17. März 2025
"Da fliegen Leute durch die Gegend, so wie es sein soll"
Interview geführt von Manuel RautheNiko Huber, Sänger und Gitarrist der deutschen Alternative-Hoffnung Bird's View, spricht über musikalische Vorbilder, wie ihr Drummer Skid Rows Scotty Hill auf dem Klo crashte u.v.m.
Hi Niko, ich habe zwei Storys darüber gelesen, wie euer Bandname zustande kam. Welche stimmt denn nun?
To be honest: Wir erzählen in jedem Interview eine andere Story. In den Bandnamen wird immer so eine große Bedeutung reininterpretiert. Bei uns war nicht so viel dabei. Irgendwann hat unser Gitarrist einfach so gemeint: 'Ey, das klingt doch ganz gut?' Bleibt irgendwie hängen und gabs auch noch nicht. Alles relativ unromantisch.
Ihr fahrt stiltechnisch eine ziemlich klare Linie. Ergibt sich die sozusagen organisch aus dem, was ihr feiert? Oder steckt da auch Kalkül dahinter nach dem Motto: So muss es klingen und nicht anders.
Ich glaube, erzwingen tun wir nichts. Das ist, wie du gerade gesagt hast, organisch. Es kommt aus uns raus. Wir gucken schon hier und da mal und versuchen, etwas anderes zu machen. Aber letztendlich fällt es dann doch immer in dieselbe Schiene. Wir versuchen, unseren Style zu finden und immer weiter auszuarbeiten. Wir sind alle noch relativ jung, deswegen schauen wir natürlich auch rechts und links. Unsere Influences können wir auf keinen Fall verneinen. Man hört, was wir hören. Aber wir sind, glaube ich, ganz gut dabei, unseren eigenen Charakter zu entwickeln. Und das ist lauter, schneller, punkiger Alternative-Rock mit coolen Melodien.
Es gab also beispielsweise noch nie ein Riff, das man geil fand, aus stilistischen Gründen aber dann verworfen hat?
Das nicht. Aber es gab hier und da Ideen, zu denen man gesagt hat: 'Hey, dem Ding fehlt vielleicht etwas der rote Faden.' Aber wenn wir zusammen schreiben, kommt eigentlich immer ziemlich straight genau das raus, wo wir hin wollen.
Wenn ihr gemeinsam schreibt, wie läuft das ab? Bring jeder mit, was man so zuhause geschrieben hat? Oder jammt ihr eher?
Das ist relativ oldschool. Meistens komme ich mit einer Idee, mit einem Riff oder mit einer Gesangsline in die Probe. Dann jammen wir darauf rum, und gucken, was funktioniert, und der Song entsteht halt, wie man das aus den ganzen Stories kennt. Man hockt im
Proberaum und bastelt. Keiner kommt mit einer komplett fertigen Demo rein und sagt: 'So isses.' Wir schauen zusammen, in welche Richtung es geht.
Euer erstes Studioalbum "Red Light Habits" ist grittier, sehr grungig. Das aktuelle Album, "House Of Commando", wirkt glattgeschliffener, melodischer und prägnanter. Habt ihr den Fokus bewusst auf runderes Songwriting gelegt - oder wird man einfach besser mit der Zeit?
Das kam so: Wir sagten, okay, das erste Album ist ziemlich versatile, es gibt verschiedene Aspekte und verschiedene Ansätze. Und klar, Grunge ist ein riesen Einfluss. Mit dem zweiten Album wollten wir klar größere Hooks, einen ticken eingängigere Riffs, und es war auf jeden Fall ein Fokus, dass wir gesagt haben, lass fette, fette Refrains schreiben.
Hört man auf jeden Fall. In euren Songs wird selten, aber schon ab und zu gescreamed. Hast du das geübt, und ist auch mal was daneben gegangen?
Nee, Unfälle sind tatsächlich nicht passiert. Klar wird man mal heiser. Man muss auch schon gucken, dass man da step by step seinen Weg findet. Wir spielen oft kleine Clubshows, ab und zu Festivals, und dann steht man irgendwie mal so anderthalb Stunden auf der Bühne. Da screame ich schon mehr als auf Platte. Ich würde das wie einen Muskel beschreiben, den man nach und nach trainiert und aufbaut. Man muss einfach aufpassen, dass man sich nicht verletzt und irgendwie seinen persönlichen Weg findet. Um dann mal zwei Stunden rumschreien zu können. (lacht)
Hattest du Unterricht, hast du es dir selbst beigebracht?
