laut.de-Biographie
Soulfly
1996 ist kein gutes Jahr für den Sänger, Gitarristen und Songwriter Max Cavalera. Im August stirbt sein Adoptivsohn und Freund Dana. Ende des Jahres trennt sich der Brasilianer im Streit von seinem Stammes-Clan Sepultura, einer der angesagtesten Metal-Bands, nachdem dieser seine Frau Gloria als Managerin gefeuert hatte. Zusammen mit seinem Bruder Igor hat er die Kult-Thrasher 1984 in Belo Horizonte gegründet.
Kurzzeitig sieht es so aus, als wolle Cavalera seine Musiker-Karriere endgültig beenden und sich aus dem Biz verabschieden. Doch bald beginnt er, seinen Frust musikalisch zu verarbeiten und läutet mit einem "New Tribe" seine Post-Sepultura-Ära ein: Soulfly spielen ein aggressiv-explosives Hardcore-Gemisch, das nahtlos an die Sepultura-Platte "Roots" (1996), die verstärkt auf Groove und Tribal-Elemente setzt, anknüpft.
Mit dem Namen Soulfly verbindet Cavalera den Tod aller Menschen, die ihm nahe standen: Vater, Zieh-Sohn und Freunde. Spiritualität wird im Cavalera-Clan, der sich inzwischen in Phoenix/Arizona niedergelassen hat, groß geschrieben. Als waschechter Brasilianer ist für Cavalera neben Tribal-Denken, Religiosität und harter Mucke auch der Fußball eine großes Thema.
Obwohl Max Cavalera inzwischen über vier Millionen Platten verkauft hat, ist sein Sound nicht bei allen Metal-Freunden beliebt. Denn er schert sich wenig um Genre-Grenzen. Maxens Motto lautet: "Musik muss sich weiter entwickeln". Beispielsweise outet sich der brasilianische Volksheld als Hip Hop-Fan. Den politischen Aussagen der Szene kann der Familien-Vater einiges abgewinnen.
Seine musikalische Offenheit (privat hört er u.a. U2, Paul Simon oder Dead Can Dance) demonstriert Cavalera, der in Hotels gerne als Muhammad Ali eincheckt und sich mit seiner Frau und Managerin Gloria auch mal über die Setlist streitet, auf zwei Alben. Beide Scheiben können eine ellenlange Liste prominenter Gast-Musiker, wie Fred Durst, Chino Moreno, Tom Araya oder Sean Lennon aufweisen.
Neben Maxe sind beim Debüt Gitarrist Jackson Bandeira, Basser Marcelo Dias und Drummer Roy Mayorga zu hören. Bandeira ist aber schnell weg vom Fenster, für ihn steigt Logan Mader (Ex-Machine Head) ein und fährt die erste Ozzfest Tour mit. Ende 1998 fliegt er schon wieder raus, und da auch Mayorga anderweitig Beschäftigung sucht, steigt der ehemalige Pro Pain-Stöckeschwinger Dave Chavarri als Sessiondrummer kurz bei Soulfly ein.
Poltert das Debüt spontan und voller ungebändigter Aggressionen los, kanalisiert Cavalera auf "Primitive", dessen Titel als Gegenpol zur alles beherrschenden Elektronik gedacht ist, die musikalischen Ausbrüche. In Gitarrist Mike Dolling, Drummer Joe Nunez und Marcello hofft er nun die richtigen Tribal-Rabauken an Bord zu haben. Nunez verlässt die Band allerdings im September 2001. Fürs erste hilft Ex-Sacred Reich-Drummer Greg Hall aus, den derzurück gekehrten Roy Mayorga ersetzt. Roy schwingt nebenher die Stöcke für Medication.
Mit ihm beginnen Soulfly die Arbeiten am dritten Album. Im Februar kehrt Mayorga Medication endgültig den Rücken und spielt auch die Co-Headlinertour mit Static X und Soil teil. Die Platte "3" erscheint im Juni 2002 und kommt diesmal ohne großes Gäste-Line-Up (Ausnahme: Christian Machado von Ill Nino) aus. Auf einem der Tracks ("Tree Of Pain") ist auch Frontmann Cavaleras Sohn Richie zu hören. Mit einer Schweigeminute ("9-11-01") zollen Soulfly den Opfern der Terroranschläge von New York und Washington ihren Respekt.
Mit Slayer cruisen sie erneut durch die Staaten und statten Australien einen Besuch ab, ehe Maxe die komplette Band einstampft. Mit dem ehemaligen Ill Nino Gitarristen Marc Rizzo, Basser Bobby Burns (Ex-Primer 55) und dem schon bekannten Joe Nunez, sammelt er wieder ein paar fähige Mucker um sich, um "Prophecy" einzuspielen. Auch der ehemalige Megadeth-Tieftöner Dave Ellefson hat an einigen Songs mitgearbeitet. Auf der folgenden Tour mit Ill Nino kommt es zu Ausschreitungen zwischen Rizzo und Machado, weswegen Ill Nino die Tour ausstetzen.
Max reist 2005 auch privat um die Welt, um mit unterschiedlichen Musikern zusammen zu arbeiten. So entsteht "Dark Ages", das Ende September erscheint. Im Oktober sind Soulfly dann unterwegs und lassen Throwdown, Bloodsimple und Incite (Band von Cavalera Stiefsohn Ritchie) die Massen anheizen.
