laut.de-Biographie
Refused
Die Geschichte von Refused ist die Geschichte einer Band, die durch das, was sie tat und wofür sie stand, so wichtig wurde, dass sie an sich selbst scheitern musste. Leider wurde der Band während der ersten Phase ihres Bestehens nicht die Aufmerksamkeit zuteil, die ihr gebührt hätte. Allgemein gelten Refused als eine der wichtigsten europäischen Punk-/Hardcorebands der Neunziger Jahre.
1989 macht ein gewisser Dennis Lyxzén aus der nordschwedischen Stadt Umeå erste Gehversuche mit der Hardcoreband Step Forward, in der er mit seinen Freunden Henrik Jansson (Gitarre), Toft Stade (Bass) und Jens Norden (Schlagzeug) spielt. Nach dem Split der Band Ende 1991 beschließen Dennis Lyxzèn und sein Freund David Sandström im Januar 1992 eine neue Gruppe zu gründen. Sie orientieren sich anfangs stark am Sound der New Yorker Hardcore Legende Gorilla Biscuits, vergessen aber nicht, dem Metal ihren Tribut zu zollen. Ihr erster Auftritt besteht aus zwei Eigenkompositionen, einem AC/DC ("Back in Black")- und vier Gorilla-Biscuits-Covern. Refused sind geboren.
Das erste Line-up besteht aus Dennis Lyxzén (Gesang) und David Sandström (Drums), Pär Hansson (Gitarre) und Jonas Lidgren (Bass). Den ersten, bereits erwähnten Auftritt haben sie in Luleå, kurz danach nehmen sie ein erstes, selbstbetiteltes Demotape auf. Der erste Basser, Jonas Lidgren, verlässt die Band danach und wird durch Magnus Björklund ersetzt. Im gleichen Zeitraum kommt auch Henrik Jansson zur Band hinzu, der - wie schon bei Step Forward - Gitarre spielt. Refused sind nun zu fünft.
In dieser Formation nehmen sie das zweite Demotape "Operation Headfirst" auf, das Ende 1992 wie das erste auf Umeå Hardcore Records erscheint. Dieses 7-Track-Demo (noch mit sehr persönlichen Texten) findet in der schwedischen Hardcoreszene schnell und reichlich Anklang, worauf nach kurzer Zeit das skandinavische Punklabel schlechthin "Burning Heart Records" Interesse an Refused bekundet. Die Band sagt zu und veröffentlicht 1993 mit "This Is The New Deal" erst mal eine Single, die alte, aber auch neue Songs enthält. Diese Single soll fürs erste auch ihr einziger Output auf Burning Heart bleiben, denn das Label Startrec bindet die Band an sich.
Im Herbst 1993 gehen die fünf ins Studio, um ihr Debütalbum aufzunehmen. Im Februar 1994 erscheint die Vorab-Single "Pump The Brakes". Einen Monat später erscheint endlich das Debüt "This Just Might Be ... The Truth". Mit diesem Album katapultieren sich Refused in die erste Liga der boomenden skandinavischen Punk/Hardcoreszene und auch im restlichen Europa werden die Ohren gespitzt. Obwohl die Band nicht hundertprozentig zufrieden ist mit dem Release, geht es erst mal auf eine schwedenweite Tour.
Im Gegensatz zu den Landsmännern von Millencolin oder den Satanic Surfers, die hauptsächlich dem typischen Skate/Fun-Punk-Lager (inkl. Baggypants, Beerbong, Kickflip und Nietengürtel) entspringen, nehmen Fans Refused oft als Straight-Edge-Band (80er Gegenbewegung zum Assi-Punk: drogenfrei, motiviert und vegetarisch) wahr. Die Band wird schon vor den Aufnahmen ihres ersten Albums zunehmend politischer und revolutionärer. Eine tiefe Spur antikapitalistischer Agitation durchzieht die provokativen Texte, die Band mausert sich zum musikalischen Sprachrohr der extremen Linken.