Ich habe ein halbes Jahr mehr oder weniger traditionell Gesangsunterricht genommen. Habe aber schnell gemerkt: Okay, das war ganz cool, aber den roten Faden muss man schon irgendwie für sich selbst finden und gucken, was passt.
Wie zügelt man sich eigentlich, nicht einfach die ganze Zeit zu screamen, wenn das Riff im Hintergrund blastet?
Das ist sehr schwer. Wir sind eine ziemliche Oldschool-Band. Wir spielen laute Amps auf der Bühne und alles. Unsere Liveshows sind sehr energiegeladen, und das sieht dann eher aus wie 1995 auf nem Festival als 2025, wo alle Handys in die Luft halten: Da fliegen auch
Leute durch die Gegend, stagediven, moshen. So wie es halt sein soll. Und dementsprechend ist es relativ schwer, nicht alles mit einem durchgehen zu lassen. Man auch muss mal kurz durchatmen sagen: 'Hey, du hast noch ne Stunde, chill mal kurz und reiß nicht in den ersten fünf Minuten alles kaputt.'
"Seine Eltern haben uns dafür gehasst. Aber es war pretty legendary"
Ihr seid schon mit großen Acts wie Soulfly und Skid Row auf der Bühne gestanden. Für mich selbst waren Skid Row das Ticket in den Metal, ich bin riesen Fan. Gibt es irgendwelche lustigen Anekdoten? Wie war es mit denen?
Skid Row war damals, glaube ich, unsere erste richtige Supporttour durch Deutschland. Das Lustige ist, unser Introduction zur Band ging so: Unser Drummer ist lief ins Backstage gelaufen, macht die Schiebetür zum Klo auf, und da hockt Scotty Hill. Und unser Drummer so: 'Ey geil, we're your support band!' Er hat ihn erst mal auf dem Klo gecrasht. Das war unsere Introduction.
Sehr schön! Habt ihr auch irgendwelche Wunschkollabos, mit denen ihr am liebsten auf der Bühne stehen würdet?
Für Support-Touren hat man natürlich immer so einige Sachen im Kopf. Für uns wäre das Nonplusultra natürlich mal mit Queens Of The Stone Age zu touren. Aktuell gibt es auch eine Band, die Bad Nerves. Die kommen aus UK, das wäre, glaube ich, auch eine ziemlich gute Kombi. Ansonsten, wie gesagt, Queens Of The Stone Age, Idles. Es gibt eine ganze Palette an Bands, mit denen man gerne touren würde. Aber die stechen heraus.
Was war bisher euer bester Auftritt?
Boah, schwierig. Wir haben mal auf einem Festival im Norden von Deutschland gespielt, das heißt Pixxen. Das war im Jahr, in dem "Red Light Habits" rauskam, und da hatten wir wirklich so gar keine Ahnung, was uns jetzt da erwarten würde. Aus irgendeinem Grund haben wir das Ding geheadlined. Das haben wir uns auch gefragt, hä? Warum steht jetzt unser Name oben auf dem Billing? Und es gibt selten Crowds, die so abgegangen sind, aber das war eine ziemlich coole Erfahrung. Da war so ein Middle sized Festival. Circa 2.000 Menschen waren da, und es hatte alles noch so eine Lockerheit, die es bei großen Festivals nicht mehr gibt. Da stand dann auf einmal eine Couch im Pit, und Leute sind um die Couch gerannt und von der Couch gestagedived. Das war ziemlich sick.
Und wie lief im Gegensatz dazu euer erster Auftritt ab?
Unser erster Gig in der 'neuen' Besetzung fand im Wohnzimmer unseres Gitarristen auf einer Hausparty statt. Das war auch ziemlich wild. Das waren dann roundabout 100 Menschen in seinem Wohnzimmer. Seine Eltern haben uns dann dafür gehasst. Aber es war pretty legendary.
Wenn du zurückschaust auf euren bisherigen Werdegang. Würdest du etwas anders machen? Oder würdest du sagen es ist perfekt gelaufen? Alles noch mal so.
Ich glaube, etwas anders machen, würde ich jetzt nicht. Unser Ziel ist es immer, so viel wie möglich live zu spielen, einfach so viele Shows mit verschiedenen Bands, mit verschiedenen Menschen wie möglich. Weit weg von zuhause Menschen kennenlernen und in irgendwelchen
Städten, in denen man noch nie war, Liveshows spielen. Das ist genau unser Approach. Das bleibt auch weiterhin das Ziel, coole Mucke zu machen und egal wo, den Leuten einfach eine gute Zeit geben. Das klappt ganz gut, glaube ich.
Und wie war das noch in der alten Besetzung bzw. euer allererster Gig?
