Porträt

laut.de-Biographie

Dr. Knarf

"Du kannst mich lieben. Du kannst mich hassen. Doch ich bleibe wie ich bin. / Intriganten spinnen Intrigen. Ich lass' sie machen. Weil ich weiß, dass ich gewinn'."

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Der Mann, der mit diesem ebenso grimmigen wie selbstsicheren Statement sein "Ta$h Mixtape" eröffnet, werkelt zu diesem Zeitpunkt bereits seit beinahe zehn Jahren im Kölner Untergrund. 2007 soll es dann allerdings jeder mitbekommen: "Alles was ich bin ist Knarf HKC."

Der Knabe aus Köln/Nippes hat da schon Einiges hinter sich. Vom ersten Album des Wu-Tang Clan infiziert, zieht es den Teenie unwiderstehlich in die 36 Kammern des Hip Hop-Mysteriums. Dr. Knarf, der sich zeitweise auch hinter dem Alias Kniwo2000 versteckt, beginnt Ende der 90er, eigene Texte zu schreiben und erste Beats zu basteln.

Dabei lässt das Equipment im Kinderzimmer anfangs noch schwer zu wünschen übrig: "Am Anfang hab' ich Loops mit zwei Kassettenrekordern gemacht", erinnert er sich gegenüber rappers-guide.com. "Und die hatten auch noch unterschiedliche Geschwindigkeiten."

Von solcherlei Widrigkeiten gestählt, rappt sich Dr. Knarf quer durch die Freestyle-Battle-Szene. Erst grast er die Veranstaltungen in der Umgebung ab, später durchstreift der Kölner ein Revier, das sich von Hamburg bis Stuttgart erstreckt. An Bühnenerfahrung mangelt es bald nicht mehr.

Dr. Knarf besteht darauf: Seine Texte sind sämtlich aus dem Leben gegriffen. Obwohl er im Rahmen von "Deine Stimme gegen Rechts" auftritt, hält er sich selbst eher für den unpolitischen Typ: "Ich finde es albern, wenn man in seinen Texten die Tagesschau in Raps verpackt. Ich will ja mich selbst reflektieren, nicht auf irgendwelche sozialen Missstände aufmerksam machen. Rap ist ein absolut Ego-bezogenes Ding. Wem nützt es, wenn Knarf in seinen Texten jetzt genauso den Zeigefinger (oder Mittelfinger) hebt, wie alle anderen und sagt 'Bush ist scheiße'?"

Gemeinsam mit DJ P.Phunk, über den Dr. Knarf eher zufällig beim Chatten im Netz stolpert, ist er als Die Halzabschneider unterwegs. Die beiden nehmen etliche Tapes auf. Zudem zählt Dr. Knarf zur Belegschaft der Crews HKC (Hamburg Köln Connection - oder aber Haters Keepers Clikke, je nach Gusto) und HAV, Hass aus Veranlagung, in deren Reihen er als MC und Produzent mitmischt.

Unter dem freundlich verkaufsfördernden Titel "Fuck U Buy Us" erscheint 2001 das erste HKC-Mixtape. Um die tausend Exemplare davon werden an den Mann gebracht und tragen gemeinsam mit der penetranten Freestyle-Battle-Präsenz der auch als "Hundert-Mann-Armee" bekannten und entsprechend personalstarken Crew zum Ausbau einer soliden Fan-Basis bei.

Die braucht es auch: In den nächsten drei Jahren verzeichnet die Geschichtsschreibung keine weiteren Veröffentlichungen von HKC. Dr. Knarf allerdings leistet 2002 einen Beitrag zum Soundtrack des Kölner Films "Sheriff", er ist es auch, der 2004 mit einem Streetalbum die Flaute beendet. Auch dieses ziert wieder eine überaus charmante Aufforderung: "Fickt Euch Alle 2004".

Betrachtet man die Umstände seiner Entstehung, macht sich Verständnis für die harsche Wortwahl im Titel breit: Dr. Knarf verfasst die Texte für sein Album hinter Mauern und Gittern der JVA Ossendorf, wo er eine sechsmonatige Haftstrafe abzusitzen hat. "Fickt Euch Alle" gerät entsprechend grantig, dafür aber hundertprozentig authentisch. Da zahllose HKC-Brüder ihren Beitrag leisten, handelt es sich nur auf dem Papier um ein Solo-Album: Neben deutschen ertönen englische, französische und arabische Zeilen.

