14. Januar 2002
"Vinyl macht Ärger und bringt kein Geld"
Interview geführt von Daniel StraubNicht anders war es am 1. Dezember in Zürich, wo die beiden das ausverkaufte Rohstofflager rockten, dass das Kondenswasser von der Hallendecke regnete. Nach zwei Stunden Hoppeln, Knöpfchen drehen und mehreren Litern Flüssigkeitsverlust nahmen sich Andreas und Ralf zu frühmorgendlicher Stunde noch Zeit, um mit LAUT über ihren Hit "Hale Bopp", das gegenwärtige 80er Revival und ihr besonderes Verhältnis zum Safri Duo zu plaudern.
Seid ihr zufrieden wie der Auftritt heute gelaufen ist?
Andreas: Ja, aber es gab ein Problem mit dem Mischpult. Das war ein bisschen ärgerlich.
Habt ihr alle Songs spielen können, oder musstet ihr welche weg lassen auf Grund der Probleme?
Andreas: Ja, wir haben einen Track weggelassen. Einige haben wir auch ein bisschen kompakter ablaufen lassen. Wir können das auch immer ein bisschen anpassen. Je nach dem wie es so ankommt.
Wieviel Freiraum habt ihr bei den einzelnen Stücken. Gibt es da eine feste Reihenfolge?
Andreas: Die Reihenfolge ist natürlich ein wesentlicher Faktor. Aber dann hängt das eben auch von der Geschwindigkeit ab. Wenn ich ein Stück schneller abspiele, macht das bei manchen Stücken sehr viel aus. Die wirken dann einfach härter. Und dann kommt es natürlich darauf an, was man in den Vordergrund mixt.
Arbeitet ihr mit einer Setlist?
Andreas: Nein, die Reihenfolge ist jedesmal anders. Das ist auch gar nicht abgesprochen. Ich weiß dann auch manchmal gar nicht was als nächstes kommt.
Es ist also immer mit Überraschungen zu rechnen.
Andreas: (lacht) Ja, grob sprechen wir darüber. Über ein zwei markante Stücke, ob die eher vorne oder eher hinten kommen und womit wir anfangen. Aber ansonsten ist eigentlich alles offen.
Habt ihr mal darüber nachgedacht, euren Back Catalogue bald wieder auf Vinyl zu veröffentlichen?
Andreas: Das ist ein bisschen schwierig. Ich fände es eigentlich auch ganz gut und vielleicht werden wir's irgendwann auch mal durchboxen. Aber für solche Experimente ist Virgin einfach die falsche Plattenfirma. Virgin, und überhaupt die Majors leben eben vom CD-Verkauf. Vinyl macht Ärger und bringt kein Geld. Vinyl läuft als Promotion. Mit Vinyl verdienst du nichts.
Ich fände es geil, wenn mehr Vinyl gemacht werden würde, aber es ist halt schwierig. Wir arbeiten genau an dem Problem und für das nächste Release sind wir auch am Überlegen ob wir nicht den Vertrieb wechseln sollen, um mal ein paar Sachen zu ändern. Das ist echt ein bisschen störend. Ich habe das auch schon von vielen Leuten gehört. Es gibt halt teilweise zu wenig Vinyl. Und die Leute in der Dance- oder DJ-Szene wollen eben Platten.
A propos Platten. Wann kommt denn eure neue Platte?
Andreas: Es gibt noch kein Datum. Ich arbeite gerade daran. Und wenn alles gut läuft ... Wir hatten geplant, dass sie im Frühjahr fertig wird und dann auch rauskommt. Aber genau kann ich das noch nicht sagen. Ich sag jetzt einfach mal so Februar, März, April, Mai, Juni. So grob. (lacht)
Gibt's schon einen Titel für die neue Platte?
Andreas: Nee, aber es gibt ganz viele Stücke. So in Loop-Versionen. Einige sind auch schon ein bisschen weiter ausgefeilt. Ein paar haben wir heute auch gespielt. Ein paar housige Nummern. Die waren von der neuen, von der aktuellen Produktion.
Ralf: Es gibt noch was anderes. Das hat nicht unbedingt mit dem Dritten Raum zu tun. Aber im Januar kommt noch 'ne Platte. Wir haben ja noch ein paar andere Projekte. Und eines heißt Index ID. Da kommt im Januar ein neues Album mit dem Titel "Expedition". Das wäre so der nächste Stichtag.
Helft ihr euch denn gegenseitig bei euren Produktionen?
Ralf: Nee, das läuft eigentlich schon getrennt. Jeder schnuppert zwar mal beim anderen rein. Hört und guckt mal was so passiert. Aber im Grunde läuft das strikt getrennt ab. Jeder lebt seinen Film durch. Jeder hat ja auch so seine eigenen Macken und wir bieten dem anderen dann eher ein Forum. Nach dem Motto: "Hast du nicht noch Lust, ein Stück für meine Platte zu machen?", um vielleicht noch ein bisschen was anderes mit reinzubringen, einen anderen Charakter.
Gibt es auch ab und zu gemeinsame Auftritte?