Die Band gibt es seit 2016, unsere erste Show ... das ist echt schwer, da war ich 15. Das war, glaube ich, in einem Club hier bei uns zuhause. Wir sagen immer, wir kommen aus Frankfurt. Eigentlich kommen wir aus Rodgau, das war dort in einem Club dort vor roundabout 100 Leuten.
Ich habe gelesen, dass ihr ziemlich straight edge seid. Außer Ingwer Shots gibt es da nichts, bevor ihr auf die Bühne geht. Wie verträgt sich das mit Stoner-Rock? Mit Rock'n'Roll generell? Wie ist das Umfeld da?
Also ich bin komplett straight edge. Ich trinke keinen Alkohol, und der Rest von uns hat hier und da einfach seine Learnings gemacht. Wenn wir unterwegs sind, dann ist das nicht so produktiv, sich komplett die Birne weg zu frittieren, würde ich sagen. Weil du kommst, was weiß ich, um 3:30 Uhr ins Hotel. Und wenn du dann sechs Stunden fahren musst, dann Vormittags beim Soundcheck sein musst, dann musst du 8 Uhr wieder raus. Fünf Stunden schlafen ist dann schon noch eine ganz gute Sache. Vielleicht, wenn es gut läuft. Wenn du dann halt auch noch viel am Saufen bist, wird es schwierig.
Die Bands früher haben es auch geschafft, oder nicht?
Die früher habens auch geschafft, aber die hatten doch meistens noch einen Fahrer. Aktuell fahren wir noch komplett alles selbst. Ich möchte nicht sagen, dass wir nicht auf die Kacke gehauen haben. Aber wir haben so gut auf die Kacke gehauen, dass wir irgendwann gesagt
haben: 'Oh krass, das funktioniert irgendwie nicht.'
Was hat sich mit der neuen Besetzung denn geändert? Und wie war es davor?
Seit 2019 haben wir die neue Besetzung. Wir sind alle mit der Schule fertig geworden, und der Fokus auf die Band wurde klarer, wir wollen das beruflich machen. Wir wollen wirklich viel, viel, viel, viel touren. Da lag die Priority von unserem alten Drummer und vom alten Basser einen Ticken woanders. Das war alles cool, und wir verstehen uns immer noch gut. Aber seitdem Jan und Max dabei sind, macht es musikalisch und menschlich klick. Ich glaube, dass merkt man auch sehr gut bei Shows, weil einfach vier Leute auf der Bühne stehen, die genau da sein wollen, eine gute Zeit haben, laute Musik spielen und einfach die bestmögliche Zeit für alle Leute auf so einer Show machen wollen.
Wie stießen Jan und Max damals zur Band? Gabs ein Casting?
Nene, wir kommen alle aus derselben Stadt und kennen uns schon seit wir elf oder zwölf Jahre waren. Es war ziemlich klar, dass wir beide dazu holen.
"Howie Weinberg hat die Platte gemastert. Das war natürlich sick."
Du hast die Story jetzt schon das ein oder andere Mal in Interviews erzählt, aber die ist leider zu gut. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Howie Weinberg?
Wir haben "House Of Commando" aufgenommen, November, Dezember 2023. Dann saßen wir einen Abend im Studio zusammen und haben überlegt, wo wir die Platte mastern lassen wollen Und Howie Weinberg hat halt so gut wie all meine favourite Alben gemacht. Von "Blood Sugar Sex Magik" bis "Nevermind" hat er die Platten gemastert. Ich hab eine Handynummer gefunden und halt einfach angerufen. Dann ist lustigerweise auch wirklich jemand rangegangen, so um halb Elf abends, deutscher Zeit. Deswegen war es in L.A. neun Stunden zurück oder sowas. Und dann ist er ist rangegangen und meinte: 'Jaja, schickt doch mal rum, wenn ihr fertig seid.' Das war noch relativ am Anfang der Produktion. Dann, so eine Woche bevor der Kram final war, haben wir Mucke rüber geschickt, und die ist anscheinend ganz okay angekommen, er hat dann die Platte gemastert. Das war dann natürlich sick. Wir sind noch weit weg, glaube ich, von dem was er sonst macht. Deswegen war es für mich ziemlich cool, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Das war schon ein Powermove. Hat er auch Feedback gegeben oder es nur zurückgeschickt?
Nee, irgendwas muss dran gewesen sein. Irgendwie 'solid work, good songs'.
Weil ihr euch soundtechnisch ja schon stark an den 90ern orientiert. Wie sieht eure Fanbase aus?
