laut.de-Kritik
Die US-Major-Player hatten nicht mal Bock, das Mic zu benutzen.
Review von Philipp GässleinWenn zwei Rap-Heroen vom Format eines Diddy und eines Snoops sich die Ehre geben, in Deutschland zu spielen, darf laut.de natürlich nicht fehlen. Die Vorfreude auf ein solches Großereignis wurde höchstens noch durch die Vorstellung übertroffen, wie man sich die zwei Protagonisten denn nun vorzustellen hat.
Vielleicht ein böse guckender Kerl, der hauptsächlich auf der Bühne steht, um die hauseigene Klamottenkollektion zur Schau zu stellen einerseits, und einen Riesen im pinken Bademantel mit sternenförmiger Brillant-Sonnenbrille andererseits, der einen Joint nach dem nächsten raucht? Allerdings können sämtliche modischen Geschmacksverirrungen nichts daran ändern, dass alleine das Sortiment an Tophits der beiden Superstars ausreicht, um das Publikum eine halbe Woche lang durchgehend zu bombardieren.
Wer bereit ist, den kompletten Tageslohn eines Spargelstechers für ein zweistündiges Konzert zu berappen, der darf sich über Begleiterscheinungen nicht wundern. Die Preise für diese leicht alkoholhaltige Bierplörre fand ich trotzdem ein wenig frech. Allerdings, soviel sei voraus geschickt, hätte ich mir spätestens nach zehn Minuten Show gewünscht, noch 30 Euro mehr in selbige investiert zu haben.
Dass wir es bei Snoop und Diddy mit zwei der größten Selbstdarsteller unserer Zeit zu tun haben, ist bekannt und macht tatsächlich auch einen Teil der Faszination aus. Und es amüsiert schon, wenn der Labelboss nach gefühltem stundenlangen Vorführen diverser Sean John-Parfumwerbungen in einem maßgeschneiderten Dreiteiler die Bühne stürmt, um dort nichts weiter zu tun, als in einem Scheinwerferkegel stoisch herumzustehen, als wolle er die göttliche Macht in sich aufsaugen. Ein überragender Rapper mag Diddy vielleicht nie gewesen sein, aber zumindest hält er sich ganz offensichtlich nicht nur dafür, sondern für den fleischgewordenen Hip Hop-Messias. Das ist nun weder unüblich noch unerwartet, aber gewöhnlich versuchen solche Rapper dann wenigstens auch live zu rappen.
Stattdessen gabs Playback aus der Konserve. Nicht nur von Diddy, sondern auch von Snoop, der eine gute halbe Stunde später im relativ unspektakulären Overall auf die Bühne kam. Es ist unfassbar - da stehen zusammengerechnet gut 30 Jahre Rapgeschichte inklusive einem Jahr Topplatzierung in den Singlecharts im Scheinwerferlicht, und beide schaffen es weder live zu rappen, noch ihre eigenen Hits wenigstens vollständig wiederzugeben. Da rollt der heftig groovende Beat von "Bad Boys For Live" oder Dres Meisterwerk "Next Episode" an, und sobald man die gerade angetrunkenen Kalorien wegzubouncen beginnt, fährt er auch schon wieder runter.
Wozu? Damit die Rapper ein weiteres Mal alberne "This motherfuckin' side give me a motherfuckin' Heeey yoooo Motherfucker"-Spielchen zum Besten geben können? Die angebliche Liveschaltung zu Busta Rhymes war bereits nach 30 Sekunden durchschaubar, als die Techniker das Wunderwerk vollbrachten, die Liveschaltung in Echtzeit mit allen Finessen eines Musikvideos zu versehen. Trotzdem war das - selbstverständlich ebenfalls auf Playback gerappte - "Jump Jump" noch einer der spärlich gesäten Höhepunkte des Abends.
Erstaunlich ist da nur, dass bei den gut sechstausend Besuchern der halbvollen Frankfurter Festhalle keine bürgerkriegsähnliche Zustände ausbrachen. Gut, die meisten Zuschauer geben vermutlich die zehnfache Menge ihrer hart erhustelten Moneytos für schicke Sneakers aus, aber tatsächlich schienen sich viele prächtig amüsieren. Kiffen zerstört also doch die rebellische Ader der Jugend. Oder es macht, wie so oft zitiert, völlig gleichgültig. Die in Anbetracht dieser Darstellung enttäuschend nüchterne laut.de-Fraktion fühlte sich in erster Linie verarscht. Für Musik von der Platte brauche ich nicht nach
Frankfurt zu fahren, und meine Trommelfelle auch keiner derartigen Belastung auszusetzen, denn der Sound war auch noch in 50 Metern der Bühne nicht gut, sondern lediglich laut.
Und gutes Entertainment in allen Ehren, aber spätestens wenn Diddy diese erbärmliche Darstellung auch noch den verstorbenen Lichtgestalten Biggie und Pac widmet, möchte man dem Labelboss auf seine frisch gestriegelten Schuhe kotzen. Die beiden würden im Grabe rotieren, zumal die Rolle von Snoop und Diddy in dem nicht weniger als zehn Jahre alten Beef zwischen Def Jam und Bad Boy nun auch nicht unbedingt glorreich zu nennen ist. Aber Milchkuh bleibt Milchkuh, da kann man auf Dinge wie Pietät oder wenigstens selbstkritisches Schweigen auch ruhig einen gepflegten Haufen Rapshit setzen - Playback, versteht sich. Um es mit
den Worten Samys zu sagen: "Wieso mussten Biggie und Tupac nur das Zeitliche segnen / und ihr seid
noch am Leben / und haltet hier peinliche Reden?"
Bevor die beiden die Chance bekommen, uns mit einem zum Drittel angespielten "Drop It Like It's Hot" endgültig die Tränen der Wut in die Augen zu treiben, verschwinden wir dann doch lieber und besuchen noch mal den Bierstand, bei dem die Tracks wenigstens ganz ausgespielt werden und kein Hehl
daraus gemacht wird, wenn die Musik aus dem Radio kommt. Sieht man von der Lightshow ab, wäre der Auftritt der beiden selbst für einen drittklassigen Rapper ziemlich schwachbrüstig gewesen. Für zwei Ikonen fällt mir da kein anderes Prädikat als erbärmlich ein. Jeder x-beliebige
Frankfurter Freestylezwerg hätte einen besser unterhalten können. Wenn das wirklich alles ist, was Snopp und Diddy zu bieten haben, sollten sie sich besser wieder ihren Pornofilmen oder Parfumwerbungen zuwenden. Und statt dessen das Mic bitte jemandem überlassen, der wenigstens Lust darauf hat, es auch zu benutzen.