"Make my funk the P-Funk / I want my funk uncut.
Make my funk the P-Funk / I wants to get funked up.
I want the bomb, I want the P-Funk /
Don’t want my funk stepped on.
Make my funk the P-Funk / Before I take it home."
(Parliament, "P-Funk")
Am Funk ist nicht zu rütteln, doch schon an der Herkunft des Ps in P-Funk scheiden sich die Geister. Es stehe für "Pure", behauten die einen. Gar nicht wahr, wissen andere besser. "P-Funk" sei lediglich eine griffige Abkürzung für "Parliament-Funkadelic". Unsinn, mischt sich eine dritte Fraktion ein. Funk mit P wie Plainfield, New Jersey sei gemeint.
Lösen wir es salomonisch: Wer sich mit P-Funk einlässt, bekommt es mit den pursten, unverfälschtesten und wahnwitzigsten Funk-Arrangements aller Zeiten zu tun. Die gehen fast ausschließlich auf Parliament, Funkadelic oder Gruppen in deren unmittelbaren Umfeld zurück. Und zahlreiche Protagonisten der Szene stammen tatsächlich aus Plainfield, wo Haupt-Strippenzieher George Clinton, gelernter Frisör, in den 50er Jahren einen Salon betreibt.
P-Funk bewegt sich stets auf der Höhe der technischen Möglichkeiten. Die Spielart des Funk, die sich Soul, Gospel, Rhythm'n'Blues und eine Überdosis psychedelischen Rock einverleibt, setzt neben jazzlastigen Bläsern, den im Vordergrund stehenden Bass und vertrackten Grooves auf massiven Einsatz von Synthesizern, verzerrten Vocals und maschinell generierten Handclaps. Zudem lebt der Stil, der die afroamerikanische Musikszene revolutioniert, von der untrennbaren Verbindung zwischen Musik und der enthaltenen, mehr oder weniger subtil vorgetragenen Botschaft: "Free your mind, and your ass will follow!"
Die Saat, aus der P-Funk erwachsen soll, wird 1955 ausgebracht. Dann nämlich gründet George Clinton in seiner Heimatstadt Plainfield das Doo-Wop-Quintett The Parliaments, ein stark im konventionellen Soul verwurzeltes Ensemble. 1960 verspricht ein Umzug nach Detroit, in den Dunstkreis des die Schwarze Musik zu diesem Zeitpunkt dominierenden Labels Motown, einen Karriereschub. Dafür brauchen (und beweisen) The Parliaments allerdings langen Atem: Den ersten Hit verzeichnen sie erst 1967 mit "(I Just Wanna) Testify".
In den musikalischen Vorlieben der Herren um George Clinton vollzieht sich über die Jahre jedoch ein radikaler Wandel. Der Kontakt mit der Hippie-Szene, mit Drogen, der Musik von Jimi Hendrix, Sun Ra, Sly & The Family Stone oder den Stooges hinterlässt Spuren. Um 1970 tritt die Truppe bereits als Parliament auf. Rechtsstreitigkeiten um die Rechte an diesem Namen führen allerdings bald zu einer Umetikettierung in Funkadelic.
"Mommy, what's a funkadelic?" Hier wird es langsam Zeit, auf die verwendete Bilderwelt einzugehen. Die zentrale, alles beherrschende Macht stellt, wie könnte es anders sein, der Funk dar, ein allgegenwärtiger Vibe, der mit Instrumenten weniger erzeugt denn eingefangen wird. In "One Nation Under A Groove" zeichnen Funkadelic das utopische Bild vom Lande Funkadelica, wo der Funk regiert und glückliche Funkateers, übrigens auch ein Synonym für P-Funk-Fans weltweit, alles daran setzen, die Welt vor dem Untergang in Unfunkyness zu bewahren.
Wir schreiben das Jahr 1974. Die Fronten sind geklärt, der Name Parliament wieder zur Verwendung freigegeben. Die Wege von Parliament und Funkadelic lassen sich allerdings kaum trennen, da bei beiden Formationen ständig Musiker aus dem gleichen Pool auf der Bühne stehen. Alles in allem gerät der Sound der nun bei Casablanca unter Vertrag stehenden neuen Parliament ein wenig leichter. Ein paar Gitarren werden gegen noch mehr Bläser eingetauscht.
In einem Interview verrät George Clinton einem Reporter: "Im Grunde meines Herzens bin ich ein Hippie. Ich wende mich nicht in einer Weise gegen das Establishment, dass ich dazu aufrufe, bestehende Strukturen zu zerstören, aber ich möchte den Menschen eine Alternative zu diesen Strukturen anbieten." Mit ausreichend vielen Anhängern hätte wohl auch sein afrozentristischer Science Fiction-Kult das Zeug zur Religion gehabt.