Die dicken Booklets tauft man um in "Manifeste" und füllt sie mit kleingedruckten Gedanken über die herrschende Weltordnung und wie man diese in eine sozialere Welt verwandeln könnte. Alles immer auf hohem intellektuellem Niveau. Refused sind keine biertrinkende, dreckige Punkband mit typischen "Everything sucks"-Lyrics, sondern streng Straight Edge, mit schnieken Anzügen und gekämmten Haaren. Die Intelligenzia des Punkrock.
Im Sommer 1994 geht Refused wieder ins Studio, um die Single "Everlasting" aufzunehmen. Mit dem Sound dieses Kleinformats sind die Schweden wesentlich zufriedener. Insider bezeichnen diese Single als Wendepunkt in ihrem künstlerischen Schaffen. Nach "Everlasting" verlässt Pär Hansson die Band, um mit einer anderen Band aus Umeå zu spielen: Abhinanda.
Als Ersatz bekommt Refused Kristofer Steen von Abhinanda. 1995 führt die Straße Refused erstmals aus Skandinavien heraus. Gleich danach durchkämmen sie erneut Schweden. Noch im selben Jahr erscheint die mit der Punkband Randy zusammen aufgenommene Split-Single "Refused Loves Randy", auf der Refused Randy covern und anders herum.
Nach diesem Release wiederum verlässt Gitarrist Henrik Jansson die Band, seine sechs Saiten übernimmt Jon F. Brännström im August 1995. Auch Magnus Björklund geht, und Refused spielen vorerst ohne festen Bassisten weiter. Erst im Januar 1996 kommt Magnus Höggren als neuer Basser in die Band, er bleibt bis 1997. Noch 1995 tourt Refused auch mit so namhaften Bands wie Snapcase und Earth Crisis.
Im Dezember 1995 geht die Band wieder ins Studio, um ihren Zweitling "Songs To Fan The Flames Of Discontent" aufzunehmen. Die Entwicklung der Band ist offensichtlich. Es erscheint 1996 beim gleichen Label, das jetzt aber Startracks heißt und heizt den Erfolg der Band weiter an: Es folgen ausgiebige Touren durch die ganze Welt (das Album ist über Victory Records auch in den USA erschienen), ein Video zum Song "Rather Be Dead" und ein riesiger Medienrummel. Die Band wird als Hoffnung des Hardcore gefeiert.
Besagte Single enthält eine Neuerung. Das erste und einzige Mal singen Refused auf schwedisch: "Jag Äter Inte Mina Vänner" ist ein Song für die vegetarische Gefolgschaft, der Titel heißt übersetzt "Ich esse meine Freunde nicht". Wieder touren sie mit schwedischen Bands durch das Land von König Carl Gustav, diesmal mit Kristofer Åströms Fireside und mit Entombed. Anschließend spielen sie in Deutschland, an ihrer Seite die schwedische Hardcoreband Breach. Später im Sommer kehren sie noch einmal nach Deutschland zurück, als sie mit Madball unterwegs sind. So verbringen sie große Teile des Jahres 1997 on the road.
Im selben Jahr gehts zurück zu Burning Heart, die auch die ersten beiden Alben noch mal heraus bringen. Gleichzeitig trägt das Label der Nachfrage nach Refused Rechnung und veröffentlicht die alten Songs der Band auf zwei Compilations, die "The Demo Compilation" und "The EP Compilation" benannt werden. Was die Mitglieder von Refused im Sinn haben, als sie im Herbst 1997 ins Studio gehen, um das nächste Album einzuspielen, weiß außer ihnen wohl niemand.
Heraus kommt "The Shape Of Punk To Come", ein Album, das Kritiker verzückt, über die Jahre an künstlerischem Wert gewinnt und vor allem Punk und Hardcore mit Jazz und elektronischer Musik verbindet, als wäre es das selbstverständlichste der Welt. Refused sind von einer Hardcoreband zur Avantgarde des Punk aufgestiegen. "The Shape Of Punk To Come" gehört inzwischen zum Pflichtprogramm für jeden Hardcore- und Punkfan.
