
Sie liebt diese Boyband von Herzen, wider manches Vernunftargument, mit der Inbrunst eines zum ersten Mal bis über beide Ohren verknallten Teenagers, und es ist eine wahre Wonne, diese ehrliche, glühende Zuneigung bezeugen zu dürfen. Angefangen bei Gary Barlow, widmet Rützel jedem der (inzwischen ordentlich gealterten) Boys ein eigenes Kapitel und füllt es jeweils mit Verehrung, beeindruckender Sachkunde, privaten und beruflichen Anekdoten oder, im Fall Jason Orange, über den man seit seinem Rückzug einfach wirklich nicht viel weiß, mit übersprudelnder Fantasie. Ich schwöre: Noch während der Lektüre wirst du nach Videos suchen, in denen Barlows blanke Brust mit Eis am Stiel traktiert wird. Du willst sehen, wie Take That die Originalchoreografie zu "Pray" tanzen. Wenn dich ein Fremder nach dem Weg fragt, wirst du fortan schwer an dich halten müssen, um nicht die vage Zeigegeste nach schräg oben anzubringen, die Mark Owen in Richtung "Babe" führen sollte. Ein herzergreifend wundervolles, hochgradig vergnügliches kleines Buch über eine große Liebe.
Wer hat's geschrieben?
Anja Rützel ist nicht nur Journalistin und Autorin, sie ist außerdem die unangefochtene Königin der Trash-TV-Review. Sie schreibt, unter anderem für Spiegel Online, über Formate wie "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" oder "Der Bachelor", und es ist gut, dass sie das tut. Weil sie ein riesiges Herz für liebenswerten Schund und seine Protagonisten hat. Ich weiß ehrlich nicht, worum ich sie glühender beneiden soll: um ihre Gabe, großen Mist zwar völlig schonungslos als solchen zu entlarven, dabei aber niemals überheblich oder verletzend zu wirken, oder um ihr Vokabular. Rützel kennt Wörter wie niemand sonst, und sie kann damit umgehen wie kaum jemand sonst.
Wer soll's lesen?
Take That-Fans, Take That-Hasser und Menschen, denen Take That komplett wumpe sind. Hinterher tanzen wir alle zusammen den Weihwasser versprühenden Priester, die Luftsäge, den Yoga-Jesus, die Noch-fünf-Bier-bitte-Bestellung, die Taumelmumie, den Meer teilenden Moses, den brennenden Bettvorleger, die Migräneattacke und den eingerosteten Kranich. Pray!
Das beste Zitat
"In regelmäßigen Abständen durchsuche ich YouTube nach einem 'Pray'-Tutorial, einer Schritt-für-Schritt-Anleitung für diesen Tanz, und bin jedes Mal gleichermaßen überrascht wie erbost, dass es das nicht gibt."
Wertung: 5/5. Text von Dani Fromm
Anja Rützel: Take That, KiWi, 160 Seiten, gebunden, 10 Euro
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1 Kommentar mit 3 Antworten
Die Dschungelcamp-Berichte von ihr sind nicht schlecht, aber die guckt und schreibt echt nur über Reality-Trash. Okay, bis auf jetzt Take That halt. Tut mir irgendwie leid.
und ich dummy dachte immer, take that wäre trash...
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
War jetzt speziell auf die TV-Formate bezogen. Und von der 90er Boyband-Seuche war TT noch halbwegs hörbar imo. Da gabs weitaus schlimmeres.