27. März 2023

"Die Rap-Delivery war die größte Herausforderung"

Interview geführt von

Als GLU veröffentlichte Michael Shuman gerade die EP "My Demons", auf der er mit Phantogram-Sängerin Sarah Barthel kooperiert. Im Interview spricht er über den Alleingang und seine Bands Mini Mansions und Queens Of The Stone Age.

10 Uhr morgens in Los Angeles: Michael Shuman schaut wach und entspannt in die Kamera, während auf meiner Seite die Audiospur versagt. Nach einem erneuten Anruf funktioniert zum Glück alles reibungslos und es kann losgehen. Shuman nutzte die Pause seiner Hauptband Queens Of The Stone Age für ein neues Soloprojekt. Unter dem Namen GLU veröffentlichte er vor kurzem die EP "My Demons". Mit seinen neuen Songs ist er derzeit in Europa als Support von The Blue Stones zu sehen: In Köln (29.3., Gebäude 9), Berlin (8.4., Frannz), München (10.4., Strom) und Wien (11.4., Fluc).

Leute in Deutschland bzw. Europa, die dich nur als Bassist der Queens kennen, dürften sich wundern, wenn sie dein neues elektronisches Projekt GLU hören. Wie lief die Entstehung dieser Songs ab?

Ich hasse es, das zu sagen, weil es so ein Klischee ist, aber es war tatsächlich ein reines Lockdown-Projekt. Nur ich, mein Hund und mein Equipment. Ich hatte schon länger vor, neue Songs zu komponieren und dann hatte man plötzlich alle Zeit der Welt und ich zum Glück mein eigenes Studio zuhause. Der größte Unterschied zu früher war, dass ich lange am PC rumgesessen bin und mir ein paar Programme draufschaffen musste. Ich meine, ich bin es gewohnt, im Studio zu stehen und ein Riff zu spielen. Das mache ich schon ziemlich lange. Aber ich bin jetzt 37, es war mal an der Zeit für etwas anderes.

Wir hatten 2018 schon mal miteinander gesprochen, als ihr die Mini Mansions-EP "Works Every Time" veröffentlicht habt. Damals meintest du, es sei eine Herausforderung, einen Bandvibe aufrecht zu erhalten, wenn die drei Bandmitglieder über die halbe Welt verstreut wohnen. Hat die Pandemie deine Meinung diesbezüglich geändert?

Okay, mit den Mini Mansions lief es tatsächlich auch schon so, dass wir uns die einzelnen Parts hin- und hergeschickt haben, insofern war ich auf die Pandemie sozusagen bestens vorbereitet. Für die Platte damals haben wir uns am Ende zwei Wochen getroffen und alles eingespielt. Es stimmt natürlich, ein richtiger Bandvibe kommt dadurch schwer zustande. Aber das habe ich ja bei den Queens, insofern war es für mich diesmal auch neu, alles ohne Rücksprache und auf mich allein gestellt fertig zu bringen. Vor ein paar Jahren hätte ich dir gesagt: Dude, eine Band gehört zusammen in ein Studio. Aber die Erfahrung der letzten Jahre war künstlerisch auch interessant. Es geht eben nichts über Abwechslung.

Mit "Guy Walks Into A Bar" erschien nach der EP 2019 auch noch ein Album von euch. Wäre ohne die Pandemie anstatt GLU ein weiteres Mini Mansions-Album erschienen?

No way, das Thema war durch. Wir sind danach immerhin noch auf Tournee gewesen, ein paar einzelne Shows, aber meistens Festivals und Support-Shows für Muse. Danach ging jeder seiner Wege.

Wie hat sich die Platte denn verkauft? Für meinen Geschmack wäre da sehr viel mehr möglich gewesen, weil da tolle, auch radiotaugliche Popsongs drauf sind. Das ging zumindest hierzulande unter. Oder lief es in England oder anderswo für euch besser?

Haha, es lief überhaupt nicht. Das war schon eine ernüchternde Erfahrung, weil wir auch das Gefühl hatten, hier nochmal einen großen Schritt nach vorne gemacht zu haben. Die Konzerte waren gut, aber die Albumverkäufe fast schon katastrophal. Wir hatten auch nicht gerade das Gefühl, dass das Label sich für uns die Beine ausgerissen hätte. Innerhalb der Band wurde das Kapitel auch sehr schnell abgehakt. Schon ein halbes Jahr später interessierte das Thema kaum noch jemanden. Für mich war es eine Enttäuschung.

