laut.de-Kritik

Uninspirierte Amirapper schaulaufen zu soliden deutschen Beats.

Review von

Irgendwie ist es drollig, dass dieses Album existiert. Das klingt gemein, oder? Auch, wenn Kitschkrieg nie den zunächst erwarteten Sprung zum eigenen Album-Artist geschafft haben, gehören sie doch zu den fest etablierten Marken des deutschen Producings. Warum also nicht auch einmal über den großen Teich schielen? Mir klingt es zumindest plausibler, dass man einem Ami einen Kitschkrieg-Beat schmackhaft machen könnte, als das was Beatzarre und Djorkaeff in den letzten Jahren so verbrochen haben.

"German Engineering Zwei" ist also der nächste Anlauf, in Form von einer albumlangen Kollabo mit verschiedenen kontemporären Amirapper*innen ein bisschen in Übersee für sich zu werben. Grundsätzlich macht es das auch nicht verkehrt. Für das Album spricht eine kohärent minimalistische, atmosphärische Klangpalette, die wieder ein bisschen vom Deutschpop-Sellout wegrückt. Trotzdem kommen insgesamt doch eher gemischte Ergebnisse zustande; wie beim ersten Teil liegt das vor allem am immens willkürlichen Grabbag an Artists, den sie da zusammenklauben. Es mag Highlights geben, aber in der Summe wirken die zu oft entweder so, als wüssten sie nicht so recht mit dem Kitschkrieg-Vibe umzugehen - oder als wären sie eh im kompletten Feature-Autopilot.

Nehmen wir uns deswegen doch einmal kurz Zeit, unsere Protagonist*innen einzuführen. Das sind nämlich in der Summe eher unbekannte Namen, das waren es schon auf dem Vorgänger. Geheimtipps, also? Nicht unbedingt. Als der Typ, der jedes Jahr die psychotische Komplett-Lese der XXL-Freshman-Vorauswahl unternimmt, gehöre ich vermutlich zu den zehn Leuten in Deutschland, die letztes Jahr wussten, wer Anti The Menace ist. Aber ich würde deswegen trotzdem nicht sagen, dass die anderen da großartig viel verpasst hätten.

Es gibt zwischen Mainstream und Untergrund noch eine große, weite Ebene, die keins von beiden ist. Nenne wir das den Industriesoldaten-Limbo. Das ist die Legion an trendy, zeitgemäßen Rapperinnen und Rappern, die auf Basis von ein bisschen lokalem Buzz mal in die zweite Reihe von irgendwelchen Labels gesignt wurden, in der Hoffnung, dass sie sich schon selbst über TikTok oder so promoten würden. Wenn diese Hoffnung sich nicht erfüllt, landen sie auf einem Nicht-ganz-Abstellgleis. Sie machen dann Features ohne Ende, insbesondere untereinander, und hoffen darauf, dass sich irgendwann ein größerer Artist ihrer annimmt.

Hunxho ist so einer. Das ist ein Atlanta-Crooner, der in den vergangenen Jahren extremen Push dafür erfahren hat, so etwas wie Neo-Quavo für eine forciert weibliche Zielgruppe zu sein. Leider klingt sein Versuch, Lil Babys Autotune-Gurgel-Sound zu emulieren, ziemlich oft ziemlich unnatürlich und schlecht. Friiday ist auch so einer, das war eigentlich der Gospel-Sänger auf Young Thugs YSL-Label, bevor er zu so etwas wie dem Darling von amerikanischem Adult-R'n'B-Radio geworden ist. Beide sind nicht per se unerfolgreich, aber beide sind auch nicht nicht die Artists, von denen ich mir große kreative Schübe erhoffen würde.

Entsprechend klingt dieses Album: Die Produktion geht eigentlich total fit. Es gibt sogar ein paar richtig luzide Momente: Wenn Kaliii ihren "ich mobbe Leute mit meiner Hotness"-Film auf dem schnellsten Beat der Platte durchzieht, dann kommt da wirklich etwas zustande. Anyciia mit ihrem gediegenen, ein bisschen einschüchternen Flow schmiegt sich sehr natürlich an das langsam marodierende Stimmungs-Korsett der Producer-Crew. Das macht alles Sinn, das funktioniert.

