22. Juni 2015
"Meine Generation hat ein latentes Alkoholproblem"
Interview geführt von Laura SprengerFür seine 21 Jahre hat Disarstar schon einiges erlebt: Jugendamt, Drogen, Straffälligkeit. Die Zeiten sind vorbei: Jetzt stehen Sport, Politik und Bücher auf seinem Stundenplan. Und am allerwichtigsten: Musik. Nach zahlreichen Mixtapes und der viel gelobten EP "Tausend In Einem" steht nun endlich das Debütalbum "Kontraste" in den Startlöchern, das am 26. Juni über Showdown Records erscheint.
Disarstar befindet sich zum Zeitpunkt des Telefonats im Büro des Berliner Labels, bei dem er seit gut einem Jahr unter Vertrag steht. Wie die Zusammenarbeit funktioniert, was er von medialer Freizügigkeit hält und welche Bücher er gut findet, erzählt uns der Rapper im Interview. So richtig in Fahrt kommt er aber erst, als wir auf das Thema Politik zu sprechen kommen.
Du kannst dich wahrscheinlich nicht mehr erinnern, aber wir haben uns schon mal gesehen, als du mit Kontra K auf Tour warst. Woher kennt ihr euch genau?
Eigentlich haben wir uns gar nicht so richtig kennengelernt. Ich hatte ihn schon länger auf dem Schirm und er mich glaube ich auch. Dann war halt die Frage, wen er als Support mit auf die Tour nimmt, ich wurde gefragt und habe Ja gesagt. Eigentlich ganz einfach.
Hat sich das mit deiner Nervosität vor Auftritten inzwischen ein bisschen gebessert?
Jooaa, nö, eigentlich nicht. Ich glaube auch nicht, dass sich das bei mir noch mal bessert. Aber die Konzerte werden auf jeden Fall von Mal zu Mal besser und das ist das Wichtigste. Die Tour hat mega viel Spaß gemacht und ich freu' mich schon auf meine eigene.
Pflegst du eigentlich Kontakt zu anderen Hamburger Rappern?
Ja, aber ganz unregelmäßigen. Also zum Teil besteht auf jeden Fall immer mal wieder Kontakt, aber der ist jetzt nicht besonders rege oder so. Man kennt sich auf jeden Fall, wenn man sich trifft, dann quatscht man, aber man hängt jetzt nicht irgendwie jeden Tag miteinander ab.
Auf dem Album gibt es ein Feature mit Teesy. Habt ihr euch bei dem "7 Todsünden"-Projekt kennengelernt? [Album-Sampler, dessen Einnahmen an soziale Projekte gespendet werden, Anm. d. Red.]
Nee, der Track ist auch erst entstanden, weil wir uns schon kannten. Teesys Produzent Tino hat mir ein paar Beats gemacht. Dann ist über ein paar Umwege mein Mixtape "Manege Frei" an Teesy gelangt, das hat ihm gut gefallen. Ich fand seine Sachen generell sowieso sehr gut, "Generation Maybe" und so. Ich hab' den Jungs dann auch in einem Post Props gegeben, da kannten wir uns noch gar nicht. Infolgedessen hat Teesy mich auf seinen Geburtstag eingeladen, den er in Hamburg gefeiert hat. Da haben wir dann intensiv gequatscht und uns voll gut verstanden.
Du hast mal gesagt, dass du gerne ein Feature mit Maxim oder BOZ hättest. Hast du die beiden für "Kontraste" angefragt?
Also BOZ ist ja ein guter Kollege von mir. Wir sind auch zusammen im Studio gewesen und haben Musik gemacht. Da ist nur einfach nichts bei rumgekommen, das auf das Album gepasst hätte. Aber nee, Maxim hab' ich gar nicht angefragt. Da bin ich momentan auch gar nicht mehr so scharf drauf. Er hat ja jetzt auch schon viel mit anderen Leuten zusammengearbeitet.
Inwiefern bist du an "Kontraste" anders rangegangen als deine EP "Tausend In Einem"?
