Pete Doherty, Carl Barât, John Hassall und Gary Powell live.
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LAUT.DE-PORTRÄT
The Libertines
Jung, aufgedreht, partyhungrig, musikverrückt: Die undurchsichtige Geschichte der Libertines ist ursprünglich die von mehr als einem Dutzend Gestalten …
2 Kommentare
Peters Waterloo?
Die Libertines in der Berliner Columbiahalle (am 5. November 2019)
Wie ein Konzert mit Peter Doherty wird, lässt sich oft schon an der Aufmachung ablesen, in der er auf der Bühne erscheint. Ein paar Tage zuvor war es noch ein lässig-cooler Look mit weißem Hemd, Anzugshose und Hosenträgern. Nun sah er aus, als hätte er sich unterwegs aus einer Kleiderkammer bedient. Rutschende Jeans, Labbershirt unter einer Trainingsjacke. Und was hatte es mit den halb zerlegten Turnschuhen auf sich – hatten ihm die Huskys das Schuhwerk so zernagt, dass er die nutzlosen Latschen zum Konzertende schwungvoll ins Publikum entsorgte?
Das Äußere trog nicht – der Mann war indisponiert. Allerdings gehört das Stocknüchterne eh nicht zu seinen Eigenarten und ich hatte ich ihn bei den letzten beiden Konzerten, die ich erleben durfte, auch etwas neben der Spur erlebt. Aber während der Konzerte verstand er stets, den Schalter umzulegen und zu strahlen. Nun, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Ein erster Höhepunkt – leider nicht musikalischer, sondern textildramaturgischer Art – ließ nicht lange auf sich warten. Doherty ward warm und er suchte, seine Trainingsjacke abzuwerfen. Dabei verfing er sich so unglücklich in den Ärmeln, dass ich mich nicht über weiß gekleidete Pfleger gewundert hätte, die ihn sanft abführen. Stattdessen eilten seine Bandkollegen von Schlagwerk und Bass herbei und halfen aus der misslichen Lage. Wie man überhaupt während des Konzerts erleben konnte, dass die immer ein Auge auf ihn hatten, seinen Oberarm umfassten, die Schulter streichelten, bereit ihn aufzufangen. Die Bandkollgen allein hätten aber nicht ausgereicht, um ihn mit musikalischem Equipment zu versorgen, da mußte schon eine ganze Crew sprintfertiger Rowdys ran, die jederzeit Mikrofone richten, Ständer aufheben, Gitarren auffangen und zureichen konnten und stöpselten, dass einem schwindlig werden konnte. Schwindlig aus anderen Gründen war wohl auch Doherty, der hängte sich im Eifer des Gefechts einmal die Gitarre falsch herum vor den Bauch und merkte erst nach ein paar Akkorden, dass das, wo er anschlug gar keine Saiten waren.
Zeit, sich nochmal an die Vorbands zu erinnern, die im Stil von sympathische Schülercombo über Guildo Horn bis Ina Deter ein breites Spektrum abdeckten. Danach noch ein Slam-Poetiker - schwere Kost außerhalb des Muttersprach-Raums. Der Dichter hatte ein Plädoyer fürs Unangepasstsein gehalten, und das immerhin gewährleisten die Libertines. Oder um aus Wikipedia zu zitieren "Punk ist die Verweigerung jeglicher Verhältnismäßigkeit, deshalb sind die Libertines eine große Punkband. Sie zertrümmern die Heiligtümer des Rock’n’Roll, um aus den Trümmern neue Kathedralen zu errichten." Ich hatte meinem Begleiter davon erzählt, der liess sich allerdings nicht von meiner Begeisterung anstecken und raunte nur: „Okay, aber was soll denn hier die Kathedrale sein?!“
Nun gut, seine Meinung. Carl Barat war schließlich da. Und Drummer Gary Powell und Bassist John Hassall und damit stand das Fundament. Die Jungs waren da fürs Publikum und für ihren Mate Peter Doherty, der zuweilen regelrecht zerbrechlich und einsam wirkte auf der Bühne und sich zerstörerisch an mehreren Mikrofonen abarbeitete. Angesichts solch aufreibender betreuerischer Aufgaben hatte die Band – selbst wenn sie gewollt hätte – keine Zeit für Rock'n'Roll-Attitüden wie Stagediving. Wie ich an jenem Abend lernte, hat das Publikum diesen Part eh längst übernommen. Crowdsurfing nennt sich das. Was der Flitzer beim Fußball, ist der Crowdsurfer im Publikum. Man wirft sich in benachbarte Arme, lässt sich von zig Händen über die Köpfe der wogenden Fan-Masse tragen bis zur Bühnengasse, wo einen Ordner abführen. Einen Schlaks im Streumuster-Hemd sah ich das dreimal tun. Und so feierte das Pogo tanzende Publikum in der Halle eine gigantische Party. Die Songs der Libertines kann man sich schließlich auch zu Hause anhören. (B. Lemcke)
Der macht sowas öfter? Warum hat mir das keiner gesagt?
Bin erst seit diesem Jahr Libertines-Hörer und finde die Songs von Barat/Doherty ziemlich genial. Den Titel 'beste Songwriter ever' nehm ich mal probehalber in den Mund, wenn vielleicht nicht 'ever', dann mindestens aktuell. Daher: CDs gekauft, rauf und runter gehört, Urlaub genommen und Berlin gebucht.
Erste Überraschung: Drei Vorbands ?! Ich gönne jedem die Bühne und die drei haben wirklich gute Performances geliefert- vor allem DSM IV, deren Sänger nach dem Motto agierte "ICH habe hier auf jeden Fall Spaß und wenn ich dazu ins Publikum hopsen muss"- waren aber für mich zahlenmäßig trotzdem zu viele. Der Poetry Slammer nach zweieinhalb Stunden hätte somit auch nix gerissen, wenn er auf deutsch geslammt hätte. So aber verpuffte seine Wirkung gänzlich, was schade für ihn ist. Dann irgendwann gegen zehn die Band mit einigen falschen Tönen, sowohl stimmlich als auch instrumental. Da kam leider ein bißchen Ernüchterung auf.
Nur gut, dass "heart of the matter" am Anfang kam, denn ich bin nicht bis zum Schluss geblieben.
Ich wollte sie sehen, ich habe sie gesehen und ich bete sie weiterhin an. Nur vielleicht nicht für diesen speziellen Auftritt.
Dafür ist die C-Halle eine geile Location mit professionellen Personal und darum beim nächsten Mal 'auf ein Neues'.