laut.de-Biographie
Louis Armstrong
"Jedesmal, wenn ich die Augen schließe und meine Trompete spiele, blicke ich direkt ins Herz des guten, alten New Orleans'. Es hat mir etwas gegeben, wofür es sich zu leben lohnt." Aus dem ärmsten Viertel seiner Heimatstadt steigt Louis Armstrong zu Weltruhm und zu einem der einflussreichsten, möglicherweise sogar zum bekanntesten Jazz-Musiker aller Zeiten auf.
Er revolutioniert den Jazz. Sein Spiel verschiebt das Hauptaugenmerk von bisher üblicher gemeinsamer Improvisation auf elaborierte Soli und begründet so das Star-Solistentum. Noch Jahrzehnte nach seinem Ableben beeinflusst er Trompeter. Zudem macht er sich als Sänger und Entertainer einen Namen.
Dabei gestalten sich die Startbedingungen alles andere als günstig. Louis Daniel Armstrong kommt in einem der ärmsten Viertel New Orleans' zur Welt. Die Großeltern erlebten die Sklaverei noch am eigenen Leib. Seine bei Louis' Geburt noch minderjährige Mutter erweist sich als völlig überfordert, zumal der Vater die junge Familie bald sitzen lässt. Louis wächst teilweise in der Obhut verschiedener Verwandter, allen voran seiner streng katholischen Großmutter, auf.
Bereits im Alter von sieben Jahren ist er weitgehend auf sich allein gestellt, schlägt sich als Zeitungsjunge und mit diversen Gelegenheitsjobs durch. Auf der Grundschule kommt er erstmals mit kreolischer Musik in Kontakt. Mit elf obsiegen allerdings andere Verlockungen: Louis bricht die Schule ab und tut sich mit Kumpels zu einem Quartett zusammen.
Gemeinsam singen und spielen sie auf der Straße und ernten Aufmerksamkeit. Louis' Talent springt King Oliver, einem der einflussreichsten Musiker in New Orleans zu einer Zeit, als Jazz noch Ragtime heißt, ins Auge. Oliver wird zum Lehrmeister und Mentor.
Der junge Louis kommt in New Orleans' Vergnügungs- und Rotlichtviertel prompt in Schwierigkeiten. Mehrfach landet er in einem Heim für schwer erziehbare obdachlose Jugendliche. Rückblickend ein Segen: Hier bringt man Struktur in das Kornett-Spiel, das sich Louis bisher selbst beigebracht hat. Er musiziert in der Kapelle der Einrichtung und bringt es bis zum Bandleader.
Mit 14 Jahren ergattert er sein erstes Engagement in einem Nachtclub und hält sich fortan als Musiker über Wasser. 1918 heuert Louis auf einem Vergnügungsdampfer unter Bigband-Leader Fate Marable an und ersetzt dort sein Idol King Oliver. Die Jahre, die Armstrong den Mississippi hoch und runter gondelt, bezeichnet er später als seine "Universitäts-Zeit". Er lernt Notenlesen, verfeinert und perfektioniert sein Spiel.
King Oliver hat sich mittlerweile nach Chicago abgesetzt. Louis Armstrong folgt 1922. Erste Aufnahmen dokumentieren die zweistimmigen Improvisationen, mit denen die beiden von sich reden machen.
Armstrong hat mittlerweile die Ex-Prostituierte Daisy Parker geheiratet und den dreijährigen Sohn seiner Cousine, der nach einem Unfall an einer geistigen Behinderung leidet, adoptiert. Um ihn soll er sich lebenslang kümmern, die Ehe geht jedoch wenig später in die Brüche.
In Chicago trifft er die Pianistin Lilian Hardin, ab 1924 seine zweite Frau. Ihr Ehrgeiz stachelt ihn dazu an, sich von King Oliver loszusagen, um aus seinem Schatten zu treten. Er wechselt in die Band von Fletcher Henderson und zieht nach New York. Ebenfalls auf Drängen seiner Gattin kehrt er ein Jahr später wieder nach Chicago zurück.
In den folgenden Jahren schart Louis gestandene Musiker um sich. Im Kreise der Hot Five und Hot Seven entstehen zahllose Aufnahmen, die noch Jahrzehnte später als der Beginn des Jazz auf Platte angesehen werden, darunter die Ganja-Hymne "Muggles" (aus "medizinischen Gründen" konsumiert Armstrong zeitlebens das gepriesene Kraut), "Potato Head Blues", "Fireworks" oder "West End Blues".