Prinzipiell habe ich natürlich einen anderen Anspruch an mich gehabt. Es ist halt viel schwerer, ein knackiges Album abzuliefern als 'ne knackige EP mit fünf Songs. Ich hab' alles doller durchdacht, mir mehr Gedanken gemacht und länger gebraucht. Aber der Arbeitsablauf ist in letzter Konsequenz genau der gleiche. Ich glaube auch nicht, dass sich das irgendwie ändern wird.
Existiert eigentlich noch die Musik aus deinen Anfängen, als du ungefähr 14 Jahre alt warst?
Ich hab' alles, was ich je gemacht habe, auf meiner externen Festplatte. Das konnte ich mir aber lange Zeit überhaupt nicht anhören, das war zum Teil wirklich ein bisschen Fremdscham. Aber inzwischen geht das auf jeden Fall wieder. Veröffentlichen will ich das aber nicht unbedingt, ich hab' da gerne mal ein paar Sachen gesagt, zu denen ich heute nicht mehr stehen kann. Aber vielleicht kommt irgendwann mal ein Mixtape, so mit zwinkerndem Auge. Ein paar Sachen gibts aber auch noch auf meinem YouTube-Channel.
Dass du jetzt so viel Aufmerksamkeit bekommst, obwohl du schon einige Jahre dabei bist, wie fühlt sich das an?
Fühlt sich schon gut an, nutzt sich aber auch schnell ab. Also ich bin das ja auch schon gewohnt, dass man zwischendurch mal wieder ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bekommt und das dann wieder verebbt. Es gibt halt auch ein paar Medien, in denen ich mich jetzt nicht unbedingt sehe, aber prinzipiell ist das alles kein Problem. Insgesamt ist es auf jeden Fall eine Bestätigung, dass ich was richtig mache.
Vor allem in Video-Interviews redest du immer relativ viel. Kam es schon mal vor, dass du hinterher bereut hast, was du gesagt hast?
Ich glaube, wenn man das nicht hat, dann entwickelt man sich auch nicht richtig weiter. Mit ist es auf jeden Fall immer wichtig, dass ich Sachen später auch anders sehe, als ich sie zu dem oder dem Zeitpunkt gesehen habe. Deswegen gibts das schon regelmäßig, dass ich in Interviews oder auch Songs schon Sachen gesagt habe, die ich mir im Nachhinein betrachtet auch hätte schenken können.
Ich finde, dass du zum Teil sehr freizügig mit privaten Informationen umgehst. Hast du keine Angst, dass dich das irgendwann mal verfolgt?
Ich weiß nicht, inwiefern das passieren sollte. Eigentlich heißt es ja, wenn du dich offenbarst, dann machst du dich verletzlich. Aber ich mache da eher andere Erfahrungen. Also die Bedenken, die viele Leute in der Hinsicht haben, hab' ich eigentlich gar nicht. Es gibt ja auch ganz viel, das ich nicht erzähle. Bei den meisten Sachen kratze ich auch nur an der Oberfläche und erzähle ja sowieso immer nur aus meiner Perspektive. Das ist irgendwie auch ein Teil meiner Philosophie und meiner Musik. Ich habe keine Probleme damit, Leute an meiner Erfahrung teilhaben zu lassen.
Du hast mal erwähnt, dass wenn du Erfolg hast, Zeit beziehungsweise Geld in Projekte oder Leute "mit Perspektive" investieren würdest. Gibt es da schon konkrete Pläne?
Jaaa, das entwickelt sich auch alles superschnell. Und dass ich irgendwie das Geld hab', dass ich einen Künstler hochziehen könnte, ist sicher noch nicht der Fall. Da muss man dann halt ganz spontan gucken, wenn es soweit ist.
"Der bürgerliche Parlamentarismus ist eine Farce"
Du kannst aber im Moment bequem von der Musik leben, oder?
Ja, auf jeden. Ein Glück. Also was heißt auf jeden ... ich habe einen guten Vertrag und es funktioniert alles sehr gut. Vielleicht schlägt sich das dann auch in Zahlen nieder, aber ich habe halt richtige Fans, was viele in dem Maße vielleicht nicht haben. Die auch Bock haben, mich zu unterstützen.
Und die Arbeit beim Label ist genau das richtige? Weil du mal gesagt hast, du kannst dich schwer unterordnen.