Clintons fiktive Mythologie verpackt sozialkritische Botschaften und den immer währenden Kampf zwischen Gut und Böse in teilweise alberne Lyrics und spacige Gewänder, die einer von "Star Trek" und "Die Unheimliche Begegnung Der Dritten Art" geprägten Generation bestens passen. Der comic-artige Plot entwickelt sich in der zweiten Hälfte der 70er Jahre auf mehreren aufeinander folgenden Konzept-Alben von Parliament.
Die kommenden Funk-Opern werfen 1975 auf "Chocolate City" ihre Schatten voraus. Im Jahr darauf bekommt die P-Funk-Welt auf "Mothership Connection", unüberhörbar von Sun Ra beeinflusst, ihren Messias Starchild vorgestellt. Der wurde von Mastermind Dr. Funkenstein mit der Aufgabe betraut, der Welt den Funk (sprich: Leben, Freiheit, Sex und positive Energie) zurück zu bringen.
Was bisher geschah erfahren wir 1976 auf "The Clones Of Dr. Funkenstein". Der Monolog, der jede Parliament-Show eröffnet, wird hier in "Prelude" für die Ewigkeit konserviert: Die Menschheit erwies sich als noch nicht reif für die Macht des Funk, weswegen diese vor mehreren tausend Jahren gemeinsam mit den Pharaonen in den ägyptischen Pyramiden sicher verwahrt wurde. Ein Teil der Bevölkerung unterwarf sich daraufhin den herrschenden Diktaturen, glättete sich das Haar und verlor jedes Gespür für den Groove. (Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!) Einige andere flohen allerdings mit dem Mothership ins All, um die intergalaktische Party am Laufen zu halten. Von hier soll nun die Rettung für die Erde, "the unfunky UFO", kommen.
Kein Licht ohne Schatten: "Funkentelechy vs. The Placebo Syndrome" führt 1977 den bösen Gegenspieler ein. Sir Nose D'Voidoffunk, symbolisch Gier, Krieg und alle Übel verkörpernd, hat dem Funk den Kampf angesagt. Zu cool, um zu tanzen. leistet er dem "Placebo Syndrome" Vorschub, das die Menschen vom Denken wie vom Tanzen abhalten soll. Starchild setzt "Funkentelechy" (funk + intelligence + technology) sowie seine Wunderwaffe, die Bop-Gun dagegen. Die hier genüsslich ausgewalzte, bei Bootsy Collins' Rubber Band entliehene "Pinocchio Theory" (Obacht: "Don't fake the funk or your nose will grow!") darf getrost als Seitenhieb auf die ungeliebte, schweiß- und seelenlose Entwicklung Disco gewertet werden.
1978 verlagert sich das Geschehen auf "Motor Booty Affair" nach Atlantis. Zum Schwimmen lässt sich Sir Nose selbstverständlich auch nicht herab. Hier bekommen die beiden Hauptfiguren noch jeweils einen Sidekick an die Hand. Dem Bösen nützt dies alles wenig: Am Ende tanzt auch Sir Nose den "Aqua Boogie". So setzt sich der Kreislauf über "Gloryhallastoopid" fort, bis auf dem letzten Parliament-Album "Trombipulation" sogar das Übel seine Wurzeln im göttlichen Funk erkennen muss und Sir Noses Sohn dieser Allmacht ewige Treue schwört. Happy End.
Parliament verfügen über abgedrehtere Stories als Funkadelic. Bootsy Collins' Rubber Band steuert weitere Charaktere wie Casper, not the Friendly Ghost (but the Holy?), oder den Barbie um Welten überlegenen Bootzilla bei. Collins' Werk liefert zwar hochgradig schräge Inhalte, wirkt was Rhythmen und Arrangements betrifft allerdings wesentlich disziplinierter und durchdachter. Alle verbindet eine enge Beziehung zwischen Musik und enthaltener Botschaft: P-Funk bedeutet Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit - und nicht zuletzt eine die ganze Welt umspannende Party.
In George Clintons Parliament-Funkadelic-Imperium sind zu seinen besten Zeiten zwischen 50 und 70 Musiker aktiv. Viele von ihnen versehen ihren Dienst in diversen James Brown-Backing-Bands, bei den JBs oder den Soul Gs. Dieser zum "P-Funk-Mob" zusammengefasste Haufen birgt u.a. Bootsy's Rubber Band, die Brides of Funkenstein, Parlet, die Horny Horns, Zapp, die P-Funk Allstars und zahlreiche andere Projekte. Die meisten Musiker, unter ihnen Bootsy Collins, Maceo Parker, Roger Troutman, Fred Wesley (und und und) sind in mehr als nur eine Gruppierung involviert.
