laut.de-Biographie
Kitschkrieg
Spieglein, Spieglein, an der Wand: Wer hat das beste Producertag im ganzen Land? Na, logo: K-k-k-Kitschkrieg, natürlich! Es ist schon verrückt, wie das 2015 gegründete Trio aus Fizzle, Fiji Kris und Awhodat binnen kürzester Zeit so etwas wie der größte Kritiker-Darling der deutschen Musikindustrie wurde. Es gab diese Phase, da wurden sie ohne Not in der Presse als das "beste Hip Hop-Trio" des Landes angekündigt.
Dabei lief ihr Aufstieg gar nicht so linear. Mehr noch: Zu großen Teilen lief ihr Aufstieg absolut gekoppelt an den Rise von einem gewissen Trettmann. Der war in den 2000ern eigentlich noch Ronny Trettmann, ein Comedy-Soundsystem-Artist, der sich über deutsche Reggae-Kultur lustig gemacht hat. 2016 ist der schon über vierzig, ein Veteran im Game mit erlesenem Geschmack, aber für den Durchbruch - so denken zumindest alles - längst zu alt.
Bis Kitschkrieg daherkommen, das Potential sehen und eine Furie an EPs auf Deutschland loslassen, die Trettmann als den unwahrscheinlichsten Protagonisten der Cloud Rap-Ära etablieren. Es ist die Mischung aus der extremen handwerklichen Kompetenz, dem weitreichenden Musikgeschmack und dem Gegenmodell zur jugendlichen Ignoranz, durch den Kitschkrieg und Trettmann das Game sofort beherrschen, sich aber doch darin einfühlen können. Spätestens, als das Tape "#DIY" erscheint, bricht ein amtlicher Hype aus.
Auch, wenn Kitschkrieg bis dato vor allem an der Seite Trettmanns rezipiert werden, machen sie auch sonst fleißig Musik und sind sehr plugged in mit den interessanten Stimmen der Zeit. Haiyti wird eine Kollaborateurin, die schlicht Sinn ergibt. Songs wie "Ein Messer" werden andauernde Klassiker ihrer Diskographie.
2018 veröffentlichen sie eine Single als Lead-Artist, der diesen Moment der Zeitgeschichte besonders definieren wird. "Standard" ist ein amtlicher Megahit, der irgendwann auf über 150 Millionen Spotify-Streams sitzen wird. Sie schaffen den Sprung von den Trap-Weirdos hin zum Straßenrap und umgegeben sich neben Trettmann auf einmal mit Gzuz, Bonez MC, Gringo44 - und haben auch ihre Finger mächtiger in der Post-"Palmen Aus Plastik"-Szene im Spiel.
Die Idee eines eigenen Albums kommt nach dem Megaerfolg von "Standard" zwar schnell auf, aber sie sagen selbst - damit haben sie sich ein bisschen verhoben. Basierend auf einer iTunes-Bibliothek voller Wunschfeatures bauen sie sich eine Tracklist zusammen. Es dauert zwar noch mehrere Jahre, bis 2020 ihr selbstbetiteltes Debüt "Kitschkrieg" auf den Markt kommt, aber immerhin rennen sie auch bei den größten Artists des Landes inzwischen offene Türen ein. Cro, Annenmaykantereit, Peter Fox, wen sie haben wollen, den holen sie auf das Tape. Selbst kontroverse Acts wie 187 Strassenbande-Chef Gzuz und den in Jamaica wegen Mordes sitzenden Vybz Cartel kriegen sie.
Aber die Tage können nicht immer rosig sein, und so laufen sie gegen Ende der Zehnerjahre ein bisschen in einen Sumpf. Mit Trettmann arbeiten sie weiter, die Inspiration quillt aber nicht mehr so sehr wie zuvor. Die Alben "Trettmann" und "Insomnia" machen sie zusammen, zweiteres durch den Lockdown, aber man merkt, dass diese Urflamme langsam erlischt. Trettmann geht seinen eigenen Weg, also müssen Kitschkrieg das auch tun. Aber wie, wenn man als Producer nicht die massivste Plattform hat?
Kitschkrieg dürften sich an diesem Punkt 2023 denken, dass sie sich jetzt auch nicht mehr um das große Rampenlicht in Deutschland reißen müssen, wenn sie die Szene hier womöglich eh schon durchgespielt haben. Also wagen sie 2023 erstmals den Sprung über den großen Teich. In einjährigem Abstand veröffentlichen sie erst "German Engineering" und "German Engineering Zwei", Producer-Tapes, auf denen sie mit verschiedenen internationalen, vorzugsweise amerikanischen Artists arbeiten. Ob ihnen der Sprung nach Übersee glückt, weiß man nicht - aber es spricht ja erneut für sie, was für Mengen an Künstler*innen sie da jedes Mal versammelt bekommen.
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