Es ist immer mal wieder schwer, aber auch immer mal wieder gut, also so ein Auf und Ab. Oft nehmen die mir viel Arbeit ab, aber es kommt auch drauf an: Durch ein Label entsteht eben auch wieder ganz viel neue Arbeit, die mir eigentlich keiner abnehmen kann, verstehst du? Keine Ahnung, so Sachen, die man vorher nicht bedenkt. Das Label hat ja auch Ansprüche. Da fuchst man sich halt selbst noch mehr in seine Sachen rein, obwohl man sowieso schon perfektionistisch ist. Wenn man dann noch mit Perfektionisten zusammen arbeitet, kann das schon anstrengend werden. Aber im Endeffekt ist alles super.
Und angenommen, die Aufmerksamkeit verebbt wieder und es läuft nicht mehr mit deiner Musik?
Also erstens sehe ich das momentan nicht, das ist alles auf einem echt guten Weg. Ich habe ein tolles Team um mich herum und starke Verbündete. Ich glaube auch, dass ich das Talent dazu habe. Im schlimmsten Fall würde ich also trotzdem weiter Musik machen, habe aber auch noch ein paar andere Pläne, auf die ich fast genauso viel Bock habe. Also alles kein Drama. Ich habe auf jeden Fall Bock, mein Abi fertig zu machen, also nachzuholen, und Psychologie zu studieren.
Aber du hast dein Abi schon zwei Mal abgebrochen, richtig?
Jap, das stimmt. Aber ich bin jetzt in einer ganz anderen Lebenssituation und Konstitution: Heute bin ich viel disziplinierter, fleißiger und strebsamer als damals. Deswegen glaube ich nicht, dass das heute ein Problem wäre.
Würdest du das dann im Hamburg machen, oder hättest du auch Bock, mal in eine andere Stadt zu ziehen?
Das muss man dann sehen. Ich bin ja echt so der Typ, der sich nach zwei oder drei Tagen woanders freut, wenn er wieder in Hamburg ist. Aber natürlich ist es auch schön, neue Impressionen zu kriegen. Ich habe halt echt noch nie woanders gewohnt (lacht).
Es gab ja auch mal eine Phase in deinem Leben, in der sich viel mit Drogen und anderen Delikten abgespielt hat. Wer oder was hat dir, abgesehen von deinem Sozialarbeiter, da raus geholfen?
Man kann bei so Sachen natürlich Unterstützung kriegen und Leute, die einem gut zureden, aber im Endeffekt kann man das nur selbst entscheiden. Das hat einfach was mit Entscheidungskraft zu tun. Natürlich sagt man oft Dinge wie 'Ich hab' keine Lust mehr zu rauchen', aber bis man dann wirklich die konkrete Entscheidung trifft aufzuhören, ist das noch mal was ganz anderes. So ist das mit allem Anderen auch. Wenn man sich wirklich dafür entscheidet, dann schafft man das auch. Diese Entscheidung kann einem halt keiner abnehmen.
Du trinkst ja auch seit längerer Zeit keinen Alkohol mehr. Ich bin nicht viel älter als du und find' das immer nervig: Wenn man mal an einem Abend sagt, man trinkt nichts, dann kommen immer sofort Aufforderungen oder dumme Sprüche. Wie ist das bei dir?
Das gibts bei mir halt nicht. Einfach auch vor dem Hintergrund, dass meine Freunde und Kumpels, mit denen ich irgendwo unterwegs bin, meine Geschichte kennen. Die sind da super vorsichtig und fragen sogar, ob mich das stört. Tut es natürlich überhaupt nicht. Aber dass ich mich da von irgendjemandem verleiten lasse, ist auf keinen Fall drin. Ich finde es auch schade, dass meine Generation gewissermaßen ein latentes Alkoholproblem hat. Also dass am Wochenende keiner was mit sich anzufangen weiß ohne Alkohol. Mein Alltag sieht da einfach anders aus, ich bin voll selten am Wochenende weg. Freitagsabends gehe ich immer zum Sport, danach chille ich irgendwie mit zwei Kollegen oder so. Auf Parties habe ich gar nicht so Bock. Ich finde auch, wenn man das von äußeren Umständen abhängig macht, ob man trinkt oder nicht, hat man sowieso schon verloren.