HKC - 210N
HKC 210N
Kopfnicken mit Hirn auf Sparflamme.
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Ein geplantes Album mit dem Titel "Ground Zero" kommt über den Status "Coming Soon" offenbar nicht hinaus. Auf dem Yo Mama-Sampler "Hamburg Lädt Ein" von 2006 ist Dr. Knarf dafür mit der Dicke-Eier-Nummer "Heute Nacht" markant vertreten. Wahrhaft durchstarten soll er aber erst im Jahr darauf. Irgendwann muss dem konstanten Output von 150 bis 200 Tracks im Jahr ja auch Rechnung getragen werden. Parallel zu seinem Abitur stürzt er sich in die Arbeit an seinem neuen Album "H.K.I.C".

Im Zuge dessen fällt allerhand überschüssiges Material an, um das es bitter schade gewesen wäre: Dr. Knarf sammelt die Crème seiner unter den Tisch gefallenen Tracks aus den Jahren 2005 bis 2007 zusammen und wirft als Anheizer für das ins Haus stehende Album Mitte Juni das "Ta$h Mixtape" unters Volk. Auf eigene Faust geschrieben, eingerappt und produziert, holt sich Dr. Knarf lediglich Unterstützung von Kollegen von HKC. Einen Beat steuert Blackouts Dash bei, der unter anderem auch bereits für Ghostface Killah und MIMS tätig war, und der auch zu "H.K.I.C" seinen Beitrag leisten soll.

Bis 2015 erfährt die "Ta$h"-Mixtape-Reihe noch zwei Fortsetzungen. Dr. Knarf veröffentlicht solo oder mit seiner Crew und kollaboriert mit den unterschiedlichsten Kollegen. Die breiteste Öffentlichkeit beschert ihm jedoch seine Teilnahme am VOX-Format "Cover My Song" 2009, bei dem er Songs mit Ingrid Peters tauschte.

Der eigenen Forderung "Bleib In Bewegung" kommt Dr. Knarf jedenfalls nach, bis seine Umtriebigkeit Anfang Februar 2017 ein ebenso jähes wie hässliches Ende findet. Statt, wie geplant, sein Album "Prometheus" zu veröffentlichen, trägt der Rapper bei einer Gasexplosion in seinem Studio in der Kölner Innenstadt schwerste Verletzungen davon. Er liegt mit schweren Verbrennungen im Koma, Gerüchten zufolge hat er bei dem Unfall beide Hände verloren.

Fast drei Jahre bleibt es still um Dr. Knarf, gelegentliche Nachfragen nach seinem Zustand führen ins Leere. Das ändert sich erst Ende 2019: Knarf meldet sich per Videostatement selbst zu Wort, um "bisschen Klarheit ins Dunkel zu bringen". "Ich bin noch am Leben, die Hände sind noch dran", stellt er klar.

Der sichtlich gezeichnete Mann im Rollstuhl erzählt allerdings auch weniger Erfreuliches: Über 40 Prozent seiner Haut seien verbrannt, er habe nach seinem Unfall drei Monate im Koma gelegen, in dieser Zeit vier Schlaganfälle durchlitten und sei gelähmt aufgewacht. Bei einer Kopf-OP mussten Teile des Schädelknochens entfernt werden, noch immer ist eine Körperhälfte gelähmt.

"Ich habe Fehler gemacht", räumt er ein, äußert sich aber nicht weiter zu seinen Verfehlungen, mit denen sich zu gegebener Zeit die Justiz befassen muss. Dr. Knarf befasst sich unterdessen mit seinem vor drei Jahren versprochenen Album: "Prometheus kommt 2020." Angesichts der Schwere der Verletzungen, die sein Urheber davon getragen hat, wäre das das nächste kleine Wunder in dieser unerfreulichen Geschichte.

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HKC - 210N: Album-Cover
  • Leserwertung: Punkt
  • Redaktionswertung: 3 Punkte

2012 210N

Kritik von Dani Fromm

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