27. März 2009
"Nationalität spielt keine Rolle"
Interview geführt von Michael EdeleMit "Dead Eye Dreaming" hat die dänisch-italienische Kooperation Chaoswave ein richtig starkes, modernes Metal-Album vorgelegt, das stilistisch irgendwo zwischen Nevermore und Lacuna Coil liegt.Nicht nur, dass man solche Klänge aus dem südlichen Teil Europas eher weniger kennt, vor allem die Tatsache, dass mit Gitarrist Henrik Guf Rangstrup ein gebürtiger Däne bei der Band den Ton angibt, ist schon Grund genug, mal ein wenig nachzufragen. Guf zeigt sich über die Review und die Bewertung auf unseren Seiten äußerst erfreut und gibt folglich nur allzu bereitwillig Auskunft über den Zustand der italienischen Metal-Szene und seine Gründe, der Heimat den Rücken zu kehren.
Guf, du bist gebürtiger Däne. Wann und warum bist du ausgerechnet nach Italien gezogen?
Ich bin im Sommer 2002 nach Italien gezogen, nachdem ich ein paar Monate zuvor mein Studium beendet hatte. Ein Jahr zuvor hatte ich ein Mädel aus Italien kennen gelernt und mich in sie verliebt. Zunächst hatten wir eine Fernbeziehung, was aber auf Dauer nicht wirklich glücklich macht. Als sich meine alte Band Sinphonia (mit der ehemaligen Sirenia-Sängerin Monika Pedersen, d.Verf.) schließlich aufgelöste, hatte ich die Freiheit, mal was Neues auszuprobieren. Ich bin also nach Italien gezogen und hab tatsächlich bereits nach zehn Tagen Jobsuche ein gutes Angebot bekommen. Mit der Frau bin ich immer noch zusammen, ich habe ein großartige, neue Band – es sieht so aus, als hätte ich die richtige Entscheidung getroffen.
Zweifellos, so weit gibt es da nichts zu meckern. Konntest du eigentlich schon italienisch, bevor du da runter gezogen bist?
Klar, "si", "grazie" und das ganze andere Touristen-Italienisch (lacht). Ich musste die Sprache komplett hier lernen. Allerdings hatte ich nie irgendwelchen Sprachunterricht, sondern hab mir das alles mehr oder weniger selbst beigebracht. Das war schon ganz schön hart, aber da in Italien viele Leute kein Englisch sprechen, blieb mir gar nichts anderes übrig, als Italienisch zu lernen.
Mal abgesehen vom Wetter, was sind denn die größten Unterschiede zwischen Dänemark und Italien?
Ich hab manchmal den Eindruck, dass sich Dänemark und Italien in Europa kulturell fast am meisten unterscheiden. Ich kann selbst heute noch hier auf die Straße gehen und denk mir immer wieder: "Was zur Hölle geht denn hier ab?" Aber mittlerweile fange ich an zu begreifen, dass Italiener eigentlich immer und zu allem die gleiche Einstellung haben: Es kratzt sie einfach nicht (lacht). Am besten lässt sich der Unterschied hiermit beschreiben: Dänen gehen mit Fremden sehr respektvoll und zurückhalten um. Damit meine ich jetzt nicht Ausländer, sondern ihnen Unbekannte allgemein. Es ist nicht so ganz einfach, die Freundschaft eines Dänen zu gewinnen. Italienern ist es hingegen eigentlich scheißegal, ob sie jemanden kennen oder nicht. Wenn man einen Italiener einmal getroffen hat, ist man sein bester Freund (lacht).
Stimmt, in der Beziehung sind Italiener und andere Südlänger sehr offen und herzlich. Allerdings ist die italienische Metal-Szene eher für ihre True und Opern Metal-Bands bekannt. War es denn nicht relativ schwer, Musiker für Chaoswave zu finden?
