8. Oktober 2025
"Musik und Aktivismus kann man nicht trennen"
Interview geführt von Elias RaatzSie sind aus keiner antifaschistischen Playlist wegzudenken und prägten die linksalternative Musikszene mit. Jetzt sind Irie Révoltés nach über sieben Jahren zurück auf der Bühne – und im Publikum gehen wieder die Fäuste hoch.
Eigentlich lösten sich Irie Révoltés 2017 auf, heute steht den beiden Frontmännern der Band die Vorfreude ins Gesicht geschrieben. Nicht nur auf den folgenden Auftritt in Stuttgart, sondern auch auf ihre Tour zum Jahresende. Im Interview erzählen Mal Élevé und Carlito, warum es zu diesem Comeback kam, was sie politisch antreibt und warum diese Reunion ein einmaliges Erlebnis bleiben wird.
Euer Comeback hat viele überrascht. Wie kam es überhaupt dazu?
Mal Élevé (E): Es war ehrlich gesagt eher Zufall. Wir haben uns vor über zwei Jahren das erste Mal zusammengesetzt - einfach nur, um zu quatschen. Und plötzlich war da wieder dieses Feuer. Alle hatten wieder Bock. Irgendwann kam der Punkt, wo wir uns gefragt haben: Können wir das nochmal machen, passt das in unser Leben? Eigentlich wollten wir schon 2024 loslegen, aber das war zu kurzfristig. 2025 hat sich dann angeboten und passt auch perfekt, weil wir da unser 25-jähriges Jubiläum feiern.
Carlito (C): Ich war anfangs eher skeptisch. Es war nicht zwingend mein Wunsch, nochmal auf die große Bühne zu kommen. Aber die Gespräche wurden länger, intensiver, und irgendwann dachte ich: Wenn Comeback, dann jetzt!
Wie fühlt sich diese Wiedervereinigung heute für euch an?
C: Wir hätten niemals gedacht, dass es so heftig einschlägt. Einige Shows waren schnell ausverkauft, viele Zusatztermine kamen dazu – das ist emotional und total schön. Es zeigt, dass das Publikum noch genauso Lust auf uns hat wie umgekehrt.
E: Wir sind fast die komplette Original-Crew - auf der Bühne und im Hintergrund. Das war uns wichtig: Nicht nur Musik machen, sondern den alten Vibe wieder aufleben lassen.
Wie ist Irie Révoltés eigentlich entstanden?
C: Unser erstes Konzert war im Jugendzentrum Heidelberg und hat uns völlig weggeblasen. Wir hatten nur vier Songs und haben die einfach vier Mal hintereinander gespielt. Das Publikum war komplett dabei. Danach wussten wir: Das müssen wir weitermachen!
E: Wir hatten damals nicht mal eine Bühne, sondern standen einfach mitten im Raum. Diese Energie zwischen uns und dem Publikum, das war einfach krass. Und genau das war unser Antrieb, das hat uns Energie gegeben.
"Wir wollen in diesen Zeiten ein Gegenpol sein"
Politisches Engagement war von Anfang an ein Markenzeichen von Irie Révoltés. Wie wichtig ist euch das heute noch?
E: Musik und Aktivismus kann man nicht trennen - zumindest wir nicht. Unsere Songs sind immer auch Statements. Das ist keine Strategie, das ist einfach unser Leben. Gerade jetzt, wo weltweit Menschenverachtung und Rechtsruck zunehmen, ist es genau der richtige Moment, wieder laut zu werden. Wir wollen in diesen dystopischen Zeiten ein Gegenpol sein, gegen den Rechtsruck in Deutschland und weltweit, gegen Kriege und Militarismus.
C: Trotz der schwierigen Zeiten macht es Mut zu sehen, wie viele Menschen bei unseren Konzerten ein Zeichen setzen. Das gibt Hoffnung. Und es ist schön zu sehen, dass auch andere Bands heute Haltung zeigen. Da hat sich seit unserer letzten Tour 2017 einiges getan.
