laut.de-Kritik

Verliebte Jungs interessieren sich nicht mehr für Fußball.

Review von

Als Erstes gilt: Vergangenen Fußball-Kram schnell abhaken. Das klappt problemlos in ein paar Zeilen, denn der (von vielen beinharten Fans eh nie so recht geliebte) Sommermärchen-Hit ist längst Geschichte. Ebenso wie Verletzungs- und Phlegma-Wunder Roque Santa Cruz, der sich vor seiner Flucht in die britische Rente hoffentlich noch einmal artig bei den Sportfreunden bedankt hat. Nämlich, dass sie für seinen einzigen, den Bayern-Fans in Erinnerung bleibenden "Ich Roque"- Flankenlauf verantwortlich zeichnen.

Die Stillers begehen nicht den Fehler, im August 2007 noch auf abgehalfterte (Musik-) Fußball-Gäule zu setzen. Nein, ihr neues Album "La Bum" drängt mit Macht hinaus aus allzu einengender Spielfeld-Umgrenzung. Hinein in freundlich umarmende Spätsommer-Weiten, die hie und da allerdings bereits melancholisch gefärbte Blätter in der Abenddämmerung tanzen lassen.

Die Münchener haben ein spannendes und oft schlicht wunderschönes Album abgeliefert. Sind das nun noch Alternative-Sounds? Ist das noch irgendwo Indie? Ist das eigentlich noch richtiger Rock? Ist das nicht in erster Linie Pop? Es ist alles von allem - und das unbekümmerte Jonglieren mit verschiedensten Versatz-Stücken bekommt den Songs außerordentlich gut.

Die wilden, ungezügelten Herumtob-Zeiten scheinen vorbei, doch ohne, dass der Biss verloren geht. "Der Titel Vom Nächsten Kapitel" läutet die neue Runde ein: Mit wummernden Beats verweist dieser Track bereits zu Beginn auf den stiller'schen Aufbruch zu neuen Ufern: "Ich schaute mich immer wieder fragend an/und was kommt dann?", um dann gegen Ende bereits einen weiteren Verweis auf weite Albenteile zu geben: "Abschied, Sehnsucht, Liebesschwur/dem Geheimnis auf der Spur". Doch zunächst wird auf "Alles Roger" ordentlich weiter gerockt.

Den ersten Ausflug in romantisch-sehnsüchtige Gefilde vergangener (Liebes-Zeiten) unternimmt "995er Tief Über Island". Zeilen wie "Es ist schon so lange her/es war schön und zwar sehr" sind - hier nur nackt zitiert - sicher nicht literaturpreisverdächtig, funktionieren innerhalb des Titels allerdings prächtig. Handelt es sich hier doch um einen geradlinigen, glasklar strukturierten Pop-Rocker mit eingängiger Hookline.

"Ohne deine Liebe" und "Eine gute Nacht" bleiben im textlichen Fahrwasser zwischen Sehnsucht und nachdenklichen Moment-Aufnahmen, ohne musikalischen Drive zu vergessen. "In unmittelbarer Ferne" behandelt die sehnsüchtige Schwärmerei der ersten Phase einer frischen Verliebtheit. Im ersten Teil noch zurückgenommen-herantastend inszeniert, spielt sich der Song zum Ende hin über federnde Beats und wärmende Melodie-Reigen wunderbar frei. Wo die Tomtes auf ihren "Buchstaben" hie und da begannen, vielleicht allzu poppig-sämig zu wirken, setzen die Sportfreunde auf gefühlige und wunderbar windfrische Arrangements.

"Sodom" erfreut als kräftiger Rock-Rumpler mit fröhlichen Fifties-Schrammel-Anleihen. "Anders Als Auf Ansichtskarten" schwelgt mit überlaufendem Männer-Liebes-Herz in Richtung einer bislang nur aus der Ferne umschwärmten Schönen: "Ich besorg dir Dinge ehe sie fehlen/Halte meine Seite für dich frei/und ich werd mich dir empfehlen/bis in alle Zweisamkeit". Die verliebten Jungs sind trotz ihrer emotionalen Ausrichtung allerdings weiterhin mit erfreulich spröden Ecken und Kanten ausgestattet. Der in den vergangenen Jahren erworbene Feinschliff steht gottlob nicht für aalglatt polierte, belanglose Beliebigkeiten.

"Legenden" gibt bewegend den Alben-Kehraus als Dank an treue Fans: "Ihr habt einfach getan und gemacht woran ihr glaubtet/und wurdet dafür fast geschlachtet und enthauptet/ihr seid hochgeflogen und musstet hart landen/ihr seid gestorben und wieder auferstanden". Wird als Abschluss-Titel kommender Konzerte gewiss noch besser funktionieren als hier auf Platte - mitsamt zu erwartenden Tausendschaften lodernder Feuerzeuge.