Das ist ziemlich lustig. Von 15-jährigen Kids bis hin zu Leuten, die in den 90ern Teenager waren, ist alles dabei. Ich glaub, das Coole an der Musik, die wir machen, ist, das sie zeitlos ist und dementsprechend sind sehr junge Kids am Start und Menschen im gehobeneren Alter, die noch Bock auf die Mucke haben. Und da geht es nicht darum, den einen TikTok-Song mitzufilmen, und der Rest ist egal, sondern es geht um anderthalb Stunden Abriss.
Würdest du sagen, du bist als Musiker im richtigen Jahrzehnt geboren?
Ne, auf jeden Fall nicht. (lacht) Das ist das Standartding, dass alle sagen. Ich glaube, für uns wäre der Sweetspot einfach die 90er gewesen. So '92 bis '99 wäre es schon ziemlich cool gewesen, die ganzen Festivals zu touren und die Clubs.
Privates findet man ja nicht viel über euch. Gibt es irgendein spezifisches, nicht musikalisches Thema, das euch als Band verbindet? Irgendwas, worüber ihr einfach stundenlang reden könnt?
Also man muss schon sagen, Musik ist das Mainthema. Das ist so eine Downward Spiral. Wenn man einmal anfängt, darüber zu reden, kommt man nicht mehr raus. Gerade mit Leuten, die in derselben Materie unterwegs sind. Wir sind alle ziemlich gute Freunde in der Band. Wir hören alle Musikrichtungen. Ansonsten kann ich mit meinem Drummer sehr geil übers Skaten reden. Wir skaten beide und das ist auch, was wir auf Tour in unserer Freizeit machen. Wenn es im Backstage Barbecue Places gibt, grillen wir immer. Wir können ja viel unterwegs sein. Gutes Essen und guter Kaffee ist auf jeden Fall cool, wenn man unterwegs ist.
Noch eine persönliche Frage: Wie bringt man Songs zu Ende? Ich dudel manchmal auf der Gitarre rum, aber ein ganzer Song kommt nie dabei raus.
Wenn wir anfangen, zu jammen, habe ich relativ schnell ein festes Konstrukt im Kopf. Man hat relativ schnell eine Vision, wie das Ding am Ende klingen soll oder was dabei rumkommen soll, gerade Feeling oder Message. Ich habe da unterbewusst einfach schon eine Struktur im Kopf. Ich habe keinen Ratschlag, wie man am besten einen Song fertig schreibt. Ich glaube, man muss dranbleiben, dann legst du es für einen Tag weg. Dann muss man sich noch mal dransetzen. Wenn mans feiert, dann macht man das Ding fertig.
Das ist für dich dann keine Fleißarbeit, sondern du hast einfach eine klare Vorstellung davon, wo es hingehen soll?
Kreativer Flow beschreibt es, glaube ich, ganz gut. Klar, mal klappts besser, mal hakts. Und ich glaube, dann irgendwie Abstand zu gewinnen, ist ganz gut. Das kommt bestimmt auch wieder anders, aber aktuell ist es wirklich so, dass der kreative Flow komplett da ist. Man hat einfach Bock, Musik zu machen.
Ihr seid auf der anstehenden Tour ab Ende März zum ersten Mal als Headliner unterwegs. Wie kam es dazu? Das Album ist ja schon eine Weile draußen. Und natürlich: Wie geht es dir damit, wenn du dran denkst?
Wir haben natürlich vereinzelte Shows zum Release gespielt, aber das ist jetzt die erste Tour als Headliner, auf der man viele Dates am Stück spielt und auch wirklich das umsetzen kann, worauf man Bock hat. Und ich glaube, was ich mir von der Tour erhoffe, ist, wie schon erwähnt, einfach eine gute Zeit haben und vor allen Dingen, dass für die Leute, die vorbeikommen, ein bisschen die Mentality aus den 90ern wiederkommt. Wenn wir eine Show spielen, sieht das nicht aus wie das Stanni-Rockkonzert, das man von heute kennt, sondern wir hoffen, dass da halt einfach eine coole Atmosphäre aufkommt. Jeder hat Bock, jeder ist am Moshen, jeder ist am Stagediven. Das Coole ist, wir spielen No-Barrier-Shows. Dann kommen Leute einfach auf die Bühne, können
stagediven, können in die Crowd springen, haben eine gute Zeit. Es wird auf jeden Fall wild.
Hast du noch eine Message an die laut.de-Leserschaft?
Will man Reading Festival 2000, von der Energie, kommt auf die Tour ... Das in klein und süß (lacht).
Klingt gut, viel Glück auf der Tour!
Danke dir. Hau rein!
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