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Datum: 18. Juni 2010
Location: Degenaupark Wil
Jonschwil
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Sintflut, Schlamm und R'n'R!

Review von Giuliano Benassi

Metallica, Anthrax, Slayer und Megadeth - The Big Four. Die bekanntesten, noch aktiven Thrash Metal-Bands am selben Tag auf demselben Festival! Und dann noch Motörhead oder Alice In Chains dazu. Das hatte es noch nie gegeben.

Das Ereignis sollte ungeahnte kosmische Kräfte freisetzen, versprach das flashige schwarze Loch auf der Webseite der Sonisphere-Festivals. Was dann im schweizerischen Jonschwil auch tatsächlich geschah - leider etwas anders als erwartet. Denn pünktlich zur Eröffnung am Donnerstagabend setzte ein sintflutartiger Regen ein, der bis zum Nachmittag des Folgetages andauern sollte.

Sintflut, Schlamm und R'n'R

Die unschöne Folge: Der Schlamm auf dem Gelände war bald so tief, dass einige Besucher gleich wieder abreisten. Oder zumindest den Versuch starteten, einen Bauern zu finden, der ihr Auto von den unbefahrbaren Wiesen zog. Der Mythos Woodstock revisited, sozusagen. Keineswegs eine schlechte Referenz, aber auch kein Maßstab, an dem sich Organisatoren messen sollten.

Für den Regen konnten sie nichts, aber einen echten Plan B hatten sie angesichts der Witterungsbedingungen und den zehntausenden von Fans nicht. Blechlawinen auf durchweichten Wiesen parken zu lassen bleibt ebenso unverständlich wie der Umstand, nach dem Ende der Hauptfeierlichkeiten auf zusätzliche Ausgänge neben der Bühne zu verzichten, die den Zuschauerstrom auf die Straße gelenkt hätten. Stattdessen mussten die Menschenmassen hunderte Meter weit durch knietiefen Schlamm waten, um den einzigen Ausgang zu erreichen.

Zur Teezeit röhrten die Boxen

Die Bands hatten sich von den Bedingungen gleichwohl nicht irrtieren lassen und sich ins Zeug gelegt. Der Zusammenschluss der Big Four war aber eher der Aufhänger als das Ziel. So spielten Anthrax und Slayer vollkommen unrock'n'roll schon am frühen Nachmittag. Dafür sprang Anthrax' Aushängeschild Scott Ian zu Megadeth auf die Bühne, die zur Teezeit ordentlich einheizten.

Den ersten großen Höhepunkt setzten mal wieder Motörhead. Bis dahin hatte es aufgehört zu regnen und eine zartes Sonnenlicht brach durch die Wolkendecke. Lemmy bei Tageslicht auf der Bühne zu sehen hat schließlich Seltenheitswert. Eher breeig dagegen rotzte der Sound aus den Boxen: Für die Größe des Geländes war die Anlage einfach unterdimensioniert, zumal von den 45.000 gemeldeten Besuchern viele nicht mehr vor Ort waren.

Auf die eher belanglosen Rise Against folgten Metallica, die sich wie gewohnt von Ennio Morricone-Klängen ankündigen ließen. Dass sie ihr Set mit "Creeping Death", "For Whom The Bell Tolls" und "Ride The Lightning" einläuteten, mit frühen Stücken also, war eine klare Ansage. Schließlich ist ihr aktuelles Album "Death Magnetic" schon wieder zwei Jahre alt. Zwar spielten sie auch das eine oder andere aktuelle Stück, aber der Schwerpunkt lag eindeutig auf den Klassikern.

Seek and destroy? Viel zu erschöpft.

Als zum Finale "Seek And Destroy" ertönte, waren die Zuschauer längst so erschöpft, dass sie entgegen der Botschaft friedlich zum Ausgang wateten – und im völlig verdreckten Dorf versuchten, den Schlamm halbwegs loszuwerden. Die Party ging derweil unter anderem mit Volbeat bis in die Morgenstunden weiter, auch wenn sich die Masse der Aficionados schon auf den Weg gemacht hatte.

Dass der Zusammenschluss auf einer Wiese am Rande eines 3.500-Seelen-Dorfes bei St. Gallen stattfand, war keinesfalls eine Aussage über den Zustand des Genres. Schließlich hatten Metallica schon zwei Jahre zuvor an Ort und Stelle ein bejubeltes Konzert abgeliefert. Ein untern Strich musikalisch gelungenes Festival, das organisatorisch allerdings noch zulegen kann - zumindest, was den Umgang mit miesem Wetter angeht.