Dennis Lyxzén, David Sandström, Kristofer Steen und Jon F. Brännström haben ein Werk geschaffen, das an Intensivität und grandiosem Songwriting kaum zu überbieten ist. Plötzlich sind Refused keine Szenekönige mehr, sondern weltweit gefragte Popstars und Interviewpartner, die die Alternativecharts gehörig aufräumen. Mit "New Noise" haben sie ihren kleinen großen Hit, zu diesem Song gibt es eine Single und - wie auch schon zu "Rather Be Dead" ein Video.
Nachdem auf "The Shape Of Punk To Come" Kristofer Steen den Bass eingespielt hatte, findet man mit Ulf Nyberg wieder einen Vollzeitbasser. Mit dem geht es auf Tour, 1998 spielen Refused Konzerte und Festivals in ganz Europa. Im Herbst soll es für sieben Wochen nach Nordamerika gehen, doch diese Tour manifestiert das Ende von Refused.
Ihre letzte Show spielen sie in Harrisonburg im US-Bundesstatt Virginia, am 6. Oktober 1998. Das Konzert in einem kleinen Keller, das von der Polizei abgebrochen wird, ist der Endpunkt der Tour. Refused fliegen nach Hause und die Band löst sich kurz darauf auf.
Abgesehen davon, dass die Bandmitglieder ausgelaugt waren, scheint die Unvereinbarkeit von politischem Aktivismus und Popstardasein zum Ende beigetragen zu haben. In einem von der Band veröffentlichten Statement heißt es: "Es ist unmöglich, in einem revolutionären Programm zu partizipieren, wenn jeder Aspekt der Existenz als Unterhaltung oder Musik dargestellt werden muss, eine Tradition, die sowohl in Ausdruck als auch in Kreativität seit langem tot ist."
Die Band hatte gefühlt, dass ihre politischen Ziele von den Medien nicht verstanden bzw. für unwichtig gehalten worden waren. Der Hype stand im Vordergrund. Das eigentliche Ziel, ihr "revolutionary program" im Zuge ihrer Popularität den breiten Massen darzustellen, war gescheitert. Mehrmals waren Refused für schwedische Musikpreise nominiert, doch nie haben sie gewonnen.
Dennis Lyxzén stürzt sich mit The (International) Noise Conspiracy und The Lost Patrol Band in neue musikalische Projekte. T(I)NC ist dabei ähnlich politisch wie die Vorgängerband. Mit beiden Gruppen pflegt er einen teils Punk-durchtränkten Sixties-Sound. David Sandström, Kristofer Steen und Jon Brännström gründen eine Band namens Text, die sich allerdings nach einem Album wieder auflöst. David Sandström veröffentlicht Soloalben und spielt in der Rockband The Facer. Jon Brännström hat mit Jon F. Kennedy ebenfalls ein neues Projekt am Start.
Kristofer Steen arbeitet derweil an einer DVD: "Refused Are Fucking Dead" heißt die verfilmte Bandbiographie, die im April 2006 erscheint. Hier kommen alle Mitglieder noch einmal zu Wort, die DVD zeichnet das traurige Bandende nach. 2010 folgt die Deluxe Version ihres zentralen Albums "The Shape Of Punk To Come".
Im November 2011 trauen die Fans ihren Augen nicht: Gut 14 Jahre nach dem letzten Gig liest man den Namen Refused auf dem Plakat des renommierten Coachella Festivals in Kalifornien. Beim Way Out West Festival im schwedischen Gothenburg sagt sich die Band ebenfalls an. Die 'Frustrierten' kehren 2012 tatsächlich auf die Bühne zurück und schieben tatsächlich 2015 mit "Freedom" ein neues Studiowerk hinterher. Zu diesem Zeitpunkt ist Jon Brännström jedoch nicht mehr Teil der Band, er steigt bereits Ende 2014 aus.
Die Strahlkraft der Band geht bis auf ewig vom '98er Meilenstein aus. Stellt das Comeback "Freedom" einen Flickenteppich aus unterschiedlichen Genres dar, der die Völker verbindende Kraft der Musik betont, klöppelt "War Music" - nomen est omen - vorrangig auf die Zwölf ohne Gerichtsbeschluss und ohne Gnade.
Noch keine Kommentare