2. August 2022

"Kate Bush ist eine unglaubliche Künstlerin"

Interview geführt von

"It's Good To Be Back" singen Metronomy in ihrer Anfang dieses Jahres erschienenen Platte "Small World". Und obwohl die Briten nicht wirklich weg waren, passt die Message des Songs zum grundsympathischen Auftreten von Sänger Joseph Mount vor einem Auftritt auf dem Schweizer Paleo Festival.

Woher er seine Energie nimmt, ständig neue Musik zu machen, inwiefern Corona die Stimmung des letzten Albums geprägt hat, wie die aktuelle Tour läuft, welche Tipps er gegen die Hitze hat und was Kate Bush für ihn bedeutet, erzählt Metronomys Joseph Mount im Zoom-Interview.

Joseph, ihr tourt derzeit durch Europa und Großbritannien. Wie war die Tour bis jetzt, was war das Highlight?

Es war wirklich gut, danke. Wir hatten zum Glück keine Probleme mit Covid, verpassten Flügen oder so etwas. Es läuft also alles gut. Ich glaube, mein bisheriger Höhepunkt war das Glastonbury Festival. Das hat Spaß gemacht. Aber es ist irgendwie verrückt, dass diese Deutschlandtour mittendrin ist. Wir leben sozusagen zwischen Festivals und Tourneen. Das ist ungewöhnlich.

Auf welche (deutsche) Show freust du dich besonders?

Es gibt viele deutsche Städte, in denen wir gerne spielen. Aber ich bin ein wirklich großer Fan von Hamburg geworden. Es ist ein cooler Ort. Ich meine Berlin ist ein bisschen offensichtlich, aber ich habe dort Freunde. Also mag ich auch diese Stadt sehr.

Spürst du immer noch den unterschiedlichen Vibe der Länder?

Ja, es ist selbst so, dass man innerhalb eines Landes eine andere Atmosphäre zwischen den Städten hat. Aber auf jeden Fall gibt es Länder, die eher zurückhaltend sind und Länder, die verrückter sind. Und ja, man bekommt ein richtiges Gefühl dafür. Wobei im Moment habe ich das Gefühl, dass die Leute nach der Pandemie ein bisschen verrückt spielen wollen, und so fühlt es sich jetzt eigentlich überall ähnlich an. Ich denke, sie sind einfach aufgeregt.

Die Leute wurden durch die Pandemie verrückt.

(Lacht) Genau, ja.

In Deutschland ist es aktuell sehr heiß. Hast du bestimmte Lifehacks, um das Tourleben in der Hitze zu überstehen?

Ich denke der einzige Lifehack ist eine Klimaanlagen oder ins Wasser gehen. Daher mag ich es, in der Nähe eines Sees zu übernachten. Um einfach die Körpertemperatur zu senken. Aber es ist nicht normal, dass es hier so heiß ist. Es gibt also keinen Hack. Der Hack ist wohl, den Klimawandel umzukehren.

Im Herbst, nach der Europa- und UK-Tour, werdet ihr in den USA, Kanada und Mexiko spielen. Welcher Ort fehlt noch auf eurer Bucket List?

Wir haben noch nie in Afrika gespielt. Gbenga in der Band ist Nigerianer. Ich denke also, in Nigeria und einigen anderen afrikanischen Ländern zu spielen, würde wirklich Spaß machen. Oder Indien, wir haben noch nie in Indien gespielt.

Aber dort ist es noch heißer.

Ich weiß, leider (lacht).

2011 haben wir schon mal ein Interview mit dir geführt. Damals hast du folgenden Satz gesagt: "Das Internet tötet oft das Potenzial junger Bands". Wie siehst du das heute?

Ich denke, es stimmt. Aber es ist nicht nur etwas, das man in der Musik sieht. Der Appetit der Leute ist so: Das nächste Ding, das nächste Ding und das nächste Ding, was ja auch in Ordnung ist. Das war schon immer der Fall. Aber ich habe das Gefühl, dass es dem Selbstvertrauen der Leute schaden kann, wenn sie etwas machen, von dem die Leute sehr begeistert sind, und sich beim nächsten Mal dann selbst übertreffen wollen. Als Beispiel: Wenn du einen Post auf TikTok machst und eine Million Likes bekommst und als Nächstes bekommst du nur 10.000 Likes. Das schadet den Leuten wirklich. Es ist manchmal schwer zu verstehen, wie sehr das die Menschen beeinflussen kann.

Ich glaube, mit der Musik ist es dasselbe. Die Leute sind von dir begeistert, wenn du brandneu bist und dann beim nächsten Mal schon wieder nicht. Ich glaube, das kann das Selbstvertrauen der Leute einfach verletzen. Aber ich denke, wenn man mit dieser Erfahrung umgehen kann, dann lohnt es sich immer noch, Musik zu machen und zu versuchen, den Durchbruch zu schaffen.

