laut.de-Kritik

Die mit dem Gesichtstattoo.

Review von

Wieder einmal hatte jeder eine Meinung. Wieder einmal konnte sie keiner für sich behalten. Es war natürlich ein relativ geglückter Mediencoup, als sich Pentatones-Frontfrau Delhia De France von Kameras begleiten ließ, um sich (vermeintlich) ein Gesichtstattoo stechen zu lassen. Und was für eines! Ein großer, schwarz ausgefüllter Kreis legte sich über Augen- und Nasenpartie der Sängerin.

Betonung auf vermeintlich: alles gar nicht wahr, alles nur Show, Öffentlichkeitsarbeit im Popzirkus, in dessen inflationärem Kreislauf das Beschaffen von Aufmerksamkeit wahrlich kein Leichtes darstellt. Natürlich tanzten dann die Emotionen und Meinungen durchaus wild durch das Geschehen.

Auf der RTL-Couch klärte De France später, ohne verziertes Gesicht, auf und beruhigte die Gemüter. Weil: Wenn sich Mike Tyson, Lars Fredericksen oder Mike Ness Gesichtstattoos stechen lassen, kein Ding, die werden schon wissen, was sie tun. Wenn das aber eine junge Frau macht: ganz, ganz anderes Thema. Und überhaupt! Was, wenn das mit der Karriere irgendwann nicht mehr klappen will, junge Dame, was wird der Chef sagen?

Genau dieses 'tätowierte' Gesicht ziert nun auch das Cover des Pentatones-Albums "Ouroboros". Wenn man schon ein PR-Ding durchzieht, dann auch bis zum Ende. Für 99 Prozent der Menschheit werden Pentatones nun eben "die Band mit der Frau mit dem tätowierten Gesicht" bleiben. Vielleicht werden Markus Lanz, Sonja Zietlow oder Johannes B. Kerner in einer Jahresrückblickssendung noch einmal an diese "total crazy Aktion" erinnern, als eine Fußnote von vielen. Da haben wir schon den Salat: Zu diesem Zeitpunkt werden trotzdem nur die wenigsten auch nur einen Ton der Band gehört haben.

Schade eigentlich, "Ouroboros" ist nämlich eine durchaus okaye Angelegenheit. Sirenenhaft und in mehreren Schichten holt einen die Stimme von De France ins Geschehen. Drones und Geräuschkulissen liefern den Prolog, ehe der Opener "Overfed" gleich zeigt, worum es dem Quartett geht. Im Grunde um Popsongs: Electronica-Pop, getragen von spärlichen Beats und Synths. Popsongs die ruhig auch einmal in Moll-Lagen transzendieren dürfen und die in erster Linie von ihrer Vokalistin und deren Stimmcollagen leben. Das allerdings scheinbar ohne den Willen zum großen Hit, zum Mainstream-Wurf: ein wenig dissonant zur PR-Aktion, eigentlich.

"Ouroboros" möchte ein wenig mystisch und distanziert daher kommen, mit luftigen Hooks, einem Wechselspiel zwischen Hell und Dunkel und einer gewissen Kühle. Stücke wie "Freewheel" lösen diese Vorgaben durchaus ein. Punktuell und stichprobenartig passt da wirklich alles.

Einzig über die Langstrecke schwächelt "Ouroburos" ein wenig. Gar zu groß geraten die Ähnlichkeiten zwischen den Stücken, und kommt man über die Mittellinie, macht sich eine gewisse repetitive Beliebigkeit breit. Beliebigkeit zwar auf einem relativ hohem Niveau, aber nichtsdestotrotz bietet "Ouroboros" gegen Ende hin keinen Ausreißer mehr, der noch einmal die ganze Aufmerksamkeit auf das Finale konzentriert. Es bleibt ein unaufgeregtes Album, irgendwo zwischen Electronica und Pop, das auch ein wenig Aufmerksamkeit abseits von im Grunde dämlichen PR-Aktionen verdient hätte.

Trackliste

  1. 1. Overfed
  2. 2. The Beast
  3. 3. State Of Drift
  4. 4. Into My Venes
  5. 5. Call It Out
  6. 6. Ghosts
  7. 7. Mono Home
  8. 8. Freewheel
  9. 9. Iris Skies
  10. 10. Again After Again
  11. 11. Pleiades
  12. 12. Karma Game
  13. 13. Iron Lungs

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