13. September 2017
"Josh Homme wirfst du nicht einfach aus dem Studio"
Interview geführt von Markus Brandstetter15 Minuten mit Chris Shiflett, Pat Smear und Nate Mendel, das heißt: 15 Minuten Gesprächszeit mit einer der bekanntesten Rockbands der Welt. Selbst wenn Dave Grohl der uneingeschränkte Bandboss ist, darf sein Hofstaat frei sprechen. Davon macht das Trio dann auch ausführlich Gebrauch.
1. Dave Grohl holt die restlichen Foo Fighters in seine Garage und nimmt ein Album auf ("Wasting Light"). 2. Dave Grohl holt die restlichen Foo Fighters in berühmte Studios verschiedener US-amerikanischer Städte, die er irgendwann alle selbst aufkauft und nimmt ein neues Album auf und macht dazu eine HBO-Dokumentation. ("Sonic Highways") 3. Dave Grohl möchte ein eigenes Studio bauen, in dem er ein 20.000 Mann/Frau starkes Publikum zur Albumproduktion lädt, was er aber sein lässt, weil PJ Harvey so etwas ähnliches schon gemacht hat, und ein Mann seines Kalibers schließlich Pionierarbeit leisten möchte (angeblich so passiert beim neuen Album "Concrete And Gold").
Fast könnte man ja glauben, die Foo Fighters (zumindest His Grohlness) fänden es langweilig, ein Album auf ganz normalem Wege in nur einem Studio aufzunehmen. Schlussendlich entstand "Concrete And Gold" dann doch recht regulär an einem einzigen Ort – den beliebten und stets gut frequentierten EastWest-Studios in Los Angeles. Dort gab Grohl in den Aufnahmepausen den Grillmeister und lud die eine oder andere Band zum Barbecue ein, manchmal verirrten sich auch Kollegen wie Paul McCartney (u.a. bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Kanye West und Rihanna, diesmal als Schlagzeuger tätig), Justin Timberlake oder Shawn Stockman von Boyz II Men ins Foo-Studio.
Weil die Band gerade beim Lollapalooza in Berlin aufgetreten ist und man dadurch ja ohnehin schon in der Hauptstadt weilte, luden die ausgesprochen gut gelaunten Rock-Dinos zum Gespräch in ein Nobelhotel nahe dem Bahnhof Zoo. Wir hatten das Vergnügen mit Pat Smear (Gitarre, siehe auch: The Germs), Chris Shiflett (Gitarre) und Nate Mendel (Bass) zu sprechen - und die drei waren definitiv zu Scherzen aufgelegt.
Ihr wolltet für "Concrete And Gold" ein eigenes Studio bauen und vor Publikum aufnehmen - weil das PJ Harvey aber bereits getan hatte, habt ihr es doch bleiben lassen.
Pat Smear: Das mit PJ Harvey wusste ich nicht – aber ich weiß, dass so so einen Plan gab, aber es jemand schon gemacht hatte. Also vielen Dank, PJ Harvey!
Chris Shiflett: Ich weiß nicht, wie viele Leute wirklich wissen, was die ursprüngliche Idee war. Ich weiß auch nicht, was PJ Harvey gemacht hat, und ob es wirklich das war, was Dave ursprünglich vorhatte. Zudem habe ich keine Ahnung, wie viel er schon darüber erzählt hat, ich möchte da keine Überraschung verderben. Das könnte nämlich unser nächstes Album werden. Ich möchte nicht versehentlich eine Sensationsmeldung loslassen.
Pat Smear: Was hat sie genau gemacht?
Harvey hat für ihr Album "The Hope Six Demolition Project" die Aufnahmen als Teil einer Kunstinstallation für ihr Publikum zugänglich gemacht.
Smear: Okay, das ist ähnlich.
Nate Mendel: Das ist nahe dran.
Shiflett: Naja, so nahe dran ist es auch wieder nicht eigentlich.
Smear: Wir müssen noch rausfinden, wie man das macht.
"Dave ist ein guter Grillmeister"
Ihr habt in der Vergangenheit in Daves Garage aufgenommen, seid durch verschiedene berühmte Studios getingelt.
Mendel: Manche davon waren sogar tatsächlich Studios!
Dieses Mal seid ihr aber in einem Studio geblieben. Wie war das für euch – und stimmt es, dass die Sessions oft in Barbecue-Sessions mündeten?