Neben Sport beschäftigst du dich auch gerne mit Lesen. Hast du ein Lieblingsbuch?
Ich finde zum Beispiel "Siddhartha" von Hermann Hesse richtig gut. Dann noch "Der Alchimist" von Paulo Coelho. Das sind halt eher so spirituelle Bücher, voller Parabeln und Metaphern, aus denen jeder etwas für sich rausziehen kann.
Ansonsten interessierst du dich für Politik und postest auch öfter mal Statements in die linksextreme Richtung. Wann und wodurch hat das angefangen?
Das hat angefangen aufgrund meiner Sozialisation, meiner Geschichte. Ich habe schon mit 14 Jahren angefangen, mir erste Gedanken über Politik zu machen und dann Leute kennengelernt, die das auch gemacht haben. Dann schaukelt sich das eben so hoch.
Gehst du wählen?
Auf keinen Fall! Der bürgerliche Parlamentarismus ist eine Farce, eine Verarsche. Wenn ich jetzt die CDU wähle, macht die halt ein bisschen konservativere Sachen, die Linke machts ein bisschen sozialer, aber im Grunde ist das alles die gleiche Scheiße. Du kannst dir Zahlen und Statistiken angucken, dass sich in 40 Jahren einfach nichts verändert hat. Es ist egal, wen du wählst. Das System, der Kapitalismus und die soziale Marktwirtschaft führen unweigerlich zu Ausbeutung und Verelendung. Vor diesem Hintergrund ist Wählen einfach Quatsch. Dabei geht es nur darum, den Leuten einzureden, dass sie eine Wahl haben. Aber im Endeffekt wird sich nichts verändern, das Wirtschaftssystem bleibt bestehen, weil die Reichen davon profitieren. Die Schäden, die daraus resultieren, sieht man ja nicht nur in Afrika, sondern in Hamburg, vor der Haustür.
Sollte man für so einen Umbruch auch Gewalt anwenden dürfen?
Ich glaube, es ist ausgeschlossen, keine einzusetzen. Aber man kann natürlich versuchen, das auf ein Minimum zu reduzieren.
"Radikalismus ist für Veränderung einfach notwendig."
Es gibt gar keine Partei, regierungsfähig oder nicht, die du gut findest?
Auch wenn ich die niemals wählen würde, freue ich mich, wenn die Linke Erfolg hat. Weil die einfach eine besondere Position innehaben, das halte ich für sehr wichtig. CDU, AfD, Grüne oder SPD: Das ist doch alles Konsens. Die Parteien unterscheiden sich nur in Kleinigkeiten. Die CDU macht es zum Beispiel einfach schlauer als die AfD, ihre Ansichten über Flüchtlingspolitik und so weiter nicht auf diese Weise auszuposaunen. Aber es ist und bleibt die gleiche Politik.
Bist du politisch aktiv tätig, oder machst du dir einfach viele Gedanken darum?
Ich bin ja schon dadurch aktiv involviert, dass ich mir ein Medium geschaffen habe, über das ich Leuten meine Ansichten nahelege oder sie zumindest zur Reflexion anrege. Rudi Dutschke, halte man von ihm, was man wolle, hat in den 70er Jahren gesagt: 'Revolution beginnt in den Köpfen der Menschen.' Das sehe ich genauso. Also vor dem Hintergrund bin ich mit meiner Musik aktiv agitatorisch und propagandistisch tätig.
Was ich ein bisschen fragwürdig finde: Du hast dich ziemlich deutlich gegen radikal religiöse Menschen ausgesprochen. Klar, die vertreten etwas komplett anderes, aber im Prinzip auf die gleiche, zum Teil ziemlich einseitige Art und Weise.
Das muss natürlich in ein Verhältnis setzen: Radikal Religiöse möchten die Gesellschaft nicht nach vorne entwickelt sehe, sondern orientieren sich an Büchern, die tausende von Jahren alt sind. Beim politischen Radikalismus ist einfach der springende Punkt, das habe ich eben auch schon gesagt, dass sich im Parlamentarismus und der Konstituierung unserer Gesellschaft eben einfach nichts verändern kann. Weder mit Reformen noch irgendeiner Friedenspolitik oder "Rettet die Wale"-Slogans. Deswegen ist Radikalismus in dieser Hinsicht einfach notwendig, wenn man etwas verändern möchte. Liest man die entsprechenden Bücher, wird einem das auch ruckzuck klar. Das kann man meiner Meinung nach überhaupt nicht mit radikalen Religionen vergleichen.
