laut.de-Kritik
Wieder mal eine richtig geile Party!
Review von Michael EdeleFreitag, 25.06.
Dass die Veranstalter des Bang Your Head Festivals schon immer eine Vorliebe für den traditionellen Heavy Metal hatten, dürfte wohl jedem Festival-Besucher bekannt sein. Mitunter nimmt das aber Ausmaße an, die mir schon nicht mehr geheuer sind. Vor allem, wenn mir die Namen der Bands einfach nichts sagen, weil die schon fast vor meiner Zeit aktiv waren, und zum anderen, weil einzelne Mitglieder beinahe nur noch mit Zivi auf die Bühne finden.
Obwohl der erste Tag des Open Airs auf einem Freitag lag, war tagsüber schon relativ viel Volk vertreten. Die Clubshows am Donnerstag Abend müssen ganz gut besucht gewesen sein, und das Wetter spielte auch ganz gut mit. Cage und die Ruffians mussten ihre Auftritte ohne meine Gegenwart absolvieren, und von Shok Paris bekam ich die letzten paar Songs noch mit. Deren US-Metal kam bei den Zuhörern ganz gut an, auch wenn den meisten der Name wohl ebenso unbekannt gewesen sein dürfte wie mir. Auch von Kingdom Come war lange nichts mehr zu hören, und man fragt sich, ob die vom Heavy, Oder Was!? manche Bands extra für das Festival wieder aus ihren Höhlen treiben. Lenny performte zwar äußerst sympathisch, hatte aber stimmlich mit einigen Problemen zu kämpfen.
Ganz im Gegensatz zu Blaze Bayley, der souverän unter Beweis stellte, dass er nicht nur ein sehr guter Frontmann ist, sondern auch dass die neuen Songs live umso mehr zünden. Zusammen mit seiner Band bot der Brite eine beeindruckende Show. Gleiches gilt natürlich auch für die Schwaben von Primal Fear, die das Heimspiel sichtlich genossen. Weder gesanglich noch musikalisch gab es was zu meckern, vor allem das Spiel von Randy Black an den Drums krönte einen beachtlichen Auftritt.
Dass sich eine beachtliche Anzahl an Thrash Fans auf das Bang Your Head 2004 verirrt hatten, zeigte dann der Auftritt von Anthrax. Mit zwei Originalmitglieder (Scott Ian, Charlie Benante), zwei Ex-Armored Saint Mitglieder (John Bush, Joey Vera) und Klampfer Rob Caggiano lieferten die New Yorker einen Gig der Extraklasse und wurden vom Publikum gefeiert. Children Of Bodom legten danach einen ebenso souveränen Gig hin und konnten vor allem bei vielen weiblichen Fans punkten. Stellenweise kam die Show jedoch etwas zu routiniert rüber, als dass man von einem Klassiker sprechen könnte.
Bei Gotthard setzte bei mir die gepflegte Langeweile ein, die von Queensryche erstaunlicherweise schnell wieder vertrieben werden konnte. War ich vom letzten Live Album "The Art Of Live" mehr als enttäuscht, spielten Geoff Tate und Co. tatsächlich die komplette "Operation: Mindcrime" Scheibe. Die mit Gastsängerin Pamela Moore (Sister Mary) intonierten Tracks schlugen beim Publikum voll ein und machten die Band aus Seattle zu einem würdigen Co-Headliner des Freitag Abends. Zwar hab ich keine Ahnung, wer die blonde Latexschwuchtel an der zweiten Gitarre war, seinen Job hat der Kerl zumindest anständig erledigt.
Den Abschluss gab dann aber zu Recht der Altmeister des Shock Rocks. Alice Cooper gab sich mit einer Hintermannschaft aus jungen Musikern die Ehre, und auch wenn der Mann schon mehr Falten hat als ein Bullterrier, so überzeugen seine Songs und vor allem seine Agilität auf der Bühne doch immer noch. Wo bei einem Ozzy Osbourne nur noch Schleichen und Hüpfen angesagt sind, da tänzelt Alice über die Bühne und schwingt seinen Stock oder seinen Degen. Obwohl der Beitrag der Band nicht zu verachten ist, verblasst diese natürlich neben dem Vorbild für etliche Masken- und Schminketräger der Neuzeit. Wollte man manch anderen alten Säcken die Lizenz zum Wocken entziehen, so bekommt Meister Furnier eine lebenslange Verlängerung.
Samstag, 26.06.
Da sich am Samstag Morgen einige Besuche bei der Bekanntschaft im Balinger Umfeld anboten, kam ich erst zum Schluss des Angel Auftritts wieder aufs Gelände und verpasste damit den Auftritt von Majesty und Ballistic. Während ersteres nicht weiter schlimm ist, entging mir mit Ballistic leider eine richtig gute Band. Die ganz in weiß auftretenden Angel konnten aber auch hauptsächlich die älteren Semester überzeugen und gehen wohl weniger als 'zwingend' in die Geschichte ein.
