22. Juli 2025

"Wenn ich nicht voll reingehe, wird’s niemals was"

Interview geführt von

Sie rappt mit Maske, mit Haltung und mit messerscharfer Technik: Antifuchs, Female MC aus Flensburg, hat sich mit Battlerap-Skills, kompromisslosem Sound und einem klaren "Anti" im Herzen eine feste Position im Deutschrap erspielt.

Im Interview am Rande ihres Auftritts spricht sie über krank auf Tour gehen, mentale Tiefpunkte und warum das Publikum auf der Tapefabrik sie wie neugeboren fühlen lässt.

Erst mal, wie geht's dir? Du bist krank gewesen?

Ja, ich bin etwas angeschlagen. Heute Nacht sind wir vom Sputnik Spring Break gekommen und im Hotel eingecheckt. Auf dem Weg merkte ich: Scheiße, der Hals tut immer mehr weh. Dann sind wir noch zur Notapotheke, schön mit allem möglichen Scheiß eingedeckt, wie Medi-Night, Grip-Pustat, Asperin-Komplex, alles einfach. Ich stehe, mir geht's gut, ich fühle mich wie neugeboren, ich habe so viele Medikamente intus. Es ist alles noch im Rahmen. Magda, mein Tourmanagement, ist ja zum Glück Krankenschwester, sie hat das alles im Blick.

Wie machst du das mit deiner Stimme? Du schreist ja schon rein, hast übelst das Stimmvolumen. Trainierst du das? Hast du da irgendwie einen Trick?

Also, es ist auf jeden Fall ein gutes Organ. Ich bin sehr, sehr dankbar für meine Stimmbänder. Ich muss mittlerweile ein bisschen aufpassen. Ich singe mich ein vor Shows. Also so richtig so Vocal Warm-Up. Ich habe mich diesmal auch aufs Klo verzogen, weil ich da die ruhigste Stelle war. Heute geht die Stimme, ich bin zwar etwas angeschlagen, aber ich hab durchgepowert und es hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Hast du auch diese Blubberflasche?

Ey, hab ich auch, aber die hab ich heute in der Tasche gelassen und habe aufs Einsingen geschaut, dass die Töne sitzen heute.

Sehr geil. Wie war's on Stage?

Mega. Tape­fabrik ist immer so viel Liebe. Also, vor zwei Jahren war ich ja schon auf der Purize Stage. Und das war diesmal noch geiler. Wow, wirklich auf der Mainstage stehen zu dürfen. Ey alter war schon eine geile Stimmung, würde ich sagen. Am Ende sind sie alle durcheinander gesprungen. Und hatten alle genauso viel Spaß wie ich. Gleichzeitig ist so viel passiert. Ich hatte jemanden auf der Bühne, der sich mein Logo hacken lassen hat. Heftig.

Wie viele hast du schon gesehen mit dem Logo auf der Haut?

Sehr viele, sehr, sehr viele. Also wirklich, irgendwie nach ein, zwei Jahren, wo ich gerappt habe, schon den ersten, groß auf dem Hals, der hat schon mein Leben gefickt damit. Also jeder, der dazu kommt, und sich den Fuchs unter die Haut sticht, ist irgendwie auch ein Stück in meinem Herzen drin. Jeder und jede ist besonders und bleibt besonders. Es ist einfach so überwältigend.

Du gehst ja auch voll offen damit um, dass du manchmal so ein bisschen mentale Probleme hast. Wie helfen dir da die Fans oder so Auftritte? Gibt es dir Energie oder raubt es dir Energie?

Es gibt solche und solche, würde ich sagen. Es gibt natürlich immer mal einen Auftritt, wo du keine Ahnung, hunderte Kilometer fährst. Du kommst irgendwie zu spät, stehst vorher noch im Stau, hast irgendwie die Bahnen, die nicht pünktlich kommen. Du bist schon total knapp dran, hast nicht viel Zeit zum Vorbereiten. Dann ist es natürlich immer zerrend, irgendwo. Aber sobald ich auf der Bühne stehe, kommt diese ganze Liebe und Energie einfach so zurück, und es ist etwas super Schönes. Wenn ich zu Hause bin oder im Studio, mich therapiere damit, und dann gehe ich auf die Bühne und kriege also nochmal so viel Liebe von denen zurück. Die sagen mir dann ja auch nach den Gigs noch, wenn wir es schaffen, noch Fotos zu machen und sowas, ja, wie ich denen damit helfe, ist das einfach ein krasses Gefühl. Wenn du mit dem Scheiß, mit dem du dich selbst therapierst, anderen sogar noch helfen kannst. Da freue ich mich immer wieder.

"Am Ende hab ich "uhhhh" gemacht"

Wie war das bei dir während Corona, wenn man nicht live performen konnte?

Das war hart. Das war schon komisch. Auf einmal hat jeder so viele Streaming-Sachen gemacht. Natürlich waren viele dankbar, dass jeder Künstler dann überhaupt irgendwie noch spielen und stattfinden konnte. Gleichzeitig war das sehr komisch, wenn du da vor deinem Handy stehst, deine Songs performst, irgendwie in einem leeren Raum. Dann ist der Song vorbei und dann gibt es kein Feedback. Ich habe mich wirklich zwischendurch mal selbst erwischt, wie ich so am Ende "uhhhh" gemacht habe, einfach nur, um mir irgendwie dieses Gefühl vom Feedback irgendwie selbst zu geben. Das war so komisch, und ich war wirklich wieder sehr froh, als es dann wieder richtig losging.