Du musst dir vorstellen, wo das angefangen hat: Irgendwann wurde der Feudalismus von der Monarchie abgelöst, und die dann wiederum von der Demokratie. Aber die Umbrüche fanden immer blutig statt! Wieviele Anläufe hat die Demokratie gebraucht, wieviele Tote hat sie verursacht? Jetzt muss meiner Meinung nach allein schon rein evolutionär der nächste Schritt passieren. Die Geschichte zeigt uns, dass Revolution oder Umbruch niemals reformatorisch beziehungsweise gelassen passiert, sondern das muss halt radikal passieren. Was ich sagen will ist, dass die politische Entwicklung progressiv ist, während Religiosität zurückgerichtet und reaktionär vorgeht.
Deiner Antwort nach ist die Gesellschaft genau jetzt für einen Umbruch bereit?
Manchmal habe ich das Gefühl, sie ist bereit und in anderen Momenten ist es das genaue Gegenteil. Dass es auf jeden Fall noch dauert. Aber ich bin kein Barbar und es kann nicht Sinn der Sache sein, dass man die Leute einfach 'befreit' und ihnen die neue Herrschaft überstülpt. Deswegen sage ich ja auch, dass Revolution in erster Linie in deren Köpfen stattfinden muss. Und solange die Menschen sich nicht nach Veränderung sehnen ... das wird aber über kurz oder lang sowieso passieren, einfach vor dem Hintergrund, dass sich das System ja gerade selbst auffrisst.
Dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft. Daraus resultiert natürlich Unzufriedenheit und politische Motivation. Da muss man die Leute abholen und erklären, wie Wirtschaft und das Geldsystem funktionieren. Weil die wenigsten darüber ein Bewusstsein haben, was eigentlich passiert. Das schlägt sich dann darin nieder, dass sie zum Beispiel Flüchtlingen die Schuld geben. Die haben keine Ahnung, wie der Hase läuft. Was war noch mal genau deine Frage? Sorry.
Nein nein, passt schon! Wird in deinem Freundeskreis viel über Politik diskutiert?
Auf jeden Fall, ich habe auch viele Freunde, die ähnlich eingestellt sind. Also eigentlich mein gesamtes Umfeld, zumindest grob. Klar wird darüber gesprochen, ich habe auch viele politisch interessierte Bekannte.
In einem Song sagst du, dass du keine Nachrichten schaust oder liest, weil dort nur Scheiße erzählt wird. Auf welchem Weg informierst du dich dann über das Tagesgeschehen?
Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen jovial, aber ich glaube, wenn man irgendwann verstanden hat, dass diese Scheiße auch nur ein riesiges Geschäft ist, dann entwickelt sich so ein Bewusstsein dafür, dass man auch aus den Nachrichten etwas für sich herausziehen kann. Wer denkt dabei heute noch an Humanität und Mitgefühl? Es geht immer nur um den wirtschaftlichen Aspekt. Manchmal frage ich mich, ob die ganzen Moderatoren das wirklich glauben, was sie da gerade erzählen.
So kann man sich, indem man einfach möglichst viele Bücher liest, auch schlau machen. Das fängt bei Kleinigkeiten an, dass man zum Beispiel auf Facebook die richtigen Seiten liked. Dass man seine Startseite nicht mit irrelevantem Scheiß zugemüllt hat, sondern auch mit Sachen, die wichtig und interessant sind. Um auf die Frage zurück zu kommen: Man kann natürlich nicht politisch auf dem neusten Stand sein, ohne sich mit Tagesaktuellem zu beschäftigen.
Apropos Tagesgeschehen: Was sagst du als HSV-Sympathisant zum Relegations-Ergebnis?
