5. November 2014
"Berliner Rap ist ziemlich poppig geworden"
Interview geführt von Laura SprengerUnausgeglichen, unzufrieden und badend im Selbstmitleid: Klingt nach typischen Mittzwanzigerproblemen. Errdeka erzählt, wie man aus der Masse derer, die diese Themenfelder beackern, heraussticht (oder eben nicht), was ihn antreibt, warum er sich für Prinz Pis Label entschieden hat - und wie es sich mit Vorschusslorbeeren lebt.
Juice-Cover, Splash!-Auftritt: Was fehlt da noch? Richtig, ein Album von Errdeka. Das gibt es seit kurzem, es heißt "Paradies". Im Sommer 2013 entschied sich der Newcomer für Prinz Pis Label Keine Liebe. Der Augsburger verrät uns seine Beweggründe, warum er im Moment eher unproduktiv ist und wieso er trotz des Hypes lieber nicht nach Berlin ziehen möchte.
Dein Album heißt "Paradies". Wie sieht dein persönliches Paradies aus?
Paradies bedeutet für mich, dass ich irgendwann mit mir im Reinen bin, sorgenfrei lebe und alles habe, was ich brauch'. Also genug Geld zum Leben, eine nette Lebenspartnerin und dass mein Umfeld immer noch cool mit mir ist.
Du hattest dieses Jahr einen Auftritt auf dem Splash! und ziertest das Juice-Cover, noch bevor dein Album erschien. Setzen dich diese Vorschusslorbeeren unter Druck?
(Überlegt) Nein, das ist für mich eher eine Bestätigung, dass ich bisher Gutes abgeliefert habe. Vor "Paradies" war ich mir nicht ganz sicher, ob das alles so cool ist, aber durch das positive Feedback ist der Druck fast schon verschwunden. Beides gehört auf jeden Fall zu meinen Highlights 2014.
"Paradies" legt den Grundstein deines späteren Musikerdaseins. Wie stellst du dir das vor?
Es wäre schön, wenn man das voraussagen könnte. Aber wahrscheinlich werde ich einfach weiterhin die Musik machen, auf die ich Bock habe. Was mit meiner Karriere passiert, davon lasse ich mich überraschen. Ich habe kein festes Ziel vor Augen, sondern lasse erstmal alles auf mich zukommen. Was die Musik angeht, bin ich ziemlich offen: Ich lege auch Techno auf und habe früher viel Metal gehört. Ich finde es gut, wenn man verschiedene Einflüsse in seiner Musik, vor allem den Beats, verarbeitet.
Wie würdest du das Klangbild von "Paradies" beschreiben?
Von den Beats her ist es relativ weitflächig und melancholisch, es geht in eine ziemlich deepe Richtung. Dazu gibts aber diese typischen Kopfnicker-Hip Hop-Drums.
Irgendwo hab' ich über dich gelesen, du seist ein "typischer Mittelstandsrapper mit düsterer Weltanschauung". Davon gibts relativ viele. Was unterscheidet dich von der Masse?
Eigentlich habe ich keine besonderen Ambitionen, mich von der Masse abzuheben. Ich versuche einfach, meine Gefühle in musikalischer Form wiederzugeben. Ich bin halt kein Happy-Mensch, der sich freut, wenn die Sonne scheint, sondern eher der nachdenkliche Typ. So entsteht auch meine Musik. Ich habe mich also nicht mit Absicht in diese Sparte eingereiht.
Mich hat das Album ehrlich gesagt stellenweise an Casper erinnert. Betrachtest du das als Kompliment? Oder willst du nicht verglichen werden?
Es stört mich nicht wirklich, aber ich finde es immer schwierig, Vergleiche zu ziehen. Man weiß ja nie, aus welchen Gründen jemand Musik macht. Ein Casper-Vergleich ist aber auf jeden Fall nichts Schlechtes, denke ich (lacht).
"Der Selbstmitleid-Flavor tut meiner Musik gut"
Die Songs hast du während einer Zeit geschrieben, in der du "unausgeglichen und unzufrieden" warst. Kannst du nur Texte schreiben, wenn es dir mies geht?
Ich sag' mal so: Wenns mir schlecht geht oder ich irgendwelche Probleme habe, bin ich am kreativsten. Wenn alles gut ist, weiß ich nicht wirklich, über was ich schreiben soll, da fällt mir einfach nichts ein. Dieser Selbstmitleid-Flavor tut meiner Musik auf jeden Fall gut, habe ich festgestellt (lacht).
Das bedeutet also, jetzt, wo das Album fertig ist und du wahrscheinlich ziemlich glücklich bist, schreibst du nicht?
(Lacht) Momentan ist es wirklich so, dass alles passt. Deswegen schreibe ich tatsächlich kaum Texte. Ich versuche es zumindest, aber es kam bisher nichts Krasses dabei raus. Ich habe gerade auch einfach viel im Kopf und bin leider nicht so frei für neue Einflüsse.
Das Album kommt ganz ohne Features aus. Wolltest du das so oder hat sich einfach nichts ergeben?