Erinnerst du dich noch an den ersten Auftritt, den du wieder hattest?

Ja, weil ich tatsächlich nach 2020 im Theater in München, im Volkstheater, eine Saison mitgespielt habe, bei einer Trap-Oper. Die Songs habe ich dafür geschrieben und durfte dann auch mit auftreten. Wir waren so quasi kurz vor dem zweiten Rutsch an Einschränkungen, und dann waren ja Konzerte wieder vorbei, aber Kultur durfte stattfinden, ich glaube, mit 25 Prozent Auslastung.

Da hatte man natürlich weniger Publikum drin, aber wir durften spielen. Da war ich wirklich dankbar, dass ich diese Chance hatte, irgendwie trotzdem meine Kunst auszuüben, mich entfalten zu können, trotz der ganzen Einschränkungen.

Was ist dein Favorit Eminem Album?

Also, ich schwanke immer. Also, es ist bei mir auch phasenabhängig. Mal ist es das Slim Shady-Album, mal ist es die The Marshall Mathers LP. Das sind, glaube ich, für mich beide sehr, sehr wichtige Alben, die mich sehr geprägt haben.

Du sagst ja auch, du wünschst dir nur von Kool Savas größeren Respekt. Hast du ihn schon bekommen?

Ey, also ich kriege sehr viel Liebe von ihm, immer wieder. Er hat mir jetzt erst zum Geburtstag gratuliert. Also wirklich, das ist super schön. Heute durfte ich mit seinem DJ auf der Bühne spielen. Das ist natürlich traurig, dass mein DJ krank ist, aber es war natürlich eine große Ehre, dass er das dann übernommen hat. Ich habe mir auch letztes Jahr das Arena Konzert angeguckt. Ich würde gerne manchmal zurückreisen, mein 15-jähriges Ich kneifen und erzählen. Er ist schon sehr nice, er ist ein sehr stabiler, korrekter Mensch.

"Fotze ist eine wunderschöne Beleidigung"

Du sagst, du hasst alle Menschen, die Menschen hassen. Wen hasst du gerade am meisten?

Ja, es ist immer eine bestimmte Art von Menschen, würde ich sagen. Die, die Vorurteile haben, die diskriminieren, die irgendwie hetzen. Ich hatte das jetzt gerade bei den Releases viel unter meinen Kommentarspalten, wo einfach wirklich Meinungen sind, die keine Meinungen mehr sind, die wirklich nur noch Hass sind, und das ist etwas, was mir richtig auf den Sack geht. Man fördert nicht dieses Miteinander. Wie zum Beispiel hier schön mit Hip Hop bei der Tapefabrik.

Wenn wir schon mal bei ein bisschen Hass sind, was ist deine Lieblings-Beleidigung?

Also es ist eigentlich immer so, Nuttenbengel finde ich immer ganz schön, weil es sich so schön aussprechen lässt. Es hat so eine schöne Phonetik, finde ich. Hurensohn und Nuttenbengel ist immer wenig akzeptiert. Verstehe ich natürlich auch, aber ich finde es trotzdem eine sehr schöne Beleidigung. Fotze ist natürlich auch eine wunderschöne Beleidigung. Das sage ich gerne zu Securities, die mich irgendwie ungerecht behandeln. Aber gleichzeitig denke ich, ist gerade zum Beispiel Fotze auch ein sehr empowerndes Wort für Frauen geworden.

Was machst du, wenn du einen Blackout hast?

Blackout? Rewind! Rewind!

Was können wir von dir in nächster Zeit erwarten?

Ja, auf jeden Fall ein neues Album. Ich bin gerade fleißig am Arbeiten. Ich wollte es eigentlich viel früher draußen haben, aber wir haben schon eine Tour gespielt. Ich habe ein, zwei Songs rausgebracht und habe jetzt viel Input während der Tour bekommen. Wir arbeiten jetzt noch mal ein bisschen, bis ich zufrieden bin. Da werden auf jeden Fall einige Songs jetzt demnächst kommen.

Hast du eine Künstler*Innen Empfehlung?

Boah, da gibt es so viele. Mein ganzer Freundeskreis ist so voll mit tollen Künstlern. Ich hatte heute Crystal F mit dabei, der einfach abgerissen hat. SLiiWA hatte ich gerade auf Tour, der ist ein sehr guter Homie von mir, den kenne ich schon sehr, sehr lange, seit meiner ersten Crew sozusagen. Er war auf Tour mit und hat jetzt auch wieder angefangen zu rappen, das freut mich sehr. Yako war heute auch mit mir auf der Bühne, da habe ich mich auch sehr gefreut. Ich finde, er ist einer der heißesten Newcomer, was den Deutschrap angeht. Mein Umfeld ist voller toller Künstler.

Ab wann hast du gemerkt, es könnte doch was werden mit Rap?

Ey ich frage mich das bis heute noch. Ich zahle meine Miete damit, mal mehr, mal weniger regelmäßig oder pünktlich. Natürlich hat jeder Künstler, glaube ich, seine Struggles. Als ich meinen Job aufgegeben habe und dachte, jetzt volle Kanne rein, dachte ich mir halt: Wenn ich nicht voll reingehe, dann wird es halt niemals was werden. Die Frage ist nicht, ob, die Frage ist halt nur wann. Deswegen: Wenn ich es nicht versuche, wird es nicht klappen. Also es muss klappen, weil ich es mache. Denke ich mir halt.

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