laut.de-Biographie
Die Form
Kopf und treibende Kraft hinter dem Projekt Die Form ist der Franzose Phillippe Fichot. Musik, Fotografie und Performance verschmelzen zu einem ganzheitlichen Kunstkonzept. Musikalisch bewegen sich Die Form zwischen minimalistischen Synthie-Tracks und experimentellen Klangcollagen. Deutlich provokativer gerät hingegen die visuelle Komponente von Fichots Arbeit. S/M, Nekrophilie und Gewalt sind Konstanten in der Bildsprache. Nicht zuletzt deshalb riefen ihre Live-Auftritte immer wieder Behördenvertreter auf den Plan und mussten abgesagt werden.
Gegründet wird Die Form 1977 von Fichot und der Sängerin Sophie in der ostfranzösischen Stadt Bourg-En-Bresse, unweit von Genf gelegen. Hier lebt der Mann bis heute. Zurückgezogen und fern der Außenwelt realisieren die beiden ihre Kunst. Fichot ist dabei in allem, was er tut ein Autodidakt. Weder Musik noch Fotographie hat man ihm je beigebracht.
Umso erstaunlicher, dass die teils neoklassischen, teils dance-orientierten oder industrialartig anmutenden Songs eine Komplexität und Frische aufweisen, die es locker mit den Ergüssen studierter Musikwissenschaftler aufnimmt. Fans und Feuilletons zählen die Band einhellig zu den wegweisenden Pionieren der avantgardistischen elektronischen Musik.
Der erste Liveauftritt von Die Form findet fünf Jahre nach der Gründung in Bourg-En-Bresse statt. Frauen, Filmprojektionen, Sophie und Fichot samt Synthesizer stellen die Live-Zutaten bei der Debüt-Performance 1982. Noch im gleichen Jahr erscheint mit "Die Puppe" das Longplayer-Debüt. Voraus gingen zahlreiche Releases auf Bain Total, die zumeist experimentellen und fragmentarischen Charakter besaßen.
In der Folge machen vor allem die umstrittenen Live-Performances Die Form nach und nach in der Szene bekannt. Sexuell aufgeladene Rollenspiele gehören zu den festen künstlerischen Ausdrucksmitteln bei den Franzosen. Mal devot, mal dominant zieht ab 1983 Eliane P. als Sängerin und Performerin bei Live-Auftritten die meiste Aufmerksamkeit auf sich. Die für manche schwer verdaulichen Auftritte bekommen mit "Some Experiences With Shock" 1984 das passende Album zur Seite gestellt.
Einen Wendepunkt markiert das Album "Poupee Mecanique" 1987. Discoide Grooves werden fortan zum Markenzeichen. Das Einbauen von SM-Elementen verlagert die Aufmerksamkeit des Publikums vorläufig und zu Unrecht auf einen sexuellen Kontext. Zugleich vergrößert die vorsichtige Hinwendung zum Pop den Fankreis. Während der 90er Jahre releast die Band weiter kontinuierlich. Dabei rückt Eliane P. als Sängerin zunehmend in den Vordergrund, akustische Instrumente und neoklassische Strukturen treten verstärkt hinzu.
Das beständige Suchen Fichots nach dem totalen multimedialen Ausdruck, dem absoluten Schmerz, der ultimativen Schönheit sowie der konsequenten Ablehnung allen Religiös-Metaphysischen kennzeichnet die unregelmäßigen aber manischen Lebenszeichen der Form. Das hat ihnen im Laissez-Faire dominierten Frankreich nicht nur Freunde verschafft.
In den mittleren 90ern lancierten diverse kirchliche Organe ein Anprangern Fichots als verderbten Verführer zum Satanismus. Derlei Lächerlichkeiten und bewusste Fehlinterpretation verhallten jedoch relativ schnell und ohne gravierenden Schaden bei Die Form zu hinterlassen.
1999 erscheint mit "Histories" das erste Best-Of-Album. Zugleich wird den neu hinzu gekommenen Fans der umfangreiche Backkatalog zugänglich gemacht. Live sind Die Form nur noch selten zu sehen. Eine der raren Performances auf deutschem Boden findet im Frühjahr 2007 beim Dark Dance-Treffen in Lahr statt.
2009 veröffentlichen sie das teils verstörende, teils gefällige Album "Noir Magnetique" Erneut und mit sehr eigener Ästhetik erschaffen sie ein Produkt, das als Kunstwerk ebenso funktioniert wie als club-tauglicher EBM-Kracher: geeignet für Kunsthalle und Partydock gleichermaßen.
Noch keine Kommentare