Ralf: Ja, aber heute war ein reiner Dritter-Raum-Tag. Wir waren vor zwei Jahren mal im Matrix (Züricher Club, Anm. d. Red.), da hatten wir so einen gemischten Auftritt von Der Dritte Raum und Index ID. Und in den letzten Wochen waren zwei Termine dabei, da haben wir auch so ein gemischtes Ding zwischen dem Dritten Raum und dem Index ID Live Act gemacht. Das hat auch ganz gut geklappt. Es ist ja schon ziemlich artverwandt.
Wie werden denn die neuen Stücke vom Dritten Raum aussehen? Wieder mit gebrochenen Beats wie sie auf eurem letzten Album "Distanz" angeklungen sind?
Andreas: Nein, die wird clubbiger werden. Ich glaub' die wird ... ich kann's noch nicht genau sagen. Wie gesagt, viele Sachen sind noch in der Entwicklung. Modernere Beats eben und etwas clubbiger, aber schon mit typischen House- oder Technoelementen, die man so kennt. Es wird sich eher am Live-Act orientieren.
Ich habe auf eurer Homepage gelesen, dass ihr auch DJ-Sets macht (beide lachen). Ist das was Neues oder gibt's das schon länger?
Andreas: Das ist eigentlich nur so just for fun. Also der Ralf macht das schon länger, hat dann aber irgendwann wieder damit aufgehört. Und ich hab auch ganz, ganz früher mal ein bisschen aufgelegt, allerdings war das noch vor Techno. Das war noch Wave-Disco (lacht). Ich hab' da so EBM-Sachen aufgelegt. Aber nicht auf Beat gemixt. Das gab's damals noch nicht. War noch nicht so angesagt. Na egal, auf alle Fälle hab' ich letztens wieder angefangen. So vor einem Jahr, da hatte ich irgendwie Bock drauf.
Und jetzt leg ich gelegentlich mal so auf, mit CD Playern und mixe auf Beat, so gut es mir gelingt. Ich habe viele umgeschnittene Versionen, deshalb die Geschichte mit den CD-Playern. Das ist für mich der direkteste Weg. Ich kann mir eben Stücke aussuchen, die ich eigentlich gerne auflegen möchte. Dann suche ich mir schon so spezielle Sachen raus, die nicht jeder spielt: Ein richtig trashiges Set. Ich schneide mir die Stücke im Rechner ein bisschen zusammen, spiele was dazu, nehme Sachen raus, mache irgendwas länger. Und brenn mir die dann wieder auf CD, um damit zu mixen.
Sind das dann Tracks vom Dritten Raum?
Andreas: Nein gar nicht. Das sind total verschiedene Sachen. Also die letzten beiden, die ich umgeschnitten habe, waren ein Yello Stück und eines von Mouse On Mars. Wenn man so obskure Sachen ein bisschen umschneidet und verlängert, dann kann man die richtig cool mixen. Das ist ganz witzig. Das macht voll Bock. Aber ich will jetzt hier keinen auf DJ machen.
Wie ist denn euer Verhältnis zum Safri Duo, das ja gerade mit so einem ähnlichen Track wie "Trommelmaschine" in den Charts ganz groß abräumen?
Andreas: Zu Safri Duo haben wir eine ganz spezielle Geschichte, nicht Ralle? (beide lachen)
Ralf: Ja, da haben wir eine ganz spezielle Geschichte.
Andreas: Safri Duo hab ich gekannt ... also die ganze Geschichte ist ein bisschen länger. Speziell zu Safri Duo: die Musik finde ich fürchterlich. Horror. Das ist eine total billige Manta-Rave-Klang-Collage. Was ich halt ganz cool finde, ist die Art wie sie live auftreten. Die trommeln beide echt geil. Da kann man nichts sagen. Wir hätten mit denen mal ein Live-Set spielen sollen, dazu aber gleich mehr (Ralf lacht). Ich habe irgendwann deren Live-Set im Fernsehen gesehen und da haben die halt so herum getrommelt. Das war total geil. Ich dachte: was ist das denn? Und irgendwann kamen dann diese Rave-Fanfaren. Oh mein Gott, der ganze Rummelzauber ... und alles war kaputt.
Und wir hatten irgendwann einmal in Holland, man könnte sagen, es war eigentlich ein Fehlbooking. Da hätten wir mit denen auf so einer Rave-Veranstaltung zusammen spielen sollen. Wir sind also dort angekommen, haben unser Equipment hinter die Bühne geschafft und haben uns dann erstmal ein bisschen diese Party angeschaut. Und vor uns waren eben Safri Duo dran. Die hatten gerade angefangen, aber das war einfach nicht zu ertragen. Wir waren ... wie kann man das nennen? Beschämt?
Ralf: Ja, beschämt!
Andreas: Und enttäuscht ... Wir haben unsere Sachen gepackt und sind wieder abgehauen. Wir sind nicht aufgetreten. Das war uns einfach zu peinlich. Das hätten wir nicht machen können. Wir waren, ich würde sagen, einfach zu stolz. Auf solch einer Veranstaltung mit diesem Affensound noch dazwischen zu stehen und richtig Musik zu machen, das war mir einfach zu assig. Es gab dann aber einen Riesenärger.