Eigentlich gar nicht. Giorgia und Fabio kannte ich bereits, als ich überhaupt erst anfing, mich nach Musikern umzusehen. Die waren also direkt von Anfang an dabei. Unser Drummer Raphael ist nach einem knappen Monat dazu gestoßen und unser ehemaliger Basser Marco ist nach etwas sieben oder acht Monaten bei uns eingestiegen. Aber du hast schon recht, die italienische Szene ist mit Power Metal-Musikern überschwemmt. Dabei gibt es so viele gute Musiker und Bands hier, die mit dem Sound nichts am Hut haben. Wenn man außerhalb Italiens nicht schon dieses Bild von der Szene hätte, dann wären auch die anderen Metal-Richtungen hier deutlich größer. Es gibt hier eine ganze Menge an erstklassigen Bands, die aber alle keinen Deal haben, weil sie eben aus der italienischen Szene stammen, die in Europa und den USA nun mal diesen Opern Metal-Ruf hat. Ich hab mir erst neulich eine Death Metal-Band aus Florenz angehört namens Subhuman. Die machen einen recht modernen und verdammt gut gespielten Sound und ich bin mir sicher, dass sie schon lang unter Vertag wären, wenn sie aus den Staaten oder sonst woher kommen würden.
Womit wir wieder beim Propheten im eigenen Land wären …
Unsere Sängerin ist einfach "one of the guys"
War es eigentlich von Anfang an dein Ziel, sowohl einen Sänger, als auch eine Sängerin in deiner Band zu haben?Ursprünglich eigentlich nicht. Ich wollte eine klare Stimme und mein Ziel war es, mit dem Gesang unterschiedliche Atmosphären und Schichten in meiner Musik zu erzeugen. Es ist kein Geheimnis, dass ich ein riesiger Nevermore-Fan bin und ich habe es schon immer bewundert, wie es ihnen gelingt, allein mit ihren Gesangslinien unglaublich atmosphärische und eindringliche Musik zu erschaffen. Also habe ich mich nach einem sehr guten und abwechslungsreichen Sänger umgesehen, doch als ich Giorgia und Fabio zusammen singen hörte, war mir eigentlich schnell klar, in welche Richtung ich gehen wollte. Ich war mir einfach sicher, dass wir mit diesem Line-Up etwas Anderes, Besonderes machen können.
Das ist euch meiner Meinung nach gelungen. Ich kenne jedenfalls keine andere Band, die die Musik von Nevermore mit dem Gesang von Lacuna Coil verbindet. Allerdings bin ich bei Frauen in der Band immer ein wenig skeptisch. Ich hab da schon schlechte Erfahrungen mit gemacht, wie sieht's da denn bei euch aus?
Hahaha, bisher kann ich mich nicht beklagen. Ich war es ja bereits von Sinphonia gewohnt, mit einer Frau am Mikro zu spielen. Mit meiner Zeit mit Chaoswave sind das mittlerweile mehr als zehn Jahre, in denen ich in Bands mit Frauen spiele und bislang gab es da noch nie Probleme. Giorgia ist in der Beziehung einfach "one of the guys".
Mal was anderes. Ich hab gelesen, dass euer ehemaliger Bass Marco jetzt nach Dänemark gezogen ist, nachdem er die Aufnahmen zu "Dead Eye Dreaming" abgeschlossen hatte. Das hat eine gewisse Ironie, oder?
Das kannst du aber laut sagen (lacht). Und vor allem bin ich an der Sache nicht ganz unschuldig. Ich organisiere die meisten unserer Touren und Konzerte und hab natürlich versucht, uns so oft wie möglich nach Dänemark zu bringen. Wir waren da mittlerweile vier- oder fünfmal auf Tour. Im Herbst 2007 haben wir eine kleine Vier-Tages-Tour durch Dänemark gemacht, und Marco hatte nichts Besseres zu tun, als sich in ein Girl aus Dänemark zu verlieben. Genau wie bei mir war das zunächst eine Fernbeziehung, aber nach einer Weile hat er sich dazu entschlossen, nach Dänemark zu ziehen. Seit Oktober 2008 haben die beiden sogar Zwillinge zusammen.