Vertragliche Gebundenheiten sorgen für einige Namenswechsel und damit einher gehende Verwirrungen. Die Werdegänge der einzelnen Bands lassen sich nur schwer bis überhaupt nicht auseinander dividieren. Dem P-Funk-Mob entspringen zudem zahlreiche Solo-Karrieren. In seinem Dunstkreis wirken unter anderem Junie Morrison, ein Multiinstrumentalist, Produzent und Arrangeur aus den Reihen der Ohio Players, sowie Jazzbassist Rodney "Skeet" Curtis.
P-Funk-Live-Auftritte bescheren den zahlreich angereisten Fans und Funkateers aus Uncle Jam's Army eine farbenprächtige, irrwitzige Bühnen-Show, bei der bis zu 30 futuristisch kostümierte Musiker gemeinsam auftreten: "Shit! Goddam! Get off your ass and jam!" Die aufwändigen Inszenierungen gehen auf Entwürfe George Clintons zurück. Eingekleidet wird die Meute von Larry LeGaspi, der bereits Bühnenoutfits für The Who, Kiss und Patti LaBelle lieferte. Jules Fischer, auch tätig für die Stones oder David Bowie, ist an der Gestaltung ebenfalls beteiligt.
Clintons Mothership landet auf Touren 1975, '76 und '77. Der "Motor Booty Affair"-Tour schließt sich, Geldmangel zwingt dazu, 1979 eine "Anti-Tour" durch wesentlich kleinere Clubs an, bei der hauptsächlich frühes Funkadelic-Material im Gepäck geführt wird. Um diese Zeit machen sich Drummer Dennis Chambers und Gitarrist Dewayne "BlackBird" McKnight innerhalb des P-Funk-Mobs einen Namen.
Doch Clintons Stern befindet sich bereits im Sinken. Das letzte Parliament-Album erscheint 1980, das letzte von Funkadelic im Jahr darauf. Clintons Drogenprobleme erweisen sich ebenso wie interne Auseinandersetzungen als Kreativitäts-Hürden, die das Mothership schließlich zur Bruchlandung zwingen. Die drückenden Finanzsorgen lindert erst die erfolgreiche Comeback-Single "Atomic Dog" von 1983, die jedoch gleichzeitig den letzten großen Hit der P-Funk-Ära darstellt. Zwischen 1986 und '89 bleibt es still um den P-Funk Mob.
Erst der aufkommende Hip Hop haucht dem fast vergessenen Genre wieder Leben ein. Liefert anfangs noch James Brown einen großen Teil der Samples, schicken sich die Bands der P-Funk-Phase bald an, dem Godfather of Soul diese Spitzenposition streitig zu machen. 1989 eröffnen De La Soul mit "Me, Myself And I", wofür sie Funkadelics "(Not Just) Knee Deep" samplen, die Schlacht am kalten Büffet. Digital Underground legen im Jahr darauf mit "Humpty Dance" (basierend auf "Lets Play House") nach und lassen einen alten Bekannten, Sir Nose, auferstehen.
P-Funk nimmt Einfluss auf Cameo und Rick James. En Vogue schmettern eine entschärfte Version des Slogans "Free Your Mind". Die Red Hot Chili Peppers und andere Funk-Rock-Bands nutzen das Vermächtnis des P-Funk, um dem Gitarrenrock aufzufrischen. Den beeindruckendsten Stempel drückt Clinton allerdings dem Hip Hop auf: Arrested Development, Brand Nubian, der X-Clan, Ice Cube ... die Zahl der Erben ist Legion. Dr. Dre entwickelt (mit dem Meilenstein "The Chronic") den P- zum G-Funk, Ghetto- oder Gangsta-Funk, fort, der aktuellem Hip Hop ein solides Fundament mauert.
Anfang der 90er Jahre werden die Alben von Parliament und Funkadelic wieder aufgelegt. Nach mehreren Jahren Pause begeben sich die P-Funk-Allstars wieder auf Tour. George Clinton verlegt sich allerdings weitgehend auf Solo-Projekte und dreht auch den einen oder anderen Werbespot ab. 2004 geht nach Jahren der Ruhe wieder ein komplettes P-Funk-Ensemble auf die Reise. Kaum zu glauben: Das Mothership fliegt immer noch.
"Do you promise to funk? The whole funk? And nothin' but the funk?"