Nirgendwo ein Wort über das Spiel mit 22 Freunden auf dem Platz, "La Bum" ist fußball-freie Zone. Ein Sportfreunde-Album ohne Bezug zum runden Leder? Aber dann werde ich doch noch fündig: Denn das Werk erscheint am 3. August 2007 - exakt eine Woche vor dem Bundesligastart. Und wenn die Profi-Kicker in dieser Saison ebenso beherzt und beseelt aufspielen wie die Stillers, steht uns eine unterhaltsame Saison ins Haus.

Trackliste

  1. 1. Der Titel Vom Nächsten Kapitel
  2. 2. Alles Roger!
  3. 3. 995er Tief über Island
  4. 4. (Tu Nur Das) Was Dein Herz Dir Sagt
  5. 5. Ohne Deine Liebe
  6. 6. Eine Gute Nacht
  7. 7. In Unmittelbarer Ferne
  8. 8. Mo(nu)ment
  9. 9. Anders Als Auf Ansichtskarten
  10. 10. Sodom
  11. 11. Legenden

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Sportfreunde Stiller – La Bum (Ltd. Special Edition) [CD+DVD] €5,42 €3,00 €8,42

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Sportfreunde Stiller

Florian Weber (Schlagzeug), Rüdiger Linhof (Bass) und Peter S. Brugger (Gitarre, Gesang): So heißen die Deutschrocker einer Formation, die auf den seltsamen …

35 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    ... O lala. Das aktuelle Album von denen scheint hier tatsaechlich überhaupt niemanden zu interessieren... Ich wollte gerade herausfinden, warum diese Band so populaer ist, dass sie auf einem internationalen Musikfestival (Budapest) auf der Main Stage (aber nur vor einigen Hundert zum Teil extra angereisten und in jedem Fall deutschsprachigen Fans) spielt. Ich habe drei, vier Songs gehört und fand es ehrlich gesagt langweiligen Durchschnitt. Und das, obwohl ich die Texte und Ansagen ja verstand und teilweise gar nicht mal so unwitzig fand. Was mag da der französische oder ungarische Musikfreund von denen halten. Und von Platte muss das doch auch ganz schön fade sein ...

  • Vor 17 Jahren

    Kenne nur die Single (das reicht auch vollkommen aus :-/ ): Belanglos + nettem Text = nach 3 Mal anhören durchgenudelt!

  • Vor 17 Jahren

    Die Single ist auch der mit Abstand schwächste Song auf dem Album...
    Ich finde es ansonsten eine gute Pop-Platte mit
    schönen, eingängigen Melodien und authentischen Liebes-Lyrics.
    Und "In unmitterlbarer Ferne" ist einfach nur großartig :cry:
    4/5

  • Vor 16 Jahren

    ist doch ein schönes album. insgesamt nicht so hundertpro konkrete texte, aber das ist doch eig auch gut so, sonst wärs ja langweilig und nach einmal hören könnte mans wegpacken. ich mag zb auch die idee eines rätstelliedes auf der re-release (ich weiß was, was du nicht weißt) - ich überleg immer noch was, das jezz ist, momentan bin ich noch auf wolke, aber das ist nur die erste theorie^^
    und über pop wird sich überhaupt imemr vielzuviel beschwert. eine weitere musikrichtung, aus der viele rockbands sich inspirationen holen können, kein schimpfwort, wies oft abgehandelt wird.

  • Vor 15 Jahren

    Ich muss sagen dass ich das Album letztes Jahr noch nicht so registriert hatte...aber schon damals als ich es manchmal auf der Anlage eines Freundes durch den Hintergrund wabern hörte dachte ich schon "Nicht schlecht."
    Jetzt hab ich diesen Makel ausgemerzt und das Album ein paar mal duchgehört.
    Und nein,mir wurde nicht langweilig...
    Natürlich haben sich die Sportis weiterentwickelt und an "Burli" werden sie wahrscheinlich nie mehr anknüpfen,aber wer 30 Jahre lang die selbe Musik von einer Band hören möchte sollte sich auf AC/DC besinnen.
    "Sodom","Ohne Deine Liebe",Mo(nu)ment","Anders Als Auf Ansichtskarten" sind wohl die eingängigsten Stücke.Aber hier muss ich gleich mal auf etwas eingehen das mich sehr stört:sobald ein Lied eine eingängige Melodie hat wird der Band gleich das Prädikat "Pop" und "Kommmerz" angeheftet.Das ist wirklich sehr unfair den S.Stiler gegenüber,denn solch ein Album rauszubringen würde sich eine echte Pop-Band sicherlich nicht trauen.
    Eine Einschränkung dem Album gegenüber:es wird wahrscheinlich nur im Sommer auf meinen Ipod laufen,denn würde man es im Winter hören bekäme man eine solche Sehnsucht nach dem Sommer dass es einen schon fast schmerzen würde.
    Fazit:Ein Muss für jeden deutschen Independent-Fan.

  • Vor 15 Jahren

    Finde das Album auch viel zu unterschätzt; die Vergleiche mit Burli nerven auch. Es ist ne gute Platte und das ist auch gut so!