Ich liebe Popmusik, ich liebe die Beatles, wir haben uns alle sehr viel Zeit für die Arrangements gelassen und ich finde, diese Platte hatte am Ende wirklich viele gelungene Momente. Nun gut, mit dieser Meinung bin ich ganz offensichtlich in der Minderheit. Und das Beste: Wie sich später herausgestellt hat, gehören uns noch nicht mal die Scheiß Masterbänder des Albums. Die hat sich Universal auch noch gekrallt. Um sie in irgendeinem Keller verstauben zu lassen. Es ist gesünder für mich, da nicht länger drüber nachzudenken und nach vorne zu schauen.

"Als Punk ist es erst mal uncool, Popmusik zu machen"

Elektronische Laidback-Grooves mit großer Pop-Sensibilität und wenig Berührungsängsten mit zarten Balladen kennzeichnen den Sound der Mini Mansions, aber nun auch den von GLU. Wo liegen deiner Meinung nach die Unterschiede?

Früher wollte ich es um jeden Preis vermeiden, in den Texten direkt zu sein und autobiografische Details zu verarbeiten. Ich versteckte mich sozusagen in einem Wald voller Metaphern. Eines Tages machte mich meine damalige Freundin darauf aufmerksam und ich begann darüber nachzudenken. Bis dahin fand ich es immer cool, Ideen oder Geschichten zu verklausulieren, bis man meine reale Person darin nicht mehr wiederfindet. Diese Haltung habe ich teilweise schon auf dem letzten Mini-Mansions-Album aufgebrochen.

Musikalisch ist es ähnlich: Wenn man mit Punk und Hardcore sozialisiert wurde, ist es erst mal uncool, Popmusik zu machen. Das ist ja Mainstream. Diese "punk rock guilt", wie ich es gerne nenne, legt man mit zunehmendem Alter glücklicherweise ab. Das war bei der letzten Mini Mansions-Platte der Fall und jetzt auch. Der größte Unterschied zu damals ist sicherlich meine Herangehensweise mit Beat-Programmierung und meinem Gesang oder wie man es nennen will.

Sprechgesang - im wahrsten Sinne des Wortes. Das klingt zusammen mit der Musik wirklich neu und bringt eine interessante Farbe in die Songs. Ich finde es bemerkenswert, wie natürlich du dabei klingst, wo du doch bisher nur gesungen hast. Ich denke, es ist gerade für einen Künstler aus dem Indie-/Alternative-Bereich ein schwieriger Schritt hin zum Rap.

Ich bin froh, wenn das so rüberkommt. Am Anfang war ich logischerweise sehr unsicher. Wenn du als weißer, mittelalter Typ aus dem Rock-Kontext anfängst zu rappen, solltest du dafür einen verdammt guten Grund haben. Ich mochte Hip Hop schon immer, und als ich den Text für meinen ersten Song "My Demons" schrieb, machte ich mir entsprechend viele Gedanken über die Delivery. Wenn du es für deinen Geschmack authentisch rüberbringst, besteht eine große Chance, dass es anderen auch so geht.

Daher lief es am Ende auch darauf hinaus, dass ich vor allem meine Sprechstimme benutzt habe. Natürlich habe ich die Songs auch Leuten aus meinem Freundeskreis geschickt, bei denen klar war, dass sie mir ungeschminkt ihre Meinung sagen würden. Zum Glück war das Feedback durchweg positiv. Dieses ganze Delivery-Thema war bei GLU auf alle Fälle die größte Herausforderung für mich.

"Im Radio wirst du nicht von alleine gespielt"

Was hat sich bei der Entstehung der Songs im Vergleich zu früher geändert?

Ich nutze seit einer Weile Logic und komme sehr gut damit klar. Die Beats und Keyboards sind am PC entstanden, danach habe ich Gitarre, Bass, Klavier und Drums dazugespielt. Ich wollte bewusst die Art und Weise meines Songwritings verändern. Mir war auch wichtig, dass es am Ende nicht so einen Macho-Vibe bekommt und ich bin daher sehr froh, dass Sarah Barthel von Phantogram Zeit und Lust hatte, auf "My Demons" mit mir zu singen.

Hattest du Vorbilder?