Louis Armstrongs Siegeszug und der des Swings gehen Hand in Hand. 1927 tauscht er sein Kornett endgültig gegen die Trompete. Armstrong spielt vorwiegend in Bigbands, absolviert zahllose Live-Auftritte, steuert Musik für Stummfilme bei und tritt selbst immer wieder in Filmen auf, darunter "Die Glen Miller Story", "Hello Dolly!" und "Die Oberen Zehntausend".
Nebenbei profiliert er sich als Sänger und Entertainer, der insbesondere dem Scat-Gesang den Weg bereitet. Den hat er zwar nicht erfunden, zählt jedoch dennoch bald zu dessen prominentesten Interpreten.
Auch die Verbindung mit Lilian Harding erweist sich als nicht von Bestand. Louis Armstrong trennt sich von ihr und geht nach Los Angeles. Die Ehe wird nach Jahren der Trennung 1938 geschieden. Insgesamt tritt Armstrong viermal vor den Traualtar.
Die Depression Anfang der 30er Jahre wirkt sich verheerend auf die Musikszene aus. Lokalitäten schließen, Bigbands werden aufgelöst, auch Louis Armstrong bläst kalter Wind ins Gesicht. Er verstrickt sich in Schulden, kommt mit der Mafia und dem Gesetz in Konflikt - und entfleucht den gesammelten Wirrnissen: Er begibt sich auf Europatour.
Fast zwei Dekaden lang ist Louis Armstrong im Grunde permanent unterwegs, spielt teilweise mehr als 300 Shows pro Jahr. Nachdem in den 40er Jahren die Tage der Bigbands gezählt sind, löst er 1947 die eigene auf, lässt sich im New Yorker Stadtteil Queens nieder und widmet sich wieder mehr seinen Wurzeln, dem New Orleans Jazz.
Statt eines vielköpfigen Ensembles zieht er gemeinsam mit Earl Hines ein Sextett auf, die späteren All Stars. Erneut zeugen Aufnahmen über Aufnahmen von der Produktivität der Gruppe. 1949 ziert Armstrong das Cover des Time Magazines, 1964 verdrängt er mit seinem bis dato größten Hit "Hello Dolly" die dort seit Wochen rangierenden Beatles vom Spitzenplatz der Charts.
Seinen Spitznamen Satchmo, kurz für "satchelmouth", "Ranzenmund", verpasst ihm die Presse angesichts seiner wulstigen Lippen. Sein Einsatz als musikalischer Abgesandter des US State Departments in verschiedenen Ostblock-Staaten sowie Afrika und Asien verhilft ihm zum scherzhaften Titel "Ambassador Satch".
Viele Schwarze bemängeln, Armstrong biedere sich dem weißen Lebensstil zu arg an. Der nutzt seine Popularität zwar nur gelegentlich, um den real existierenden Rassismus anzuprangern, unterstützt jedoch als stiller Geldgeber hinter den Kulissen die Arbeit des Bürgerrechtlers Dr. Martin Luther King.
Zeitlebens befasst er sich ausgiebig mit der eigenen Gesundheit. Seiner oft besungenen Liebe zu gutem Essen begegnet er mit ausgeklügelten Diätprogrammen, veröffentlicht sogar einen Leitfaden mit dem Titel "Lose Weight The Satchmo Way".
Zunehmend teilen Ärzte die Sorge um seinen körperlichen Zustand und raten ihm der Anstrengung wegen vom Trompetenspiel ab. Armstrong bleibt trotz eines Zusammenbruchs 1959 geschäftig, verlegt sich aber mehr und mehr auf den Gesang. 1969 interpretiert er den Titelsong "We Have All The Time In The World" zum 007-Streifen "Im Geheimdienst Ihrer Majestät".
Alle Zeit der Welt ist ihm selbst nicht mehr beschieden: Am 6. Juli 1971 erliegt er im Alter von 69 Jahren im Schlaf einem Herzanfall. Ein Jahr später wird sein Schaffen posthum mit dem Grammy fürs Lebenswerk gewürdigt. Erst 1983 enthüllt der wieder aufgetauchte Taufschein sein wahres Geburtsdatum: Statt, wie er selbst stets angab, am Unabhängigkeitstag des Jahres 1900 wurde Louis Armstrong am 4. August 1901 geboren.
An seinem Einfluss auf den Jazz und weit darüber hinaus ändert diese Korrektur nichts. Armstrong selbst blickt kurz vor seinem Tod zufrieden zurück: "Ich denke, ich hatte ein wunderschönes Leben. Ich hatte keine Wünsche, die ich mir nicht erfüllen konnte, und ich habe nahezu alles erreicht, weil ich dafür gearbeitet habe." Ein zufriedener Mann, "what a wonderful world."
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