laut.de-Kritik
Zuhören und Versinken in leicht fröstelnde Bezauberung.
Review von Sebastian HornikThe Cure, eine der wenigen überlebenden Bands aus den 80ern, aber auf jeden Fall die mit den meist angekündigten Trennungen, spielte an zwei Abenden in Berlin drei komplette Alben – das hätte mir mal einer vor ein paar Monaten erzählen sollen. "Du bist ja spinnert!", hätte ich ihm bloß entgegen geraunzt. Manchmal sollte man seine Zunge zügeln, denn zu diesem Konzert kam es wirklich: Die Alben "Pornography", "Disintegration" und "Bloodflowers" wurden bei zwei ausverkauften Kon-zerten dem großteils schwarzen und mit der Band gealterten Publikum geboten.
80s rules ja wieder – aber nicht nur deshalb wurden die Shows gefilmt und sollen als DVD auf den Markt kommen. Denn die Robert Smith-Kapelle will für den (vermeindlichen) Boom nicht so recht ins Schema passen. Eine Großraumdissen-kompatible Version von "Pictures Of You", die auch auf Viva rotiert, gibts bis jetzt ja zum Glück noch nicht. Und diese Zielgruppe hätte so ein Konzert erstens nicht verstanden und zweitens nicht ausgehalten. Die Besucher waren fast ausschließlich da, um "ihre" Band zu feiern - und an ein bisschen Ahnenpflege ist ja auch wirklich nichts aus-zusetzen.
Unprätentiös begann die Show: Hallenlicht aus, Band raus, Bühnenlicht an und los. Während der Fan-Mob bei vergleichbaren Bands wie Depeche Mode jede Zeile mitsingt und sich ein ekstatisches Glücksgefühl über die hüpfende und winkende Menge ergießt, war dies hier ein Zuhören und Versinken in leicht fröstelnde Bezauberung und Traurigkeit. Eine sehr stimmige Licht- und Projektionsshow, die auf große Gesten verzichtete und die Sogwirkung der Songs dezent maximierte, tat ihr übriges. Sauberes Handwerk lieferten die Mannen um Robert Smith, dessen Kommunikation mit dem Publikum sich auf ein knappes, lakonisches "thank you" nach manchen Stücken beschränkte.
"Disintegration" perlte dann fast schon poppig daher und man glaubte eine Art Erleichterung bei den Konzertbesuchern zu spüren: Jau, "Lullaby" – da wurde sogar mal mitgeklatscht! "Disintegration" verbindet wohl am dichtesten die alte Attitüde der frühen Platten mit einer luftigen Popmentalität, ohne in irgend einer Form anbiedernd zu wirken. Als Mittelteil der Show auch der Höhepunkt, ging es dann weiter zum dritten Akt, dem "Bloodflowers"-Album, bei dem es wieder frösteliger wurde. Was das Publikum am Ende jedoch nicht von frenetischem Beifall abhielt – vielleicht musste man sich auch Mut zuklatschen, dass doch nicht alles so düster ist.
Aufgrund eines allgemeinen Fotoverbots, das der Einzigartigkeit der DVD-Veröffentlichung mit etwas Glück zu Gute kommt, sind die hier abgebildeten Fotos vom Cure-Auftritt auf dem Zillo 2002. Hättet ihr nicht bemerkt, was?