Aber für den Rest der Platte findet der Xanax-neblige Trübsinn dieser Trap-Artists und Kitschkriegs Lila-Wolken-Pathos einen gemeinsamen Nenner nur in der geteilten Lethargie. Es muss auch komisch sein: "German Engineering" heißt sich dieses Projekt, und es bringt definitiv diese minimale Synth-Kraftwerk-Ästhetik, die Amis bestimmt von uns Brezelbrüdern erwarten. Aber diese extreme Fixierung auf Karibik-Sounds und dubby Dancehall-Rhythmen ist dann vielleicht ein bisschen zu viel des Guten, um als Ami so richtig zu raffen, was hier der Vibe sein soll. Entsprechen rappen die Hunxhos und die Fridayys, aber auch etablierte Namen wie Mariah The Scientist und Future ihre Parts pflichtgerecht runter, ohne große Begeisterung für die Kollabo spüren zu lassen.

Der Sound von Kitschkrieg scheint mir einfach etwas zu spezifisch, um die Amis so richtig abzuholen. Gäbe es doch vielleicht etwas anderes, was die gerade hip finden, mit dem wir Deutschen eventuell providen könnten, denkt man sich noch, da spielt der Album-Closer "Berlin Perm" die gottgegebene Antwort. House! Digga, House! Nach jahrelangem, zögerlichen Annähern gibt es gerade eine lange nicht dagewesene Sehnsucht nach Hip Hop- und House-Kollabos. Dieses Outro macht das mehr der weniger perfekt. Warum nicht mehr davon? Ich bin mir sicher, dass wenn man Amis gerade mit deutschen Produzenten ködern könnte, dann eher mit dem Pitch "legendäre deutsche Producer-Crew macht dich für den Dungeon-Rave fit" und nicht mit dieser komischen, almanisierten Karibik-Sehnsucht. Vor allem, weil Dancehall, Afrobeat und co für die gerade mit deren 2016-Hype im absoluten toten Winkel der Nostalgie-Spirale liegen.

Das nur so nebenbei, die sollen ja offensichtlich die Musik machen, auf die sie Bock haben. Aber es bleibt doch auf beiden Teilen dieser Beat-Alben klar, dass der richtig feurige Funke zwischen Beats und Artists noch fehlt. Aber vielleicht ist da der Fehler auch, weiterhin auf Industriesoldaten zu setzen, statt eine Nummer kleiner zu werben, wo Leute wirklich Bock haben könnten. Die hier sind theoretisch und zahlenmäßig erfolgreich (auch wenn sich niemand in Deutschland je für Hunxho interessieren wird), aber gehören halt einfach zu den letzten Packfillern einer versandenen Welle. Nur, weil die Zahlen gerade stimmen, erwartet niemand von Relevanz einen kreativen Impuls von denen. Wenn "German Engineering Drei" rauskommt, würde ich mir wünschen, dass man weniger bei den Labels anklopft und fragt, wer gerade eh nicht so viel zu tun hat - sondern dass bewusst und zielgerichtet nach wirklich aufregenden Untergrund-Stimmen gesucht wird. Ist ja nicht so, als würde da gerade nicht genug passieren.

Trackliste

  1. 1. Jordan. Go Hard (feat. Hunxho)
  2. 2. 6AM In Germany (feat. Anycia)
  3. 3. Sky High (feat. Anycia)
  4. 4. Pretty Girlz (feat. Fridayy & J.I The Prince of N.Y)
  5. 5. Slow Down (feat. Future, Fridayy & Mariah The Scientist)
  6. 6. Too Fast (feat. Mariah The Scientist & Fridayy)
  7. 7. Chanel (feat. Dess Dior & Hunxho)
  8. 8. What's Tea? (feat. Kaliii)
  9. 9. Bigger Plans (feat. Hunxho)
  10. 10. Berlin Perm

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