30. April 2012
"Zu Nanna würde ich nicht ins Bett kriechen"
Interview geführt von Deborah KatonaOf Monsters And Men sind eigentlich im Kopf noch Kinder. Das sagen sie selbst, und wenn Frontfrau Nanna Bryndís Hilmarsdóttir und Schlagzeuger Arnar Rósenkranz Hilmarsson charmant und uneitel über zu Hause philosophieren, über ihre Liebe zu Monstern und Märchen und von Skype-Gesprächen mit Hund berichten – spätestens dann merken das auch andere.Sie wohnen fast alle noch bei ihren Eltern, haben die Schule abgebrochen und drehten spaßeshalber einen Fake-Clip fürs Internet. Auf der Bühne zeigen sie dann aber, dass sie auch eine erwachsene, professionelle Seite an sich haben. Nanna und Ragnar Pórhallsson haben Stimmen, die große Konzerthallen füllen können – und wahrscheinlich auch werden. Von dem Trubel fühlen sie sich dennoch ein wenig überrannt.
Da draußen gibts einen ziemlichen Hype um euch gerade, was?
Arnar Rósenkranz Hilmarsson: Es ist total verrückt! Unsere Shows sind ausverkauft und dann auch noch an Orten, an denen wir vorher noch nie gespielt haben. Verrückt, aber toll!
Nanna Bryndís Hilmarsdóttir: Vor einem Jahr hatten wir gerade mal mit den Aufnahmen zum Album begonnen. Was gerade passiert, konnten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht mal ahnen.
Arnar: Manchmal überfordert uns das. Aber dann schlafen wir eine Runde und alles ist wieder gut.
Nanna, ständig fragt man dich, wie es als einziges Mädchen mit fünf Jungs in der Band so ist. Aber Arnar, mal andersrum: Wie ist das eigentlich für dich?
Nanna: Oh, das will ich auch gern wissen!
Arnar: Hm, also ... sie ist eher eine von uns Jungs. Wir sehen sie eigentlich nicht als Mädchen, sondern eher als 'Freund' an.
Also gibts keinerlei Unterschied im Verhalten?
Arnar: Naja, manchmal schon. Wir Jungs spielen uns gegenseitig öfter Mal Streiche und sind sehr liebenswürdig zueinander. Manchmal zum Beispiel krabble ich zu einem der Jungs in die Schlafkabine, lege mich zu ihm und sorge dafür, dass er sich rundum wohl fühlt (lacht). Mit Nanna könnte ich das nicht tun, weil sie eben ein Mädchen ist. Das ist der einzige Unterschied: Ich würde nicht zu ihr ins Bett kriechen (lacht wieder).
Wie bewahrt ihr euch auf Tour denn noch ein wenig Privatsphäre?
Nanna: Ich denke, wir schlagen uns ganz gut. Es gab noch keine wirklichen Probleme.
Arnar: Die Schlafkabine ist sozusagen dein eigenes Reich. Wir respektieren uns als Individuen. Wenn einer allein sein will, dann lassen wir ihn eben alleine, so lange es sein muss.
Wie fällen sechs Personen eine Entscheidung?
Nanna: Wir haben ein System entwickelt: Wenn zwei von uns unterschiedlicher Meinung sind, dann hören wir auf denjenigen, dessen Gefühl stärker ist.
Arnar: Manchmal passiert es natürlich, dass Nanna und ich anders denken. Aber wenn sie wirklich, wirklich überzeugt von ihrer Idee ist, dann machen wir es so, wie sie es will. Es kommt auf die Intensität des Gefühls an.
Woher wisst ihr denn, welches stärker ist?
Arnar: Wir hören einander zu und diskutieren die Sache. Ich vertraue Nannas Instinkt.
Nanna: Es ist eine Sache, die vom Herzen kommt.
"Im Kopf sind wir noch Kinder!"
Ihr nennt euch Monster, textet über Tiere und Ungeheuer und Traumwelten, euer Video zu "Little Talks" erinnert an ein Märchen. Woher kommt dieses Faible?Arnar: Wir alle haben unsere Monster in uns.
Nanna: Ich mag alte Filme wie "Frankenstein" oder "Nosferatu" und mit Monstern – das fasziniert mich einfach. Es hat etwas Kindliches an sich, und Kinder haben doch häufig die lustigsten Gedanken.
Seid ihr also im Kopf Kinder?
Beide: Absolut!
Was wollt ihr werden, wenn ihr groß seid?
Nanna: (lacht) Ich wollte schon immer Musikerin werden, wirklich! Ich erinnere mich noch an meinem Grundschulabschluss. Dort fragten sie, was man mal werden will. Und ich sagte: 'Musikerin!'. Aber es schien so weit weg und deswegen ging ich auf die Suche, was ich denn sonst machen könnte. Kunst, Philosophie, Psychologie?
Was habt ihr denn vor eurer Karriere als Musiker gemacht?
Arnar: Ich spielte in verschiedenen Bands und studierte – aber das hat jetzt ein Ende. Of Monsters And Men haben nun Priorität.
Nanna: Wir hatten beide gerade mit dem Studium begonnen, bei mir Bildende Kunst, Arnar mit Grafikdesign. Wir haben als Band irgendwann beschlossen, alles andere aufzugeben. Das war ein echt verrückter Moment.