Ralf: Aber es hat auf alle Fälle Akzente gesetzt.
Andreas: Es hat Akzente gesetzt und das hat vor allem dazu geführt, dass wir keine Anfragen für Kommerz-Trend-Raves mehr bekommen. Endlich. Wir hatten ja mit "Hale Bopp" schon einen kleineren Erfolg. Dadurch sind halt Leute auf den Dritten Raum gekommen, die sonst mit der Musik nichts am Hut haben und die auch etwas völlig anderes erwarten. Diese Safri Duo-Geschichte war halt der Höhepunkt und auch die vorerst letzte Veranstaltung dieser Art. (beide lachen)
Es hat euch aber nicht gestört, dass die sich soundtechnisch so dicht an euch angelehnt haben?
Ralf: Du meinst wegen der Trommeln?
Ja genau.
Ralf: Ach nee, das stört uns nicht. Da gibt es viele Stücke, die so ähnlich klingen.
Andreas: Nö, da bin ich jetzt gar nicht drauf gekommen. Es ist ja auch anders gemacht. Die haben halt irgendeinen Produzenten, der die Sachen für die macht und die beiden stellen sich dahin und trommeln ein bisschen rum. Und das ist eben was völlig anderes.
Hat euch der Erfolg von "Raumgleiter" und "Hale Bopp" eigentlich überrascht oder habt ihr euch schon beim Einspielen gedacht, dass das ein Hit werden könnte?
Andreas: Nein, das hat micht echt gewundert. Ich hatte witzigerweise auf ein ganz anderes Stück gesetzt. Das war das "Tagnachtlied". Ich hätte eher gedacht, dass das bekannt wird. Aber das ist total untergegangen. Der Klaus wollte das ja eigentlich auch auf seinem Label rausbringen, weil der total darauf abgefahren ist. Das ist dann aber eben ganz anders gekommen. Die "Hale Bopp"-Melodie ist halt schon speziell, dieser Sequenzerlauf und so.
Aber im Grunde genommen ist es vom Sound her überhaupt nicht so richtig clubkompatibel, da die Sounds total dünn sind. Es sollte ja eigentlich so 70er Jahre mäßig klingen, wie alte Jean Michel Jarre- oder Giorgio Moroder-Sachen mit 'ner pappigen Bassdrum. Da sind auch so dünne Plastik-Stringsounds drauf. Und das hat mich schon gewundert, dass das dann so gespielt wird, weil es eigentlich nicht ravekompatibel ist. Na ja, so kann's kommen. (lacht)
Was meint ihr zum gegenwärtigen 80er Revival?
Ralf: Echt, findet da so was statt?
Na, es wird zumindest von vielen herbei geredet.
Andreas: Also generell find ich's eigentlich ganz geil, dass solche Styles wieder aufgegriffen werden. Zum Teil kommen auch echt interessante Sachen dabei raus. Aber, wie es halt immer so ist, das was kommerziell bekannt wird ... Dieses "I wear my sunglasses tonight", das kennt ihr doch bestimmt? (singt: "Sunglasses At Night" von Tiga & Zyntherius)
Das ist so ein uralter komischer Hit und der kommt jetzt halt als 80er-Retro-Techno-Version raus. Aber das meiste ist eben total billiger Kirmes-Dorf-Disco-Trash. Da ist mal wieder ein bisschen was nach hinten losgegangen. Aber es kommen dazwischen auch coole Sachen raus. Zoot Woman sind zum Beispiel einfach göttlich.
Klingt das ein bisschen nach Ladytron?
Andreas: Ja, aber die finde ich jetzt nicht so gut. Das ist mir einfach zu kitschig und die Sounds sind mir auch einfach zu platt. Das kann ich zum Beispiel überhaupt nicht ausstehen ... In den wirklichen 80ern fand ich das schon immer zum Kotzen. Dieser Oktavsprungbass: dummpahh, dummpahh, dummpahh, dummpahh. Irgendwie ist das in den Augen der 80er-Retro-Revival-Leute das 80er Merkmal überhaupt. Somit kommen fast alle 80er-Revival-Bands mit diesem blöden Oktavsprungbass.
Der Relaunch eurer Homepage ist gerade in Arbeit. Könntet ihr euch auch vorstellen, Soundvorlagen auf die Seite zu stellen, die die Fans dann bearbeiten können?
Andreas: Ja, so etwas soll auf der neuen Seite erscheinen. Es gab ja auf der alten Seite auch so einen Download-Bereich, wo man sich die Songs runterladen konnte. Und das wollen wir in abgespeckter Form jetzt auch wieder machen. Die Plattenfirma hat's zum Glück noch nicht mitgekriegt (lacht). Plattenfirmen mögen sowas nicht besonders, deshalb muss man das immer so ein bisschen verstecken. Dieses mal soll's auf jeden Fall auch Midi-Files aus dem Archiv geben. Ich habe nämlich mein Archiv mal ein bisschen aufgeräumt und manches von dem möchte ich gerne auf die Seite stellen.
Vielen Dank für das Interview!
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