Nehmen wir an, du könntest die Zeit zurückdrehen. In welchem musikalischen Zeitalter oder Jahrzehnt ohne soziale Medien und Spotify würdest du leben wollen?

Ich glaube, ich hätte die achtziger Jahre genossen. Ich fand sie einfach toll und es gab eine Menge aufregender, recht progressiver Musik.

Hast du auch ein "Guilty Pleasure" aus früheren Zeiten?

(Lacht) Ich habe nicht wirklich ein schlechtes Gewissen. Ich meine, ich kann mit all meinen Vorlieben ganz gut leben. Aber ich erinnere mich an eine Single von Paris Hilton mit dem Titel "Stars Are Blind", der ein sehr guter Song ist.

"Kate Bush ist eine unglaubliche Künstlerin"

Bist du eigentlich auch für den Twitter-Account von Metronomy verantwortlich?

Manchmal schreibe ich dort etwas, ja.

Vielleicht hast du über die eine Sache getwittert, über die ich sprechen möchte. Aber zuerst muss ich auf das oben erwähnte Interview zurückkommen. Dort hast du auch gesagt: "Junge Menschen können gute Musik kaum noch wertschätzen". Mit dem Revival von Kate Bushs "Running Up That Hill (A Deal With God)" sollten die jungen Leute dich nun vom Gegenteil überzeugt haben. Und dazu hast du endlich gelernt, dass Kates Deal mit Gott darin besteht, "unsere Plätze zu tauschen" und nicht "alle Plätze zu überfluten", wie du getwittert hast.

Die Sache mit dem Kate Bush-Phänomen ist, dass es in ein Programm gepackt wurde, das junge Leute wirklich lieben. Und ich glaube, das ist der Punkt. Das Interessante ist, ich habe "Stranger Things" nicht gesehen, aber ich weiß, dass es einen Metallica-Song gibt, der in einer anderen Folge vorkommt. Und offensichtlich geht man davon aus: "Oh, das wird auch mit Metallica passieren", was natürlich nicht der Fall ist. Dieses Zitat von mir klingt nicht wie etwas, das ich sagen würde. Aber es fasziniert mich immer wieder, was junge Leute mögen. Ich habe großen Respekt vor ihnen.

Bist du auch Fan von Kate Bush?

Ja, absolut. Sie hat einen Song namens "Babooshka". Das war der erste Kate Bush-Song, den ich je gehört habe. Und es war eine der ersten Platten, die ich in der Plattensammlung meiner Eltern fand. Ich erinnere mich daran, dass ich sie hörte und völlig verblüfft war, wie verrückt sie war. Sie ist eine unglaubliche Künstlerin.

Wäre das ein Grund dafür, dass du dir "Stranger Things" jetzt doch noch ansiehst?

Ich weiß es nicht. Ist "Stranger Things" gut?

Ich finde die Serie gut.

Vielleicht versuche ich es mal.

Lass uns über euer Album reden. Dafür eine weitere "Stranger Things"-Referenz. Die Macher der Serie haben darin eine Art Paralleluniversum kreiert, die "Shadow World". Ihr habt für Metronomy die "Small World" erschaffen. Warum heißt das Album so und nicht vielleicht "Mad World"?

In den letzten Jahren habe ich mich mit allen Menschen auf der Welt sehr verbunden gefühlt, weil jeder [mit Corona] diese Art von gemeinsamen Erfahrungen gemacht hat. Ich habe das Gefühl, dass man auch jetzt mit all diesen verrückten Hitzewellen und dem Wetter merkt: "Oh, wir leben unser Leben in der Vorstellung, dass wir nicht wirklich jeden auf der Welt kennen", aber es ist so, dass jeder auf diese Art und Weise verbunden ist und tatsächlich denke ich, dass ich so die Anwesenheit von jedem spüre. Also ja, ich glaube es ist eine verrückte Welt, aber es ist auch etwas, das wir irgendwie unter Kontrolle haben.

"It's Good To Be Back" war die erste Veröffentlichung. Ist das auch wirklich dein Lieblingssong, wie du im Text sagst?

(Lacht) Es fühlte sich wie ein guter erster Song an, den man herausbringen konnte. Und ich mag den Ursprung der Klangwelt dieses Songs. Aber weißt du, dein Lieblingssong von einem Album ändert sich immer. Jetzt ist mein Lieblingssong "Love Factory". Den mag ich aktuell am meisten.

Zu "It's Good To Be Back" gibt es auch ein Video. Was war die Idee dahinter?

Die Regisseure hatten diese Murmeltiertag-Idee, bei der ich immer wieder zurück ins Leben komme. Es sollte darum gehen, den gleichen Kampf noch einmal zu erleben oder so etwas in der Art. Aber es soll auch ein bisschen Spaß machen. Die Mitglieder der Band repräsentieren verschiedene Charaktere.

Wird es noch ein weiteres Video geben?