Omen spielten dann einen überraschen soliden Gig, der sich durchaus sehen lassen konnte, und auch einige der jüngeren Fans sind durchaus noch mit dem Material der Amis vertraut. Zwar hätte sich Jean Pütz über den Bass-Bausatz kaputt gelacht, aber musikalisch ging der Auftritt der Althelden voll in Ordnung. Auch Lilian Axe konnten mit ihrem Power Metal mit US-Prägung für einige Begeisterung im Publikum sorgen, und auch wenn das letzte Studioalbum fast zehn Jahre her ist, haben die Songs doch nach wie vor eine hohe Qualität.
Warum dann schon Death Angel auf die Bühne mussten, wird sich bestimmt ein Großteil der anwesenden Besucher fragen. Die Jungs aus San Francisco legten furios los und nutzten die knappe Stunde Spielzeit, um einen exzellenten Überblick über ihre Karriere abzuliefern. Das Publikum rastete vollkommen aus, und spätestens jetzt sollte den BYH-Machern klar sein, dass es ruhig ein paar mehr Bands der härteren Gangart auf dem Billing geben darf. Dass es Magnum nach solch einem Brett nicht leicht haben würden, versteht sich von selbst, aber die alten Herren sind doch routiniert genug, um trotzdem zu bestehen. Auch wenn ich nicht vor Begeisterung weinen musste, war der Auftritt um Sänger Bob Catley und Gitarrist Tony Clarkin sehenswert, was viele der Anwesenden wohl genauso sahen.
Um noch mal auf die Lizenz zum Rocken zurück zu kommen: U.F.O sollte die endlich mal entzogen werden. Zwar war Basser Pete Way ständig in Bewegung, und John Bonham Sprössling Jason sorgte hinterm Schlagzeug für gute Backingvocals, aber vor allem Sänger Phil Mogg machte immer wieder den Eindruck, als hätte er Angst, sich auf der Bühne zu verirren. Das besserte sich zwar gegen Ende des Auftritts, aber sehenswert war das nicht. Dass "18 And Life" auch schon eine Zeitlang her ist, wurde einem dann beim Auftreten von Ex-Skid Row Schönling Sebastian Bach bewusst. Nichtsdestotrotz scheint der Knabe nichts an seinem Selbstvertrauen und Ego eingebüßt zu haben. Zwar waren sowohl gesangliche, als auch musikalische Leistung im grünen Bereich, nur sollte sich der Kerl mal sein Gelaber von wegen: "I love you all. You're the best audience" daraufhin überlegen, wen er damit noch beeindruckt. Ansonsten gab es eine Mischung aus Skid Row Songs und ein paar Musiclclips zu hören.
Dann waren endlich Testament dran, die mit Steve Smythe, der eigentlich inzwischen bei Nevermore zockt, als Ersatzklampfer auftraten, da sich Eric Peterson ja das Bein gebrochen hatte. Chuck Billy war agil wie eh und je, röhrte mal wie ein Hirsch oder sang einfach nur geil und rotzte alle zwei Meter wie ein Lama auf die Bühne (und auch auf den Fotografen, würg). Steve DiGorgio am Bass ist eh Gott, und auch Metal Mike Chlasciak, an der anderen Klampfe gab alles. Das Problem war dann nur, dass einige Bands ihre Spielzeit überzogen hatten und sich der Testament Mischer zu viel Zeit ließ, so dass die BYH-Crew den Amis nach 45 Minuten den Strom abdrehen musste. Diese zockten den letzten Song unter einem Beifallsturm des Publikums einfach ohne die PA weiter. Nicht ganz fein, aber trotzdem ok.
Iced Earth traten dann zu späterer Stunde an, zu beweisen, dass sie mit Tim Owens und ihrem aktuellen Album "The Glorious Burden" durchaus an alte Glanztaten anknüpfen konnten. Mit jeweils drei alten Kanonen am Bühnenrand und dem Cover als Banner im Hintergrund spielten die Mannen um Bandkopf John Schaffer einen soliden Gig, der zumindest auf mich einen noch etwas uninspirierten Eindruck machte. Zwar ließ die Songauswahl nicht allzu viel zu wünschen übrig, und an den gesanglichen Qualitäten des Rippers gibt es auch nichts auszusetzen, doch merkte man John an, dass ihm die Angriffe vor allem der deutschen Presse in letzter Zeit etwas an die Nieren gegangen waren. Den Fans wars egal, sie feierten Iced Earth nach allen Regeln der Kunst ab, mit dem traditionellen Feuerwerk ging kurz nach elf das neunte BYH Festival friedlich zu Ende.
P.S.: Fotogalerien zu fast allen Bands findet ihr in den Artistportalen.