Ihr habt seit eurer Auflösung 2017 ja keine neuen Songs geschrieben. Sind eure alten Songs denn überhaupt noch aktuell?
C: Traurigerweise sind viele unserer Texte heute aktueller denn je. Das ist frustrierend. Die Show ist zwar komplett neu – mit Remixen und Überraschungen – aber inhaltlich passt vieles leider immer noch. Das könnte ich heute teilweise genauso schreiben, das kann doch nicht wahr sein! Die Gesellschaft driftet immer weiter nach rechts, und am Ende stehen meistens Wirtschaftsinteressen vor den Menschen. Das ist schlussendlich natürlich auch eine Systemfrage.
"Unser größter Erfolg sind die persönlichen Geschichten"
Viele eurer Positionen gelten als linksradikal. Seht ihr euch selbst so?
E: Wir sagen selbst: Ja, wir sind linksradikal, wenn man darunter versteht, dass wir uns gegen Diskriminierung, Menschenverachtung und Ausgrenzung stellen. Wir sind ja beispielsweise der Meinung, dass kein Mensch illegal ist und Menschenrechte für alle gelten sollten. Eigentlich sollte diese Einstellung Normalität sein und nicht als linksradikal wahrgenommen werden. Die Gesellschaft hat sich stark verändert, unsere Texte nicht. Heute werden wir vielleicht radikaler wahrgenommen als früher, aber unsere Inhalte sind die gleichen.
C: Ich bin eigentlich gegen Schubladen. Jeder soll unsere Haltung einordnen, wie er will. Wichtig ist nur: Wir stehen zu dem, was wir sagen und lassen uns nicht verbiegen.
Wie wichtig ist euch die Wirkung eurer Musik auf das Publikum?
C: Unser größter Erfolg sind die persönlichen Geschichten. Wenn uns jemand sagt, dass unsere Musik ihn oder sie politisch geprägt hat - das ist unbezahlbar. Genau dafür machen wir das.
E: Es ist auch eine Ehre, dass unsere Songs heute auf so vielen Demos laufen, auch wenn wir gar nicht selbst da sind. Das haben wir uns immer gewünscht.
Und was passiert nach dem Tourjahr 2025?
E: Danach geht's für mich mit meinem Solo-Projekt als Mal Élevé weiter. Das ist mein Herzensprojekt, womit ich seit 2017 ja schon auf der Bühne stehe. Aber dieses Jahr genießen wir als Band und ich bin dankbar, meine Zeit mit der Irie-Family teilen zu dürfen.
C: Für mich endet es dann wieder. Ich freue mich riesig auf die Zeit mit der Band und dem Publikum, aber danach geht es für mich zurück ins Privatleben.
Letzte Frage: Was gebt ihr euren Fans mit auf den Weg?
C: Man muss immer weiter machen und darf sich nie unterkriegen lassen. Auch wenn es gerade schwerere Zeiten sind, ist jeder Tag ein guter Tag, um sich gegen Faschismus und Menschenverachtung zu stellen.
E: Wir haben viel erreicht, wenn sich nur eine Person irgendwann traut, 'Nein' zu sagen, wenn es wichtig ist. Und wenn Menschen bei unseren Konzerten Kraft und Gemeinschaft spüren – dann ist das das größte Geschenk für uns.
Tourdaten:
08.10.2025 Wiesbaden, Schlachthof
10.10.2025 Leipzig, Werk 2 (ausverkauft)
11.10.2025 Hamburg, Georg-Elser-Halle (ausverkauft)
12.10.2025 Hamburg, Georg-Elser-Halle
23.10.2025 München, Tonhalle
24.10.2025 Köln, Palladium
25.10.2025 Bremen, Pier 2
29.10.2025 Bern, Grosse Halle
31.10.2025 Berlin, Columbiahalle
20.12.2025 Mannheim, Maimarkthalle (ausverkauft)
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