laut.de-Biographie
Perel
"Ein Haus, ein Zaun, der Vogel erstickt. Die Zeit, der Raum, nichts kommt zurück. Ein Tag, ein Traum, die Nacht, das Licht. Ein Mond, ein Wort, doch kein Gesicht. Der Weg, das Ziel, sie finden sich nicht. Auf einem Hof, ein Herz zerbricht. Alles, was war, wird nie wieder sein. Und alles, was ist, ist schon jetzt vorbei." kryptet es im Frühjahr 2018 wahlweise im Radio Edit oder in der geräumigeren Albumversion aus so manchem Soundystem.
Dabei handelt es sich um Perels bis dato erfolgreichsten Track "Alles" vom Debütalbum "Hermetica", dessen Innovativität und gleichzeitige Zitierfreudigkeit dem Feuilleton der FAZ Anerkennung abringt: "Die Freude am Erbe des Minimal-Music-Erfinders Steve Reich ist gut hörbar – klar, naheliegend für House und Techno – aber hier springt sie das Ohr ganz besonders an. Überall wuseln Patterns, kleine Figuren, die lange wiederholt werden, und die hier sogar durch verschiedene harmonische Stufen getrieben werden. Darunter legen sich weiche Pads und Strings, den Sound einer Solina hört man manchmal, eines dieser Keyboards von 1974, die den Sound der Siebziger und Achtziger mitbestimmten. Perels Album „Hermetica“ ist auch seine eigene kleine Retro-Bewegung, kleine Verbeugungen vor DAF sind drin oder vor dem frühen Mike Oldfield und der Jan Hammer Group."
In der Tat strotzt ihre Musik nur so vor verschiedensten Inspirationsquellen, ohne dabei aber rückständig oder altbacken zu wirken. Ob New Wave-Anleihen, ansatzweiser NDW-Sound, heiterer House oder treibender Techno bis hin zum Experimentellen: Große Gesten koexistieren neben künstlerischem Understatement.
Dabei wächst Annegret Fiedler, wie Perel bürgerlich heißt, mit Thalheim im Erzgebirge nicht gerade in einem musikalischen Biotop auf. In ihrer Kindheit nach dem Mauerfall saugt sie Einflüsse aus Ost und West gleichermaßen auf, wie sie der Groove verrät: "Ich bin zwar in der ehemaligen DDR geboren, jedoch nach dem Mauerfall in den Neunzigern eingeschult worden. Meine musikalische Sozialisation war also von Reinhard Lakomy und den Spice Girls gleichzeitig geprägt. Als Kleinkind habe ich hauptsächlich Märchenschallplatten gehört und konnte zum "Traumzauberbaum" mitsingen. Später zu Schulzeiten dann eher zu den Bravo Hits."
Nachdem sie früh einen Hang zu träumerischen Melodien entwickelt, faszinieren sie später auch Krautrock, Indie-Pop und generell der verheißungsvolle Sound der 80er: "Ich habe dieses 80er-Zeug immer gemocht, den Übergang von Disco zu House", lässt sie XLR8R wissen. Um die Jahrhundertwende zieht Annegret zum Studieren nach Halle, wo sie aufgrund der zahlreichen illegalen Partys in leerstehenden Gebäuden tiefer in die Clubkultur eintaucht. Ab 2010 lebt Fiedler in Berlin, entfernt sich zusehends von vorherigen musikalischen Vorlieben und taucht letztendlich in die House-Szene ein. Bald folgen unter dem Pseudonym Annek erste DJ-Sets.
2013 wird aus Annek schließlich Perel, die 2014 mit "Body Talk" ihren ersten lupenreinen Housetrack veröffentlicht. Die sprunghafte, eher konventionelle Nummer liegt dem jetzigen Output der Sächsin merklich fern und Fiedler sieht nach dem Release immer stärker, dass House doch nicht ihre künstlerische Bestimmung zu sein scheint: "Es hat sich für mich nicht komfortabel angefühlt. Es war nicht die richtige Szene und es ist etwas Komisches daraus geworden. Ich wusste nicht, welche Art von Musik ich machen wollte. Ich liebte House, aber ich habe aus irgendeinem Grund gemerkt, dass Musikmachen auf diese Art sich nicht richtig anfühlte."
Nach einer Phase der Neuausrichtung findet Fiedler dann zu ihrem Trademark-Sound, den das 2016 erschienene "Amin" einläutet: Krautiger, bedachter, eine Spur gemächlicher und kühler klingt die neue Perel: "Es war wie ein neuer Anfang. Es ging darum, sein Hirn auszuschalten und die Musik zu machen, die man wirklich fühlt."
Diese Gefühle teilt nicht zuletzt LCD Soundsystem-Frontmann und DFA Records-Gründer James Murphy, dessen Label von Perels Tracks im Zuge einer Radioshow der jungen DJane in New York Wind bekommt: "Ich habe ihnen alle meine Tracks geschickt und sie schlugen vor, das Album zu machen. Ich dachte, die wollen mich verarschen."
Wollten sie nicht. Und als das Album dann schließlich erscheint und sie sich vor Auftritten kaum retten kann, führt die ausgebildete Sängerin den Durchbruch unter anderem auf einen übersinnlichen, selbsterfüllenden Lauf der Dinge zurück: "Ich begann, zum Universum zu beten und bin sehr dankbar für alles, was passiert. Ich habe Kontakt mit einer spirituellen Dimension und er hat mich in meinem Herzen dahingehend verändert, das Gute in Menschen zu sehen und negative Energie loszuwerden."
Noch keine Kommentare