laut.de-Biographie
Final Fantasy
"Ich habe großes Glück, mit solch wilden, lebendigen Emotionen gesegnet zu sein", erklärt sich Owen Pallett, Kopf und Hauptakteur des Projekts Final Fantasy. "Ich empfinde täglich Ekstase und Verzweiflung. Gestern spielte ich den ganzen Tag auf meiner Geige und weinte mich in den Schlaf aus Freude über mein gutes Leben."
Um so schöner, mag manch einer etwas egoistisch denken, dass Pallett auch die Transformation solch aufwühlender Gefühle in Pop-Songs bestens gelingt.
Aber nicht nur, weil er im Angesicht einer guten Tasse Kaffees feuchte Augen bekommt, ist der ausgebildete Violinist aus Toronto etwas Besonderes. Seine Eigentümlichkeit wurde dem Sohn eines Kirchenorglers bereits im Alter von zwölf Jahren gewahr.
Damals schreibt er neben Hausaufgaben und Tagebuch mal eben den Soundtrack für ein populäres DOS-Videospiel. Eine Leidenschaft für virtuelle Welten pflegt Pallett bis heute, wie schon der Bandname aufzeigt: Bei Final Fantasy handelt es sich um ein legendäres japanisches Fantasy-Rollenspiel.
Mit 16 kreiert er die Tonspur dreier kleiner Filme, mit 21 schreibt er zwei Opern. Eine davon, "Ionesco's Foursome", wird auch tatsächlich aufgeführt und landesweit im Fernsehen ausgestrahlt.
Genervt vom Zeitaufwand und der finanziellen Abhängigkeit bricht das Musiktalent dann aber seine Klassik-Karriere ab, schnappt sich die Gitarre und zieht mit der Panic-Folk-Gruppe Les Mouches (dt.: die Fliegen) durch die Clubs. Wiederum gelangweilt von seiner Gitarre, greift der Kanadier zur Violine und einem Loop-Pedal.
Als Freund und Stehgeiger Patrick Wolf dann einen Eröffnungs-Act für ein Konzert in Toronto sucht, springt Pallet ein – Final Fantasys Geburtsstunde. Ohne lange darüber nachzudenken, schließt er Geige an Sampler und beginnt, mit brüchiger Stimme zu singen. Per Loop-Pedal schichtet er ganz allein, Overdub für Overdub, einen dichten, orchestralen Sound auf.
So gewinnt Pallett die Aufmerksamkeit von Win Butler und Régine Chassagne - besser bekannt als Arcade Fire. Der große Durchbruch steht den beiden noch bevor, als sie den jungen Geigengenius kurzfristig zur Vorband ernennen.
Weil der aber so etwas wie eine Band gar nicht sein Eigen nennt, rekrutiert er seinen Freund und Drummer Leon Taheny, um ein Album aufzunehmen. Eine Woche lang dauert der Schreibprozess, eine weitere Woche der Studioaufenthalt.
Während der folgenden Konzertreise rechnen die Final Fantasy-Mannen mit nur wenigen Kaufwilligen am Merchandise-Stand, doch einem begeisterten A&R vom Label Tomlab sei Dank setzt es wenig später gleich den ersten Plattenvertrag.
"Has A Good Home" erntet hervorragende Kritiken von kanadischen, französischen und deutschen Journalisten, floppt hingegen in den Staaten und in Großbritannien. Palletts Zufriedenheit über das Debüt weicht schnell der Selbstkritik. In Barcelona zieht er sich zurück, um am Nachfolger zu werkeln.
Drei Prämissen definiert der Computer- und Musiknerd, heute inoffizieller, aber fester Tourgeiger von Arcade Fire, für diesen Zweck. "He Poos Clouds" soll aus Songs bestehen, die 1. versuchen, die acht Charakterschulen von "Dungeons & Dragons" zu modernisieren (wie sollte es anders sein: ein PC-Rollenspiel), 2. ausschließlich für ein Streicherquartett und Stimme geschrieben sind und 3. jeden, der die CD zu hört, für immer von Selbstmordgedanken abbringen.
Letztlich hält er nicht jede seiner Vorgaben ein, auch für Cembalo, Klavier, Pauken, Hörner und Kinderchöre öffnet er das Konzept. Mehrere verworfene Entwürfe und einen Datenverlust später erscheint das zweite Album Palletts, der seine Homosexualität selbst als große Inspiration bezeichnet. Darauf präsentiert der Perfektionist sich erstmals als Arrangeur eines erweiterten Kammerensembles, spannt eine Unzahl begeisternder und erfrischend unverbrauchter Melodiebögen über bösartige Fabeln.
Ende 2009 taucht auch wieder Musik von Pallett persönlich auf. Doch seine neuen Songs erscheinen unter anderer Flagge. Zur Jahrzehntwende verkündet der Musiker schließlich: "Ich denke, es liegt in meinem eigenen Interesse, mich endgültig von dem Square/Enix-Spiel zu differenzieren."
Pallett weist damit auf das Videospiel "Final Fantasy" hin und führt in diesem Zusammenhang das Urheberrecht als guten Grund an, sich von dem Namen zu distanzieren und fortan nur noch als Owen Pallett Musik zu machen. In Anbetracht der Veröffentlichung seines Albums "Heartland" im Jahr 2010 unter anderem in Japan: sicherlich ein kluger Schachzug.
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