Die beiden folgenden Jahre verbringen Soulfly natürlich auf Tour. 2007 macht vor allem die Versöhnung der Cavalera-Brüder Schlagzeilen. Die Gründungsmitglieder von Sepultura rufen die Cavalera Conspiracy ins Leben, bei der auch Marc Rizzo und Joe Duplantier von Gojira am Bass mitmischen. Zuvor veröffentlicht Rizzo sein Soloalbum "The Ultimate Devotion". Obwohl Max mit der Cavalera Conspiracy ganz gut beschäftigt ist, liegen Soulfly derweil noch lange nicht auf Eis.
Ganz im Gegenteil, schon Ende Juli legt die Band mit "Conquer" nach. Dieses Mal hat man sich Max David Vincent (Morbid Angel) und Dave Peters (Throwdown) ins Studio geholt, um mit ihnen jeweils einen Song einzubrüllen. Hat sich Max eh schon von den World Music-Aspekten entfernt, so ist davon auf "Omen" 2010 nichts mehr zu hören. Roh und direkt knallen die Riffs aus den Boxen und werden nur noch durch Rizzos Soli aufgelockert.
Kurz nach dem Relase beginnt sich das Personal-Karussell zu drehen. Zunächst wird Bassist Bobby Burns durch Tony Campos (Static X, Prong, Ministry) ersetzt, ehe David Kinkade (Malevolent Creation)als neuer Mann hinter den Fellen vorgestellt wird. In der runderneuerten Konstellation begibt sich die Combo 2011 ins Studio und prügelt das achtes Album ein.
Und ganz der Familienpatriarch führt Max mittlerweile den Nachwuchs ins Biz ein: Auf der Tour zum Album "Enslaved" begleiten ihn seine Söhne Igor und Zyon mit ihrer Combo Lody Kong sowie Incite, die Band seines Stiefsohns Richie. Die Platte erscheint im März 2012 und präsentiert die Band härter und brutaler denn je.
Das sieht auch Max Cavalera so: "Im Gegensatz zu vielen anderen, die im Alter immer weicher, immer softer werden, lege ich an Härte zu. Das möchte ich auch so beibehalten."
Im Oktober 2012 nach einer Show in Bangkok steigt Drummer David Kinkade nach gut einem Jahr wieder aus: Er hängt die Stöcke gleich ganz an den Nagel - das Musicbiz habe ihn bitter enttäuscht, und er seine Ziele nicht erreicht. Die Zeit mit Soulfly und seinem Jugendidol Cavalera sei noch der einzige Lichtblick gewesen. An die Kessel setzt sich nun ein originäres Familienmitglied: Maxens Sprössling Zyon. Seine erste Bewährungsprobe: das Album "Savages".
Der nächste Besetzungswechsel steht 2015 an: Tony Campos verabschiedet sich in Richtung Fear Factory. Auf dem im August erscheinenden Album "Archangel" ist er allerdings noch zu hören. Den vakanten Bassposten übernimmt erst mal Max' anderer Sohnemann Igor. Eine Namensänderung Soulflys in Cavalera Conspiracy 2.0 scheint da gar nicht mehr so abwegig. Zumal auf "Archangel" für einen Song dank stimmlicher Gastspiele von Igor und Stiefsohn Richie gleich vier Cavaleras zu hören sind. Gleichwohl steigt bald darauf Mike Leon (Ex-Havok) am Tieftöner ein.
Musikalisch bleibt ohnehin alles fest in Cavaleras Händen, insofern ändert sich in dieser Hinsicht nicht viel bei Soulfly, außer dass sich hin und wieder die Schwerpunkte in den Kompositionen verlagern. Beim elften Album "Ritual", das 20 Jahre nach dem Debüt erscheint, konzentriert sich die Band gemäß des Titels etwa wieder mehr auf Tribal-Grooves. Gleichzeitig erweitert er seine Palette aber auch, addiert zum Beispiel Elektronik und Motörhead-Rock'n'Roll.
In diesem Stilmix sieht Cavalera die Essenz seiner Band: "Wenn du dir das anhörst, fühlst du hoffentlich die echte Bedeutung Soulflys und was es unserem Stamm bedeutet. Soulfly-Fans kennen keine Grenzen, sie wissen Mannigfaltigkeit an Stilen und spirituelle Themen zu schätzen. Ich bin sehr stolz auf Soulfly nach 20 Jahren in der Metal-Welt. Unser Stamm ist stärker denn je!"
2020, die Corona-Pandemie hat zugeschlagen, arbeitet Clanführer Max an neuem Material, ein Jahr später veröffentlichen Soulfly allerdings ein Statment, das aus dem Off kommt: Gitarrist Marc Rizzo ist nach fast 20 Jahren raus. Während Max von "persönlichen Gründen" spricht, aufgrund derer man sich von ihm getrennt habe, klingt in Rizzos Kommentar nach all den Jahren auch Frust durch, etwa über mangelnde finanzielle Unterstützung während der Zwangspause: Er habe sich wieder einen Day-Job suchen müssen, um sich und seine Familie über Wasser zu halten. In den Jahren davor habe es zudem kaum eine Möglichkeit gegeben, überhaupt ein Privatleben aufgrund der Tourplanungen zu haben. Insofern komme der Split wohl zu spät.
Live ersetzt ihn vorerst Fear Factorys Dino Cazares. Im August 2022 erscheint das 12. Studioalbum "Totem" über Nuclear Blast.
2 Kommentare
Wann kommt die Ritual Kritik ?
Wann kommt die Totem-Kritik? Das Album ist nicht schlecht. Ritual hingegen war totaler Schrott. Macht ma hinne.