laut.de-Kritik
Die Queen of Funk lädt zur Audienz.
Review von David HilzendegenDie Queen of Funk lädt zur Audienz und alle sind sie gekommen! Naja, fast alle, zumindest so viele, dass die Räucherkammer im Schlachthof zu Wiesbaden kaum noch Platz für mehr her gibt. Ein Glück, dass es die Dap Kings trotz jüngster Erfolge mit Amy Winehouse noch nicht in die große Halle schaffen, das erleichtert Sharon Jones' Spiel mit dem Publikum vermutlich ungemein.
Denn als die Gute nach einem einleitenden Instrumentalstück schließlich gebührend angesagt wird und unter frenetischem Jubel die Bühne stilgerecht im goldenen Glitzerkleid und Stöckelschuhen betritt, ist eines klar: Hier werden heute Abend keine Gefangenen gemacht, keine Kompromisse, nur sie alleine hält die Zügel in der Hand. Und die werden stramm gezogen, erste und wichtigste Lektion: Tanzen.
Nach "Keep On Looking" zur Eröffnung führt sie uns in einem circa viertelstündigen Intensivkurs in die Welt des Tanzes ein. Den Hüftschwung habe sie sich afrikanischen Stämmen, die Nackenbewegung in der Kirche abgeguckt, sagt sie noch, bevor sie wie wild über die Bühne rockt. Ganz großer Unterhaltungssport der mittlerweile doch immerhin schon Fünfzigjährigen!
Zu "Be Easy" dann der erste Test, ob ihre Anstrengungen überhaupt auf fruchtbaren Boden fallen. Schließlich verausgabt man sich nicht zum Spaß, der erstbeste junge Mann in der vordersten Reihe muss dran glauben und darf auf der Bühne zeigen, ob er schon etwas gelernt hat. Er schlägt sich wacker, bildet jedoch nur die Speerspitze eines ganzen Reigens von Tänzern aus dem Publikum, zu dem später auch ich zähle.
Nun darf ich, typisch männlich eben, eine überaus steife Hüfte mein Eigen nennen, was bei dem eng umschlungenen Tanz, den sie mit mir vollführt glücklicherweise überhaupt kein Problem darstellt. Und wer kann denn bitte von sich behaupten, mit der Queen of Funk geschäkert, getanzt und sie zum Schluss auch noch geküsst zu haben?
Tendenziell scheinen sich die Herren der Schöpfung neben Sharon auf der Bühne wohler zu fühlen als die Damen. Während sich die Jungs gegen Ende schon beinahe feil bieten, um auf die Bühne zu kommen, gestaltet sich die Zusammenstellung eines dreistimmigen Damenchors für "Tell Me" um einiges schwieriger. Schließlich gefallen die drei Auserwählten jedoch sogar mit einer kleinen Choreo.
In der Mitte des Konzertes dann der endgültige Beweis, wer hier die wahre Souldiva ist: Irgendwo zwischen den Klassikern "How Do I Let A Good Man Down" und "Natural Born Lover" geht der Dame das Wasser aus. Nach Anleitung der Chefin springen sofort zwei der Bläser in den VIP-Raum, um für Nachschub zu sorgen. Völlig mit Recht aber auch, schließlich will ein solch großartiges Organ anständig geölt sein. Es ist nahezu kein Unterschied zu erkennen zwischen den Studioaufnahmen und dem, was sich auf der Bühne abspielt. So cool, so funky, so unterhaltend und so schweißgebadet vor Verausgabung war in den Hallen des Schlachthofes wohl schon lange niemand mehr.
Nach ungefähr 90 Minuten ist dann erst einmal Schluss, die Band und die Sängerin holen sich ihren verdienten Applaus ab, entlassen das Publikum aber selbstverständlich nicht ohne eine weitere Zugabe. Es folgt eine Wahnsinns-Interpretation von James Browns Klassiker "It's A Man's World". Ein Fehler, denn spätestens jetzt ist das Publikum völlig aus dem Häuschen, minutenlanger enthusiastischer Jubel zwingt die New Yorker offensichtlich widerstrebend zu einer weiteren Zugabe.
Denn statt Gesang gibt es jetzt eine Standpauke mit Funk-Untermalung. Wenn sie das nächste Mal in einer größeren Halle vor 300 Leuten mehr auftreten, dann würden sie noch ein paar weitere Lieder spielen, klärt Sharon das Publikum mit strengem Blick auf. Ich hoffe nicht, Miss Jones, die kleine Halle war schon genau richtig für dieses unvergessliche Erlebnis.