Nicht wirklich. Also ich höre schon gerne Wu-Tang Clan, aber ich denke nicht, dass man das unbedingt heraus hört. Wie gesagt begleitet mich Hip-Hop schon seit meiner Jugend, auch wenn man das meiner Musik nicht anhört. Als Skater Kid in L.A. kam man daran ja kaum vorbei. Ich glaube, es hätte mich eher noch abgelenkt, wenn ich während der Aufnahmen besonders viel Rap gehört hätte. Vielleicht hätte ich das Ganze dann gleich bleiben lassen.

Letztes Jahr hast du in England schon einige Konzerte gespielt, hattest sogar eine Residency in London. Warst du alleine auf der Bühne?

Ja, das war eine coole Gelegenheit für mich, die neuen Songs vorzustellen. Ich wollte es so, nur ich alleine mit meinem Effektpedal in kleinen Clubs, da kannst du dich nicht hinter Fehlern verstecken. Du stehst direkt vor dem Publikum. In London war ich schon etwas aufgeregt, was untypisch für mich ist, aber es waren einige Freunde wie Mike von Royal Blood dort, die mich vorher noch fröhlich antexteten: "Hey Mikey, freue mich auf heute abend, gib alles, wir sehen uns". Da war also klar, dass ich liefern musste. Es war eine gute Erfahrung, gerade weil man direkt vor der ersten Reihe steht und in Gesichter schaut, die man womöglich nach dem Gig noch an der Getränkebar sieht.

Als Musikjournalist vergleicht man ja gerne, aber beim Hören fielen mir spontan keine Vergleiche zu GLU ein außer vielleicht Awolnation. Deren Songwriter Aaron Bruno mixt teilweise auch düstere Elektronik mit mehrstimmigen Chören.

Was ich bisher an Feedback bekam, bezog sich oft auf Phantogram, was sicher damit zu tun hat, dass ich sie auf Tour letztes Jahr supporten durfte. Awolnation habe ich jetzt nicht konkret auf dem Schirm und kenne auch den Songwriter nicht, ich habe nur mal mit jemandem aus der Band gesprochen, was sehr nett war.

Den Namen Miles Kane habe ich im Vorfeld des Interviews auch als Studiogast aufgeschnappt, ist er auch auf der EP zu hören?

Nein, Miles ist nicht dabei, aber wir haben etwas zusammen gemacht. Er ist einer meiner besten Freunde und ich bin einfach froh, dass es geklappt hat. Ich muss selbst mal sehen, wie das jetzt weiter geht. Es war auch eine bewusste Entscheidung, jetzt mit diesem neuen Projekt in EP-Form nach draußen zu gehen. Nach der Erfahrung mit den Mini Mansions und der Pandemie stellt man sich als Künstler ja mehr denn je Fragen bezüglich der Verbreitung. Natürlich will man, dass die eigene Musik wahrgenommen wird. Für GLU hatte ich jetzt das Gefühl, dass es besser ist, mit einzelnen Songs an die Öffentlichkeit zu gehen.

Ist es trotzdem denkbar, ein Album zu veröffentlichen?

Das kann ich im Moment nicht sagen. Dieses Jahr stehen ja auch die Queens wieder auf meiner Agenda. Mit GLU geht es mir erstmal darum, durch Konzerte, die EP und die Songs im Streaming Aufmerksamkeit zu erregen. Sollte sich dafür eine Fanbase finden, ist immer noch Zeit, sich Gedanken über ein Album zu machen. Es ist spannend, Musik im Alleingang zu veröffentlichen, ohne dass ein Label oder ein Manager zwischengeschaltet ist. Deshalb war mir klar, ich muss raus zu den Leuten in die Clubs und diese Lieder spielen. Denn im Radio wirst du nicht von alleine gespielt. Hierfür müsstest du Leute anstellen, die bei den Sendern für dich Werbung machen. Klingt traurig, aber so läuft es.

Dann lass uns noch kurz auf die Queens zu sprechen kommen: Ihr seid ja angeblich wieder im Studio gewesen. Was kannst du uns über neue QOTSA-Songs bzw. eure Band-Pläne in diesem Jahr sagen?

Ich kann bestätigen, dass wir dieses Jahr auf einigen Festivals spielen werden.

Und dort wird es Songs vom neuen QOTSA-Album zu hören geben?

Wenn du das sagst.

Naja, ich war nicht im Studio dabei. Aber du ja vermutlich.

Ja, ich sehe die Jungs ab und zu.

Um mit ihnen ein neues Album einzuspielen?

Das ist deine Interpretation. Lass es mich so sagen: Ich bin Musiker und mache gerne Musik. Neuerdings auch alleine, aber nach wie vor auch gerne mit anderen zusammen.

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