Shiflett: Ja, es wurden echt oft Grillabende daraus. Dave ist ein überraschend guter ... wie nennt man das? Grillmeister? Barbecueist? Er kann das echt. Die Ironie ist, dass der Prozess eigentlich derselbe war, obwohl sich das auf Papier ziemlich anders liest. Es begann mit "Wasting Light", als wir anfingen, uns einfach immer nur um einen Song zu kümmern, bevor der nächste an die Reihe kam. Logistisch macht das natürlich einen großen Unterschied, in verschiedenen Städten aufzunehmen. Der Prozess an sich ist aber gleich. Dieses Mal hatten wir einen andere Produzenten, einen anderen Engineer, ein anderes Team, einen anderen Sound. Das Album ist ganz anders. Aber der Prozess an sich war trotzdem gleich.
Smear: Zudem ist der Prozess ein Betriebsgeheimnis.
Shiflett: Ja, ich darf also keine Einzelheiten preisgeben.
Dabei ist das Narrativ gerade bei den letzten beiden Alben ein großer Teil der Sache gewesen. Findet ihr, dass dem zu viel Bedeutung beigemessen wird?
Smear: Nein.
Nate Mendel: Ich glaube, beim nächsten Album setzen wir nicht mehr auf laterale Bewegung sondern auf Höhenunterschiede. Inwieweit beeinflusst Höhe den Sound?
Shiflett: Das haben wir im 16. Stock aufgenommen, könnt ihr das nicht am Raumklang hören?
Smear: Ein Interviewer hat gesagt: "'Sonic Highways' war für euch eine Liebesgeschichte an die amerikanische Musik. Das neue Album klingt hingegen sehr britisch." Das war erstaunlich.
Findest du, dass es stimmt?
Smear: Ich kann das nicht beurteilen. Aber mir fiel auf: Wow, "Sonic Highways" klingt tatsächlich sehr amerikanisch. Sogar die Akkordwechsel fühlen sich irgendwie amerikanisch an. Bei diesem Album kann ich das noch nicht sagen.
Wenn es Zeit für ein neues Album wird: Wie geht ihr da ran?
Mendel: Wir arbeiten einfach an Songs. Niemand außer Dave weiß zu Beginn, was die Vision ist.
Shiflett: Ich glaube, als wir mit den Demoaufnahmen begonnen haben, hatte noch nicht mal Dave eine Vision. In der Band funktioniert das so: Wenn Dave Feuer und Flamme ist, dann kommen wir zusammen, und er steckt uns an. Wenn es nicht so ist, gibt es für uns keine Arbeit. Wir hatten alle eine nette Pause und als die Mail von ihm kam, dass es wieder an der Zeit für Demos sei, gings für uns alle wieder los. Das Narrativ kommt erst später dazu. Am Anfang haben wir nur gehofft, dass wir etwas anderes machen würden. Eine der Anweisungen war: Bringt dieses mal anderes Equipment. Aber erst ein paar Monate später, als Greg [Kurstin, Produzent – Anm. d. Verf.] dazu kam, bemerkten wir, was das für die Platte bedeuten würde.
Was meinte Dave mit "anderes Equipment" genau? Dass ihr nicht das Zeug mitbringen sollt, das ihr auf "Sonic Highways" verwendet habt?
Shiflett: Er meinte einfach, wir sollen nicht unsere Gitarren bringen, mit denen wir sonst spielen, sondern andere Gitarren- und Bassrigs.
Smear: Andere Gitarren, andere Amps. Als Ausgangspunkt. Es war sogar schon zu Beginn anders als sonst. Aber erst als wir den Song "Concrete And Gold" aufnahmen, und Sean reinkam und mit seinem Gesang alles veränderte, war das Konzept klar: Okay, wir müssen also alles SO gut machen.
Ihr habt euch die Messlatte also während des Prozesses erst gesetzt.
Smear: Ganz genau, irgendwann nach drei Songs.
"Timberlake hat uns groß gemacht"
Ich nehme an, euch ist euer Status als eine der größten Rockbands durchaus bewusst. Wie geht ihr mit den Erwartungen um?
Smear: Hey, warte mal, warte mal, wir doch nicht!
Shiflett: Klar hofft man, dass es den Leuten gefallen wird. Vor allem bei dieser hier, die jetzt rauskommt, wir werden es ja bald herausfinden. Für uns klingt sie ziemlich anders. Ich sitze zwar nicht den ganzen Tag rum und grübele, aber natürlich möchte ich, dass sie gut ankommt. Bis jetzt tut sie das anscheinend.