Ich bin mir nicht sicher. Es könnte später im Jahr etwas geben. Aber noch ist nichts geplant.

"Ich würde mir wünschen, dass man mir ernsthafte politische Fragen stellt"

Die Stimmung auf "Small World" wechselt von melancholisch und sentimental zu hoffnungsvoll und glücklich. Spiegelt das Album das pandemiebedingte Gefühlschaos wider, in dem wir uns alle befanden?

Ich denke, das ist immer so, oder nicht? Alles ist immer eine Mischung aus solchen Gefühlen und es geht darum zu akzeptieren, dass all diese verschiedenen Dinge zusammenleben. Man muss nicht nur optimistisch sein, man kann optimistisch und auch traurig sein. Es ist alles miteinander vermischt.

Aber denkst du, dass es ohne die Pandemie ein ganz anderes Album geworden wäre?

Es hätte vermutlich ähnlich geklungen, aber vielleicht wären die Texte ein bisschen anders gewesen. Es ist witzig, ich glaube, es wäre etwas ausgefallener gewesen, weißt du? Ich habe das Gefühl, dass die Platte so irgendwie aufrichtiger und realer ist, und ich denke, das ist eine gute Sache.

Ich mag besonders den Feelgood Vibe von "Love Factory". Ist es schwieriger, in Zeiten globaler Krisen über seichte Themen zu schreiben oder hilft es eher, diese zu überstehen?

Es gibt so viele verschiedene Wege Musik zu nutzen. Und wie ich schon sagte, all diese verschiedenen Gefühle vermischen sich miteinander, also fiel es mir nicht schwer. Es ist fast wie eine Begeisterung am Ausbrechen selbst und ich denke mir: "Oh ich spiel es einfach". Ich gebe vor, dass nichts schlecht ist und ich schreibe einfach den fröhlichen Song. Also ich denke, es ist nicht einfacher oder härter in schwierigen Zeiten.

Welcher Song beschreibt am besten deine Stimmung vor - und welcher nach der Veröffentlichung des Albums?

Vor der Veröffentlichung würde ich sagen "Things Wil Be Fine" und danach "Love Factory".

Es kommt mir so vor, als hättet ihr die Reihenfolge der Tracks bewusst gewählt. Oder ist es reiner Zufall, dass die Platte mit "I've Seen Enough" endet?

Es ist ziemlich wichtig, wie sich ein Album entwickelt. "I've Seen Enough" hat gut zum Ende der Platte gepasst, es war auch irgendwie lustig. Aber ja, es wurde alles durchdacht. Man muss versuchen, das Interesse der Leute zu erhalten und eine Reise aufzubauen.

Ich habe gelesen, dass du an einer Folge-EP zu "Posse" arbeitest. Woher nimmst du all diese Energie und Kreativität?

Ich nehme an, du hast das Gefühl, dass du weitermachen musst, sonst vergessen dich die Leute (lacht). Aber nein, die Sache mit der "Posse"-EP macht wirklich Spaß, denn ich schicke Ideen an andere Leute und sie schicken ihre Ideen zurück. Es ist eine aufregende Art, Musik zu machen, und es kostet mich nicht viel Mühe, das zu tun. Ich denke ehrlich gesagt würde ich gerne mehr Zeit mit meiner Familie verbringen und mir die Zeit besser einteilen, aber ich bin immer noch ein bisschen zu aufgeregt, Musik zu machen.

Die neue EP wird wie der Vorgänger mit anderen Artists sein. Kannst du schon etwas über die Künstler verraten, die darauf zu hören sein werden?

Vielleicht gibt es einen Song mit dem britischen Sänger Lynks. Ich hoffe, dass er darauf zu hören sein wird.

Wenn du dir einen Künstler für diese EP oder ein anderes Album aussuchen könntest - tot oder lebendig - wer wäre es?

Das ist lustig, denn ich denke, die Idee der EP ist, dass sie mit Leuten gemacht wird, die neu sind. Es sollen nicht irgendwelche etablierten Leute sein. Aber wenn ich mir jemanden aussuchen könnte, tot oder lebendig, dann würde ich Rihanna nehmen.

Warum sie?

Ich denke, sie ist eine ziemlich spannende Künstlerin. Auch wenn sie nicht mehr so viel Musik macht, würde ich gerne mit ihr arbeiten.

Welche Frage wolltest du schon immer einmal gestellt bekommen, aber niemand tat dies bisher?

Ich habe das Gefühl, mir wurden schon so viele verschiedene Fragen gestellt. Ich glaube, ich habe mit meinen Freunden sehr viel über Politik gesprochen. Ich würde mir wünschen, dass man mir ernsthafte politische Fragen stellt. Also vielleicht beim nächsten Mal (lacht).

Nächstes Mal! Danke für deine Zeit, später eine tolle Show in der Schweiz und weiterhin eine schöne Tour.

Danke, schön mit dir gesprochen zu haben!

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