Also erst mal muss man festhalten, dass ich wirklich kein richtiger Fan bin. Ich fühle mich aber zum HSV mehr hingezogen als zu St. Pauli. Mein Opa war der extremste HSV-Fan und hätte sich im Grab umgedreht, wenn die abgestiegen wären. Aber ich muss sagen, dass ich es ihnen auch ein bisschen gegönnt hätte. Auch vor dem Hintergrund, wo wir wieder bei Kapitalismus und Umbruch sind, dass die Verhältnisse dort schief sind. Und wenn die weiter in der ersten Liga spielen, verändert sich da auch nix. Wären die jetzt abgestiegen, würden die entsprechenden Leute vielleicht den Hut nehmen und Platz für andere machen, damit es wieder aufwärts geht. Aber mal schauen, vielleicht wird das nächste Saison auch anders.
Dann danke ich dir und schönen Tag noch!
Ich danke dir! Ebenfalls, tschau!
5 Kommentare mit 10 Antworten
starkes interview! vor allem auch ein guter typ. endlich auch mal einer der die versifften saurier supportet und nicht den von der popkultur vereinannahmten verein der t-shirt drucker. bekomme bei dem teil hier immer noch ne gänsehaut https://www.youtube.com/watch?v=wCrvV0x-2oE hoffe das er da irgendwannn mal nachlegt...
die parlamentarische demokratie ist eine farce, und hauptsache man liked bei facebook die richtigen sites? *seufz* nochmal 21 sein.
Ähnliches ging mir beim Lesen auch durch den Kopf. Sofern er weiterhin kritisch denkt, wird ihm der Kurzschluss auch auffallen. Bis dahin gibts Likes für alle!
So verkürzt, wie Du es darstellst, hat er das in dem Interview nicht gesagt. Und auch wenn ich ihm in Bezug auf die parlamentarische Demokratie (nicht mehr) ganz zustimme, kann man sich gegenüber einem 21 jährigen mal seinen arrogangten Stock aus dem Arsch ziehen, und begrüßen, dass sich jemand kritisch mit Politk auseinandersetzt! Davon ab, dass ich es extrem feiere, mal wieder Rap mit politischem Inhalt zu hören, der nicht wie die wacke Mannschaft um Antilopen und Zeckenrap klingt.
"Tor zur Welt" ist ist dick. Ansonsten ist er leider auch schon vom Casper-Virus infiziert.
https://www.youtube.com/watch?v=CSTB4h-UqT0
Das ist wohl kaum eine Frage des Alters
@Strulle: Wo setzt sich hier denn bitte jemand kritisch mit Politik auseinander? Stammtischparolen a la "ich geh nicht wählen, weil es ändert sich ja sowieso nichts..." und hinterher dann jammern, dass diejenigen, die zur Wahl gegangen sind, "das Falsche" gewählt hätten, sind auch für 21 jährige nicht als intellektuelle Höchstleistung einzustufen. Gehn mir aufn Sack die Leute, immer nur am Meckern.
Wer nicht wählt, vergibt seine Stimme und wer das dann noch öffentlich kundtut, gibt ein verdammt mieses Beispiel ab.
Da ich es eh nur schlechter wiederholen könnte, hier mal ein gutes Argument zum Wählen und auch zu dem was Disarstar dazu zu sagen hat (von Peter Decker):
„Diese Doppeltheit, die Wahl ist doch unser Heiligstes, und zugleich eine praktische weitreichende Geringschätzung der Veranstaltung, wenn sie dann tatsächlich passiert, dies Doppeltheit, die könnte einen Kritiker zur Verzweiflung bringen: Man hat den Eindruck, man kann der Welt überhaupt nichts mehr erzählen, die Leute, an die man hinredet in punkto Wahl, die haben selber schon immer eine schlechtere Meinung von dem ganzen Zeugs, als man ihnen noch beibringen könnte.
Ganz so es aber nicht, es ist eher umgekehrt: Diese Sorte Selbstironie, diese Sorte, von der Wahl nichts halten, aber hingehen, schon wissen, daß auf die eigene Stimme geschissen ist, sie aber doch abliefern, dieses Mitmachen und dabei selbstironisch über die Nichtigkeit des eigene Tuns daherreden, das ist die unbedingteste, die dümmste und intellektuell die verantwortungsloseste Art des Mitmachertums. Die Leute entscheiden sich nicht, ob es wirklich ein Scheiß ist und es dann lassen, oder, ob es kein Scheiß ist und dann die Ironie lassen. Nein, der moderne Mensch bewegt sich in der Mitte zwischen die Sache ablehnen und die Sache gut finden und dabei mitmachen. Diese Mitte ist es, mit der man immerzu mitmachen kann und praktisch von keiner Enttäuschung je endgültig enttäuscht werden kann.
