Details

Mit:
Datum: 9. Juli 2002
Location: Columbiahalle
Columbiadamm 13-21
10965 Berlin
Website: Offizielle Homepage des Veranstaltungsorts
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Mit drei Gitarren im Rücken können die New Yorker ordentlich was aus den Boxen drücken.

Review von Philipp Schiedel

Wenn die Band auf der Bühne maßgeblich am halben Plattenschrankinhalt der heutigen Indie-Jünger schuldig ist, geht man als selbiger nicht nur auf ein Konzert. Eher ist das eine Form von Respektzollen. Und selbst wenn sie alles völlig in den Sand setzten würden, hätte man ihnen verziehen. Dort oben steht ja nicht irgendjemand. Dort stehen Thurston Moore und Kim Gordon. Das Vorzeige-Ehepaar des Noise-Rocks, das das Verzeihen dann zum Glück auch kaum beansprucht...

Siebzehn Jahre nach dem Eintritt von Drummer Steve Shelley gibt es wieder eine Veränderung: man ist jetzt zu fünft. Neu-Mitglied und Ober-Freak in Streifenhosen Jim O'Rouke unterstützt die Band auch live und übernimmt mal Kim Gordons Bass-Rolle, während sie im rosa Röckchen die dritte Gitarre spielt oder handfrei singt, dann drückt er als dritter Gitarrist dem Sound noch ein kleines bisschen mehr Druck hinten rein, während Kim wieder ihren angestammten Instrument zuwendet. Mit drei Gitarren im Rücken können die New Yorker ordentlich was aus den Boxen drücken, ohne dabei in ihrem eigenen Lärm zu versinken. Die obligatorischen Krach-Ausflüge (wegen denen man ja auch gekommen ist) brechen ungefähr alle zehn Minuten aus den Fünfen heraus und dann gibt es auf der Bühne kein Halten mehr. Thurston Moore, der bei den ruhigen Stücken sonst hünenhaft ruhig da steht, benimmt sich wie ein 20-Jähriger, rennt auf den Verstärker zu, drückt seine Gitarre dagegen und wirft sich danach auf den Boden. Seine Gitarre ist überall, nur nicht an seiner Hüfte. Lee Ronaldo kann sich im Gegensatz dazu zwar noch etwas beherrschen, lässt seine Klampfe aber um den Körper rotieren. Trotz ihrem körperlichem Abspacken prischt die Band nie über das Ziel hinaus. Die Noise-Orgien sind nie in einer unerträglichen Länge, aber auch nie von zu kurzer Dauer. Nach zwanzig Jahren weiß man, wie man die Sache anzugehen hat.

Deshalb spielten Sonic Youth wohl auch kein langweiliges Hit-An-Hit-Programm, sondern lieber dreiviertel der sanft krachigen und hoch melodiösen neuen Platte "Murray Street". Nur "Kool Thing" oder "The Tale Of A Drunken Butterfly" holen sie aus der Schublade mit dem Hit-Aufkleber. Ansonsten bewegt man sich auf dem hohem Niveau neben den Singles: die "Teen Age Riots" oder "Sunday's" werden ausgelassen. Eine große Band hat es nicht nöti,g bei einem großartigen Konzert auf ihrer bekanntesten Songs zurückzugreifen.

Als dann nach zwei Zugaben schon das Licht in der Halle und Musik angeht und der erste Schub nach draußen in die Kühle drängt, jubelt der Rest munter weiter, obwohl die Mikros schon abgebaut werden. Minuten nach dem vermeintlichen letzten Song stehen die Legenden wieder dort, wo alle sie haben wollen, und spielen einen jahrzehntealten Punkkracher aus Anfangstagen, während am Ausgang sofort eine Alles-Oder-Nichts-Rückwärtsbewegung einsetzt. Danach erreichen die hart auf die Fünfzig zugehenden Rocker den wohlverdienten Schluss. Wenn man in diesem Alter noch solche Konzerte spielen kann, dann habe ich keine Angst vor meinem nächsten Geburtstag.

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Artistinfo

LAUT.DE-PORTRÄT Sonic Youth

New York anno 1981: Punk is dead, New Wave ist angesagt. Thurston Moore und seine Freundin (und spätere Ehegattin) Kim Gordon schließen sich mit Lee …