Wo die Liebe eben hinfällt. Nicht weniger überraschend ist allerdings der Gastbeitrag von Steve Smyth (Forbidden, Ex-Nevermore/Testament). Wie bist du denn mit dem in Kontakt gekommen?
Sowohl Giorgia, als auch ich haben Steve schon ein, zwei Mal getroffen und wir standen seit dem in E-Mail-Kontakt. Er ist einfach ein verdammt feiner Kerl und als ich mir darüber Gedanken machte, ein Gastsolo auf der neuen Scheibe zu haben, war er der Erste und Einzige, den ich gefragt habe. Er hat sofort zugesagt und letztendlich sogar drei Leads eingespielt, obwohl ich nur nach einem gefragt hatte (lacht). Aber die klangen alle einfach so verdammt gut, dass sie auch alle auf der Scheibe gelandet sind. Ich steh einfach tierisch auf Gastsoli, weil sie einem Album noch das gewisse Etwas geben können. Nimm doch nur mal "This Godless Endeavor" von Nevermore als Beispiel. Auf der Scheibe spielen mit Jeff Loomis und Steve Smyth zwei hervorragende Gitarristen und trotzdem findest du noch ein Gastsolo von James Murphy (Ex-Death/Obituary). Und das Teil passt perfekt in den Song und verändert die ganze Atmosphäre noch mal.
Auch in Sachen Mischer habt ihr euch international umgeschaut und seid zu Andy LaRocque (King Diamond) gegangen. Warum ausgerechnet er? Gibt es in Italien keine fähigen Leute?
Nö, hahaha. Nein, ich mach nur Spaß. Hier gibt es durchaus fähige Leute, aber wir wollten für Chaoswave eben das Beste, und wenn man danach sucht, spielt Nationalität keine Rolle. Wir haben uns nach den Aufnahmen hingesetzt und uns darüber unterhalten, wer der beste Mann für den Job wäre, und auf Andy haben wir uns dann eben geeinigt.
Im September nach Deutschland
Du sprichst flüssig Dänisch, Italienisch und Englisch. Allerdings sprichst du auch Deutsch, oder du verstehst es zumindest, weil du bei einer deutschen Firma arbeitest. Was genau machst du denn da?Ja, ich sprech von allem ein wenig, aber mit dem Deutschen bin ich ein wenig langsam. Ich arbeite als Webdesigner und Programmierer für eine Touristik-Firma. Wir vermieten über das Internet Hotels und Ferienhäuser, hauptsächlich an Deutsche. Wenn ihr wollt, checkt einfach mal www.ferien-in-sardinien.com an. Wenn ihr im Menü auf "Unternehmen" und dann "Wir Über Uns" klickt, solltet ihr irgendwo sogar meine hässliche Visage finden (lacht).
Wann haben wir denn die Möglichkeit Chaoswave in Deutschland zu sehen?
Ich hoffe, dass wir es diesen Sommer auf ein paar Festivals schaffen. Wir haben zumindest mal alle größeren Events mit Promo-Packages versorgt. Wir waren zwar ein wenig spät dran, aber leider haben wir die Promo-CDs erst relativ spät bekommen. Falls das für dieses Jahr also nichts mehr wird, bin ich mir sicher, dass wir es zumindest im September für ein paar Dates nach Deutschland schaffen. Wir arbeiten gerade an einer kleineren Tour in dem Zeitraum.
Sehr schön, dann gehören die letzten Worte somit dir.
Was soll ich sagen? Checkt unser Album an, es lohnt sich. Hört euch einfach auf unserer MySpace-Seite mal ein oder zwei Songs an und wenn's euch gefällt, denkt an unsere chronisch leeren Taschen und kauft eine CD oder etwas Merch (lacht). Außerdem kommt demnächst unser Video zum Song "10 Years of Denial", der bald auf dem italienischen Musikkanal ROCK TV laufen wird. In ein paar Wochen könnt ihr euch das Ding dann aber auch auf unsere MySpace-Page anschauen. Wir zählen auf euch.
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