Also auf die Gefahr, daß man in einer Welt von Selbstironikern der letzte Humorlose ist, mache ich den Versuch, diese, in der Demokratie vorgesehene, erlaubte, ja gewünschte, im Vierjahresrythmus organisierte, einmalige Einmischung des Bürgers in die Politik, Einmischung der Regierten in die Staatsgeschäfte, einmal ernster zu nehmen, als alle Beteiligten es tun und daran zu prüfen, was die Wahl denn tatsächlich leistet und warum sie in diesem System durchaus wichtig ist. Sodaß die Vorstellung, wählen nützt nichts, die Wahlstimmen sind für die Katz (die so billig zu haben ist), bis hin zu dem linken Spruch, wenn wählen etwas ändern würde, wäre es verboten, das ist auch so eine Weisheit, die gilt weit in bürgerliche Kreise hinein, damit kann man schnell populär sein. Ich will sagen, der Gedanke ist sau verkehrt: Es ist ganz falsch, zu meinen, Wählen nützt nichts. Es nützt nur etwas ganz anderes, als was alle denken.“
@Idnier89: Also, nach den Interviews, die ich bisher mit Disarstar gelesen habe, hat er schon einiges mehr zu sagen, als: "ich geh nicht wählen, weil es ändert sich ja sowieso nichts...". Wenn ich sage, dass er sich kritisch mit Politik auseinandersetzt, dann meine ich damit, er hat verstanden, dass politisch zu sein eben nicht nur bedeutet, jeden Tag brav die Tagesschau zu gucken und alle 4 Jahre wählen zu gehen. Sondern dass ein gelebtes, kritisches Politikverständniss ein radikales Umdenken erfordert. Deshalb beruft er sich auch immer wieder auf Dutschkes "Revolution in den Köpfen" - Zitat. Ich empfehle für eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Umdenken den Klassiker von Erich Fromm, "Haben oder Sein" https://de.wikipedia.org/wiki/Haben_oder_S…
Was das Wählen angeht: Für mich ist es schon ein Unterschied, ob jemand nicht wählt, weil er einfach keinen Fick gibt, oder ob jemand mit unserem parlamentarischen Demokratiesystem hadert und die Abgabe der Stimme als nutzlos oder sogar kontraproduktiv empfindet. Ich bin selber jahrelang nicht wählen gegangen, weil ich, wie es ein ehemaliger Kollege von mir zusammenfasste, es nicht ausgehalten habe, "zwischen zwei verschieden großen Haufen Scheiße zu wählen". Inzwischen gehe ich wieder zur Wahl, warum, fasst der Post von Maybe Somdeday sehr gut zusammen. Und Menschen die "immer nur am Meckern" sind, sind zwar bisweilen anstrengend, aber mir immer noch lieber als die Masse von Menschen, die ganz zufrieden mit sich und der Welt sind, solange es ausreichend zu Essen und zu ficken gibt, und Genug Geld für den nächsten EasyJet-Trip auf dem Konto liegt.
Grammatik Setzen 6!!!
Geht mir auf den Pisser wenn ich so einen geschriebenen 4. Klasse Artikel lesen muss.
Finde den Typen ja eigentlich ziemlich cool, aber seine Kapitalusmuskritik ist leider ziemlich verkürzt. Das ist leider sehr gefährlich.
Solche Aussagen sind halt auch ein No Go:
"Der bürgerliche Parlamentarismus ist eine Farce, eine Verarsche."
Ich kritisiere die bestehende Gesellschaft zwar auch aber die bürgerliche Demokratie ist ja wohl immer noch besser als ihre schlechte Abschaffung, die im Faschismus oder islamischen Gottestaat endet.
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Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
Nee, natürlich kaum Parallelen zu religiösen Extremisten, öhm aber
"Deswegen ist Radikalismus in dieser Hinsicht einfach notwendig, wenn man etwas verändern möchte. Liest man die entsprechenden Bücher, wird einem das auch ruckzuck klar."