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Marcus Staiger & Mohamed Ahmad Chahrour - "Dakhil - Inside arabische Clans"

Worum gehts?

Streng genommen handelt es sich bei "Dakhil" nicht um ein Musikbuch. Der Verankerung der Autoren und des Verlags in der deutschsprachigen Rapszene wegen drücken wir diesbezüglich aber ein Auge zu. Zumal die Recherche wirklich erhellende Einblicke "Inside arabische Clans" bietet. "Ja, wir sind parteiisch", räumen die Urheber gleich in der Vorrede ein. "Und das ist auch gut so." Statt in den Chor hysterischer Stimmen einzufallen, die mindestens den Untergang des christlichen Abendlandes kurz bevorstehend wähnen, haben Staiger und Chahrour den viel beschworenen Dialog tatsächlich gesucht. In zig Interviews sprachen sie mit Vertreter*innen aus Wissenschaft, Journalismus, Sozialarbeit, Polizei und Justiz, vor allem aber mit Mitgliedern der libanesischen Großfamilien, über die sonst nur geschrieben wird.

Wenig überraschenderweise entsteht so ein weit facettenreicheres Bild als das einseitige Schreckensszenario vom bösen bärtigen Araberpatriarchen: "Dakhil" beschreibt Familienstrukturen und Lebensumstände der (Huch! Das sind ja ...) Menschen, um die es geht, genau wie ihre Darstellung und Verquickung in Medien und Popkultur, und fängt dabei ganz am Anfang an: bei den Hintergründen des libanesischen Bürgerkriegs und den Fluchtbewegungen, die hier vor Jahrzehnten ihren Ursprung nahmen. Natürlich keine repräsentative Studie, aber eine angenehm unaufgeregtes, zudem horizonterweiterndes Gegengewicht zur allgegenwärtigen reißerischen, Ängste schürenden Berichterstattung.

Wer hats geschrieben?

Marcus Staiger und Mohamed Ahmad Chahrour. Ersterer sollte, wenn nicht als Journalist, Aktivist, Kampfsportler und Industriekletterer, als ehemaliger Labelchef von Royal Bunker und Planierraupe für den Berliner (Straßen-)Rap hinlänglich bekannt sein. Zweiterer ist Komponist, Schauspieler, Synchronsprecher und Produzent, arbeitete unter anderem schon mit Kollegah, Bogy oder Blokkmonsta zusammen, und entstammt einem der Clans, über die er hier schreibt. Gemeinsam hosteten Staiger und Chahrour bereits den Podcast "Clanland" zum gleichen Thema, der ihnen eine Nominierung für den deutschen Radiopreis einbrachte.

Den Verlag GHØST, über den "Dakhil" erschienen ist, gründete der Wiener Rapper RAF Camora. Das mit den Seitenumbrüchen üben sie dort vorm nächsten Buch hoffentlich noch ein bisschen.

Wer solls lesen?

An sozialen und historischen Zusammenhängen interessierte Menschen, insbesondere alle, die sich mehr Ausgewogenheit in der Berichterstattung wünschen. Journalist*innen und solchen, die es gern wären, kann ein genauer Blick auf die Auswirkungen einseitiger, Vorurteile schürender Schreibe im Grunde auch nur helfen.

Das beste Zitat:

"Es gab eine Phase im Deutschrap, wo kein Video gedreht wurde, in dem nicht eine Horde von Gangstern aufmarschierte. Die Botschaft war klar: Man war Teil von etwas Größerem und aus diesem Grund unangreifbar. Welcher junge Mann in der Selbstfindungsphase träumt nicht davon? Loyalität. Zusammenhalt und Stärke. Schon allein der Konsum dieser Videos vergrößerte den Armumfang nachweislich um zwei Zentimeter."

Bonus-Zitat:

... aus einem der unzähligen Interviews: "Der andere hat auf seinen Schnurrbart geschworen, dass er mich behält. Ich habe ihm geglaubt, denn bei uns Kurden kommt der Schnurrbart direkt nach Gott. Wenn jemand auf seinen Schnurrbart schwört, dann hat das was zu bedeuten. Als ich fünfeinhalb Monate bei ihm gearbeitet hatte, wurde ich entlassen. Ich konnte nichts dagegen tun, und diesmal konnte ich noch nicht einmal eine Abfindung einfordern. Ich habe ihm ins Gesicht gesagt: 'Du bist ein alter Mann, ich könnte dir ins Gesicht spucken, aber ich habe Respekt. Deinen Schnurrbart solltest du allerdings in die Toilette schmeißen.'"

Wertung: 4/5

Text von Dani Fromm

Kaufen?

"Dakhil" erscheint ("wenn nichts mehr dazwischenkommt", sagt Staiger) am 24. November. Dann gerne hier entlang:

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