Mendel: Die meiste Zeit tut man eben, was man tut und versucht, das Ding nicht in den Sand zu setzen. Aber da gibt es Momente, Glastonbury vor ein paar Monaten ist da ein gutes Beispiel, dieses geliebte, historische Festival. Da wollten wir schon, dass es gut wird, und man will am nächsten Tag zurückblicken und sagen: 'We slayed it!' Da ist der Druck durchaus unangenehm. Oder nicht?
Shiflett: Doch, völlig richtig. Wir haben ja schon viele große Shows gespielt, aber bei keiner wurde das so hochgeschaukelt. Bei jedem Interview wurdest du gefragt: "Na, Glastonbury, seid ihr bereit?"
Smear: Jetzt verstehe ich erst, wie groß das Ding ist.
Vor ein paar Monaten beschrieb Dave die Platte als "Motörhead feat. Sgt. Pepper's", zumindest wollte er die Platte so haben.
Smear: Ich habe das Zitat gelesen und dachte: "Ist nicht irgendwie jedes Foo-Fighters-Album so?" Es trifft bei uns doch immer Hardcore auf Punk und Pop. Das ist einfach, wo wir herkommen.
Ihr habt ja auch interessante Gastmusiker, zum Beispiel diesen einen Beatles-Typen mitspielen lassen.
Shiflett: Eigentlich haben wir ihn ja eher darum gebeten.
Smear: Ach, da hat schon wieder jemand Paul reingelassen?
Shiflett: Jetzt ist der schon wieder hier, was machen wir? Lassen wir ihn halt Schlagzeug spielen.
Mendel: Dave ist mit Paul gut befreundet. Er hat ihn einfach angerufen.
Smear: Wir nennen das einen Bro-Deal.
Shiflett: Wir haben schon mehrmals mit ihm gespielt. Er war uns das bitteschön schuldig.
Und die Sache mit Justin Timberlake?
Shiflett: Bro-Deal! Timberlake hat uns erst groß gemacht. Nein, er nahm im selben Studio auf. Ich bin etwas enttäuscht, denn ich war zu dem Zeitpunkt gar nicht in der Stadt. Ich habe ihn also nie zu Gesicht bekommen.
Smear: Ich glaube, da warst du gerade auf Tour.
Mendel: Ich hatte auch keine Timber-Time.
Zu einer lustigen Geschichte, die die Runde machte: Dave soll, sagen wir mal, leicht angetrunken ins Studio von Queens Of The Stone Age gestolpert sein.
Shiflett: Nur gaaanz leicht angetrunken. (lacht)
Smear: Josh stolpert ja auch die ganze Zeit bei uns ins Studio rein, und auch er hat manchmal einen sitzen.
Shiflett: Das Problem bei Josh ist, dass du den nicht aus dem Studio werfen kannst. Wen sollte man damit auch beauftragen? "Hey, kannst du bitte mal ins Studio kommen und Josh sagen, dass er gehen soll?"
Mendel: Ich stelle mir das lustig vor: "We're done here, Bro. Zeit zu gehen".
Smear: Unsere Studios waren auch nur wenige Blocks voneinander entfernt.
Shiflett: EastWest ist so aufgebaut, dass mehrere Studiolounges nebeneinander liegen. Man fühlt daher den Vibe von anderen Bands. Unsere Tür habe ich kein einziges Mal geschlossen gesehen. Wir kamen immer zum selben Spot und dort trifft man halt einige Leute. Manche Künstler sind natürlich ganz anders, völlig organisiert, aber bei uns war das die meiste Zeit eine riesengroße Shitshow!
Ich sitze ja hier mit drei Vierteln der Foo Fighters-Saitenfraktion. Bei drei Gitarristen: Gibts da eine Aufteilung, die sich etabliert hat?
Shiflett: Ich spiele ausschließlich ab dem zehnten Bund, Dave alles darunter.
Smear: Wir sind alle ganz unterschiedliche Gitarristen und haben alle einen anderen Sound. Wir machen einfach unser Ding und schauen, ob wir damit durchkommen. Wenn niemand sagt: "So nicht!", dann haben wir das gut hinbekommen.
Shiflett: Auf jedem Foo-Fighters-Song sind doch 700 Gitarrenspuren. Da gibt es also genug Gitarrenparts für jeden.
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