Wahrscheinlich hätte sich schon irgendetwas ergeben. Ich wollte aber keine Features auf dem Album haben, weil es mein erstes, richtig persönliches Ding ist. Wenn man krampfhaft versucht, irgendwelche Features zu klären, nur damit man sagen kann, da ist der und der drauf, entspricht das nicht meiner Auffassung von Musik. Generell schließe ich Features aber nicht aus, es kommt nur darauf an, ob der Featuregast zu mir passt. Wer das wäre, weiß ich aktuell noch nicht. Deswegen gibt es ja auch keins (lacht). Mal schauen, welche Rapper in Zukunft so aus dem Boden schießen.
Wie wichtig ist dir, dass sich Gleichaltrige mit deinen Texten identifizieren können?
Das ist mir ziemlich wichtig. Vor "Paradies" habe ich andere Musik gemacht, und die haben eher jüngere Leute gehört, beziehungsweise habe ich nur deren Feedback bekommen. Deshalb hatte ich den Anspruch an mich selbst, dass auch Leute in meinem Alter die Musik checken und vielleicht sogar gut finden.
Was sind in deinen Augen die typischen Probleme eines, sagen wir, Dreiundzwanzigjährigen?
Das sind so Dinge wie Rastlosigkeit, Aussichtslosigkeit und Ziellosigkeit. Man weiß nicht, wohin es geht, und macht sich zu viele Gedanke. Man schwebt zwischen "Soll ich komplett auf alles scheißen und mich gehen lassen?" und "Soll ich Verantwortung übernehmen und spießig werden?"
Du bist gelernter Grafikdesigner und nutzt das auch für deine Musik. Wie wichtig ist dir Äußeres, auch in Bezug auf Klamotten oder Tattoos?
So etwas beschäftigt mich schon. Aber ich habe auch eine bestimmte Grenze: Wenn etwas zu trendmäßig rüberkommt, will ich eher nicht mitmachen. Also nur weil ein Rapper in einem Video irgendwelche Sneakers trägt, muss ich die nicht unbedingt haben. Klamotten sind mir aber bis zu einem gewissen Punkt ziemlich wichtig und Tattoos find' ich eh geil. Die meisten haben eine Bedeutung, ein paar sind aber auch nach dem Motto "Ich will mich einfach weiter vollhacken" entstanden (lacht).
"Ich freu' mich jedes Mal auf zu Hause"
Das Album ist über Prinz Pis Label erschienen. Dir lagen aber wohl noch andere Angebote vor. Warum hast du dich letztlich für Keine Liebe entschieden?
Ich war schon immer Prinz Pi-Fan und mag es auch, wenn man versucht, möglichst viel selber zu machen. Diesen Independent-Flair. Ich habe mich mit den Leuten getroffen, und die waren alle super sympathisch. Dann habe ich mir angeschaut, wie dort alles läuft. Im Endeffekt war es einfach die beste Entscheidung.
Bisher kennt man hauptsächlich die Musik deiner Eyeslow-Crew. Wie gehts damit weiter?
Das ist im Moment natürlich ein bisschen in den Hintergrund gerückt. Mal schauen, was man da noch machen kann. Das wird aber weiterhin eher auf Mixtape-Basis laufen. Damit, dass ich erstmal solo unterwegs bin, sind alle cool. Die sind eh nicht die übertriebenen Rap-Heads. Das sind einfach meine Homies, und wenn die mal wieder Bock auf Mukke machen haben, mach' ich was mit denen.
In deinem Abibuch steht, du hast den ganzen Tag vor dem PC gesessen und Counter Strike gezockt. Warst du der klassiche Nerd?
Nee, das war nur eine Phase von mir. Ich hab' halt ein bisschen mit meinen Kumpels gezockt, aber es war nicht so, dass ich meine halbe Jugend damit verbracht habe (lacht). Im Prinzip war ich ziemlich normal unterwegs.
Zu der Zeit hast du neben Nu Metal und elektronischer Musik auch Berliner Untergrundrap gehört. Wie siehst du die aktuelle Hip Hop-Szene im Vergleich zu damals?
Das ist alles ziemlich poppig geworden. Ziemlich viele Leute machen diesen popmäßigen Rap und nicht mehr diesen straighten Draufgänger-Rap. An sich gibt es hier aber immer noch coole Leute.
Mit 17 Jahren hast du dann selbst mit Rap angefangen. Was hat dich angetrieben?
Auf jeden Fall die Musik, die ich damals gehört habe. Royal TS, Frauenarzt, Berlin Crime ... das fand ich fett. Irgendwann habe ich versucht, das auch zu machen. Dass ich damit irgendwann kommerziellen Erfolg haben könnte, habe ich eigentlich nie richtig gemerkt. Ich hab' Musik für mich und meine Homies gemacht, bis dann jemand kam, der meinte, das könne man auch anders vertreiben.
Du wohnst noch in deiner Heimatstadt Augsburg. Keine Lust, nach Berlin zu ziehen?
Die Pendelei ist schon anstrengend und der Berlin-Gedanke ist auf jeden Fall da, aber momentan bleibe ich in Augsburg. Da wohnen meine wichtigsten Leute und meine Familie. Es ist immer schön, in Berlin zu sein, aber ich freue mich danach jedes Mal auf zu Hause.
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Errdeka - ich liebe Lebensmittel