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Platz 11: Roy Bianco & die Abbrunzati Boys - "Kult"

Das weiße Jackett des Traumschiff-Kapitäns glänzt in der Sonne vor Capri, der Prosecco fließt in Strömen und die MitfahrerInnen feiern. "Die Band spielt Schlager, es ist passiert", säuselt dazu die Matrosenkapelle Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys.

Doch die Zeile des Openers "MS Abbrunzatissima" vom dritten Album "Kult" führt auf die falsche Insel, genau wie die fiktive Band-Story um einen abgehalfterten Schlagerstar aus den 80ern.

Die Jungs aus Augsburg schmeißen sich schmissig in die deutsche Chanson-Welle der 70er und unterlegen sie mit straighten Beats aus deiner Indie-Disco. Darüber malen ihre Geschichten voller Liebe und Sehnsucht ein wundervolles, komplett subjektives Bild von Italien und Griechenland, wie es die Deutschen seit Ende der 60er von Udo Jürgens und Roland Kaiser kennen und ehren.

Melancholie trifft Melancholie, und heraus kommt herrlich tanzbarer Eskapismus, der für Indie-Hupen genauso funktioniert wie für Wutang-Udos oder Fernsehgarten-Fans. Mein Herz ist jedenfalls am Felsen der Abbrunzati Boys zerschellt. Lang lebe die MS A. Lang lebe Sophia Loren.

[von Stefan Johannesberg]

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Roy Bianco & die Abbrunzati Boys - "Kult"*

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1 Kommentar

  • Vor 3 Monaten

    Es war 1984, und ich verbrachte meinen Urlaub in San Remo, wo die Sonne niemals unterzugehen schien und das Meer azurro schien. Eines Nachmittags, während ich in einer Strandbar saß und meinen zweiten Campari Soda trank, hörte ich es: “Vino Rosso”, dieser neue Hit, der überall im Radio lief. Ich summte den Refrain vor mich hin, als plötzlich eine Gruppe von Männern hereinkam – gut gekleidet, Sonnenbrillen, Goldketten – und die ganze Bar schien für einen Moment den Atem anzuhalten.

    „Das sind sie,“ flüsterte der Barkeeper zu mir, „Roy Bianco & die Abbrunzati Boys.“

    Ich konnte es kaum glauben. Die Band, die gerade die Charts stürmte, stand wenige Meter von mir entfernt und bestellte lautstark Limoncello für alle. Roy selbst – charmant, charismatisch, mit einem Lächeln, das die Wellen verstummen ließ – bemerkte meinen erstaunten Blick und zwinkerte mir zu.

    „Ehi, ragazzo!“ rief er und winkte mich zu sich. Ehe ich mich versah, saß ich mitten unter ihnen, während sie mir Anekdoten über ihre ersten Tourneen erzählten, als sie noch in kleinen Bars spielten und die Gage in Pizza ausgezahlt bekamen.

    Später, als die Sonne unterging und die Lichter der Strandpromenade angingen, holte einer von ihnen eine Gitarre hervor, und sie sangen “Ponte de Rialto” live, nur für uns. Die ganze Bar sang mit, Fremde wurden zu Freunden, und für einen Moment fühlte es sich an, als wäre die Welt nicht größer als diese kleine Terrasse am Meer.

    Am nächsten Morgen waren sie verschwunden, zurück auf Tour, aber wenn ich heute an San Remo denke, höre ich immer noch ihre Stimmen im Wind – und die Zeilen von “Vino Rosso”, die für eine Nacht auch meine Hymne war.