Arnar: Die anderen haben ihre Jobs gekündigt! Das war im September letzten Jahres, als wir unseren Plattenvertrag unterschrieben hatten. Wir hatten keine Ahnung, was passieren würden, aber entschlossen uns dazu, die Band zum Fulltimejob zu machen. Da wurde es auf einmal ernst. Wir spielen schon seit Jahren unsere Instrumente und bekommen von unseren Familien die volle Unterstützung. Aber die haben niemals erwartet, dass wir davon irgendwann leben könnten. Das haben wir ja nicht mal selbst erwartet. Verrückt, es trotzdem zu versuchen, oder? Eine krasse Entscheidung.
In "From Finner" heißt es: "And we are far from home but we're so happy". Kein bisschen Heimweh?
Nanna: Wir haben gerade eine tolle Zeit, aber sobald wir zu Hause sind, fühlt es sich sehr gut an. Außer mir wohnen alle auch noch daheim.
Arnar: Unsere Eltern vermissen uns tatsächlich. Ich hab erst letzte Nacht nach dem Auftritt eine halbe Stunde mit meiner Mutter telefoniert – das ist gut und wichtig. Ich versuche, jeden Tag mit meiner Familie zu sprechen. Und mit meinem Hund. Ich rede via Skype mit ihm. Er ist nicht so gesprächig, nur ab und an ein "Woah". Aber er kann mich definitiv hören (lacht) Ich vermute, er vermisst mich.
Über eure Heimat Island sagt ihr, dass man dort in seiner kleinen Welt feststeckt. Wird man in Island automatisch zum Träumer?
Nanna: Absolut! Ich hatte mal einen ganz komischen Traum mit einem Labyrinth voller Mörder. Ich wurde von einem verfolgt und rannte also die ganze Zeit weg. Er erwischte mich aber und schnitt mir die Hand ab. Er starrte mich entsetzt an, denn er hatte ein total schlechtes Gewissen, weil ihm genau das auch passiert war. Er hatte keine Hand mehr. Deswegen wollte er meine retten und nahm mich mit zu sich.
Dort war ein schwarzer Raum mit einem kleinen Tisch – sonst nichts. Wir saßen da, ein Spot war auf uns gerichtet. Er sagte, ich sollte nicht auf meine Hand sehen, und er würde mir zur Ablenkung ein Geschichte erzählen. Die war allerdings total wirr: 'Da war ein Hund mit einem Haus und ein Haus mit einem Hund. Und beim Haus war ein See und beim See war ein Haus'. So ging es weiter. Plötzlich waren wir auf dem Mond. Ich sah auf meine Hand und darauf stand ein Miniatur-Ausgabe von Tom Waits, der mit einem Schirm tanzte. Das war so verrückt, dass ich direkt ins Wohnzimmer rannte, um den Traum aufzuschreiben.
Nutzt ihr so etwas dann für eure Lyrics?
Nanna: Unsere Inspiration beziehen wir schon aus solchen Traumwelten – das sind aber nicht unbedingt unsere eigenen. Wir lassen uns oft von Dingen inspirieren, die nicht ganz normal sind.
"Wir sind schätzungsweise nicht sehr seriös."
Aus Island kommt viel qualitativ hochwertige Musik. Habt ihr eine Erklärung dafür?Arnar: Wir haben eine Theorie. Die Musikszene in Island ist ziemlich klein, man kennt sich. Deswegen will keiner die gleiche Musik machen wie der andere und jeder versucht, einen eigenen Sound zu kreieren. Die Leute experimentieren also viel herum. Ich denke, das ist die Geburtsstunde eines einzigartigen Sounds.
Was findet ihr an eurem denn so besonders?
Nanna: Auf unserem Album kommen sechs Individuen zusammen. Wir sind alle unterschiedlich und uns gleichzeitig sehr ähnlich. Aber es liegt wohl noch an etwas anderem: Als wir das Album aufnahmen, hofften wir, vielleicht ein paar Exemplare davon in Island verkaufen zu können. Wir dachten an nichts. Deswegen gingen wir sehr sorglos an die Sache ran. Ich denke, das hört man auch.
Arnar: Ich weiß, dass sagen viele Musiker, aber: Wir hatten echt keinerlei Vorstellung davon, dass das alles passieren würde.
An welchem Punkt habt ihr gemerkt, dass ihr es geschafft habt?
Arnar: Es passiert gerade so viel. Ich glaube, der Moment ist noch nicht gekommen.
Nanna: Wir warten wohl immer noch auf den Zeitpunkt, an dem uns das klar wird. Es fühlt sich noch nicht so an, als wären wir schon am Ziel. Wir genießen den Moment.
Was habt ihr noch für Ziele?
Arnar: Wir wollen noch viele Alben veröffentlichen. Und zwar fünf. Oder besser zehn. Oder am besten noch viel mehr! (Lacht)
Arbeitet ihr gerade an neuen Sachen?
Nanna: Wir haben schon Ideen im Kopf. Auf Tour ist das Schreiben aber schwer.
Und weil ihr mit Blödsinn machen beschäftigt seid? Ich hab mir euer Trick Shot-Video (www.youtube.com/watch?v=rZcTNwwYInU) angeschaut.
Arnar: (Lacht) Cool, oder? Das haben wir in den Staaten gedreht. Wir sind nicht sehr seriös, schätze ich.
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