laut.de-Kritik
Der Marketingmeister des Gangsterraps in Stuttgart.
Review von Alexander EngelenDas mittwochliche Treiben in der Stuttgarter Fußgängerzone kündigte Außergewöhnliches an: Einerseits schwarz-rot-goldenes Fahnenwehen wohin das Auge reichte, andererseits überdurchschnittlich viele breithosige Hip Hop-Kids, die wie uniformiert mit ihren G Unit-Shirts den omnipräsenten Deutschland-Trikots den Kampf ansagten. Wer sich in Stuttgart Hip Hop auf die Fahnen schreibt, für den rückte am Mittwoch die Fußballweltmeisterschaft in den Hintergrund, um dem bereits gekürten Weltmeister des Gangsterraps zu huldigen: Curtis Jackson alias 50 Cent.
Am Abend war dann in der Schleyerhalle von Fußballdevotionalien gar nichts mehr zu sehen. Den Kicker-Einheitslook vertauschte Generationen übergreifend jung und alt mit Baggy Pants, umgedrehten New Era-Caps, Goldketten und G Unit-XXL Tees. Über kränkelnde Merchandise-Absätze muss sich Ghetto-Entrepeneur Fiffty jedenfalls keine Sorgen machen: "Clickity clank, clickity clank. The money goes into my piggy bank." Die Hook des Tracks "Piggy Bank" aus dem Millionenseller "The Massacre" klingt nach G Unit-Overkill und Ticketpreisen von 50 Euro noch überheblicher als mit patentiertem Nuschelrap auf Platte.
Die Marketing-Maschine lief auch bei Konzertbeginn auf vollen Touren. Zwei Leinwände informierten die 9000 angereisten Fans über G Units Modelinie, das eigene Videospiel, Vitamindrink und den Millionendeal mit dem Sportartikelriesen Reebok. Verpackt war das Ganze in eine dramatisch inszenierte Biografie, damit auch die mitgereisten Eltern wissen, für wessen Artikel die eigenen Kids denn das sauerverdiente Geld aus dem Fenster schmeißen.
Während sich Papa noch zwischen ritterlichem Respekt ("Aha Sohn, dein Lieblingsrapper hat also neun Kugeln überlebt?") und Schrecken ("Was, dein Lieblingsrapper hat neun Kugeln überlebt??") schwankte, pumpten wummernde Bässe und Fifftys Nuschelraps über Black Robs "Whoa"-Instrumental durch die Halle. Die Kids flippten aus, die Eltern drückten hastig ihr Ohropax weiter in die Gehörgänge, und der Rest wunderte sich über eine miserable Soundqualität, bei der die Instrumentals viel zu leise und Fifftys Raps viel zu undeutlich über tausende wippende Arme schallten.
Gut, dass Fiffty seinen G Unit-Kollegen Young Buck zur Unterstützung mitgebracht hatte, der wahlweise als Übersetzer, Back Up-MC und Stimmungsmacher agierte. Trotz Fifftys patentiertem Nuschelflow ging ihm schon mal die Puste aus (dabei kamen sogar die Hooks vom Band!) und es war auch eher Buck, der die Meute in Bewegung brachte. 50 Cent: "Schau mal, Buck. Die Leute hier schlafen ja schon fast ein!" Young Buck: "Das stimmt doch gar nicht, Boss. Wenn ich sage, macht alle mal die Arme hoch, dann machen sie das doch auch. Siehst du!"
Die etwas zurückhaltende Begeisterung für den eigentlichen Star des Abends lag wohl an seiner eigenen mauen Motivation - wenige Worte an das Publikum, ein Pflichtprogramm der Hits, bei denen meist nach den ersten 16 Bars Schluss war und ein Abgang nach knapp 65 Minuten ohne Verabschiedung oder Zugabe.
Fiffty war ja erst vor wenigen Monaten mitsamt G Unit-Entourage (Mobb Deep, M.O.P., Tony Yayo, Llyod Banks u.a.) in den hiesigen Breiten unterwegs. (Diesmal hatten es lediglich Buck, der völlig unauffällige DJ Whoo Kid und G Unit-First Lady Olivia in den Tourbus geschafft). Gründe für eine erneute Europatour lieferte so vor allem Fifftys ohnehin schon gemästetes Sparschwein. Das zufriedene Lächeln auf dem Gesicht des Protagonisten war jedenfalls noch auf den hintersten Tribünen deutlich auf den Bildschirmen zu erkennen. Besonders bei einem Song: "Clickity clank, clickity clank. The money goes into my piggy bank." Doch auch dazu wippten die Arme der dennoch enthusiastischen Fans.