Platz 3: Rammstein – "Rammstein"
Warum war das Thema?
Zehn Jahre Wartezeit seit "Liebe Ist Für Alle Da" elevierten Rammstein von Deutschlands größter Band zum überhöhten Mythos. Das allein hätte wahrscheinlich schon gereicht, um immense Absatzzahlen für ihr siebtes Album zu generieren. Mit der dazu aufgefahrenen Promokampagne (inklusive Shitstorm, einem Musikvideo mit Eventcharakter, Watchparty auf dem Berliner Alexanderplatz und der Mithilfe übereifriger Journalisten, die nach all den Jahren immer noch nicht mitbekommen hatten, wie Rammsteinsche Provokation funktioniert) dominierten sie dann tatsächlich schon mehrere Wochen vor Release fast durchgehend die Schlagzeilen – nicht nur der Musikpresse. Noch Fragen?
Was schrieben wir?
Rammstein haben ausgesorgt und genießen ihre künstlerische Freiheit. Das erste Album seit zehn Jahren ist mit Abstand das tanzbarste und humorvollste der Band geworden. Trotzdem festigt sie mit dem unbetitelten Werk ihre Marke. Denn klar ist: Wer singt "Wir lieben das Leben", der liebt auch die Liebe und die Lust – letztere gerne im SM-Style. (...) Das Motto "härter, lauter, extremer" ist längst einem "opulenter!" gewichen. Rammstein beherrschen die dafür nötige Klaviatur nahezu perfekt. Das zeigte bereits die beispiellose Anlaufkampagne. Jetzt bestätigen sie es mit den elf Songs ihres neuen Albums. Dazu gehören Klischees. Dazu gehören simple, durchdringende Gitarrenriffs von Kruspe und Landers. Dazu gehört, dass Lindemann vorhersehbar "Sääääääx" krakeelt. Dazu gehört, dass bald europaweit Stadien brennen und womöglich überdimensionalen Puppen blutrotes Konfetti aus dem zerfetzten Torso sprudelt. Und dazu gehört, dass Rammstein einen Fick darauf geben, ob das noch Metal ist oder schon Schlager. Rammstein sind für alle da. Ob du willst oder nicht: auch für dich.
Was denken wir heute?
Kann man so stehen lassen. Zumal das nur wenige Monate später nachgeschobene, ziemlich peinliche Lindemann-Album "F & M" aufzeigte, dass hier wirklich einiges hätte schiefgehen können. Die vereinzelten schwachen Momente des Albums sind zwar seither noch egaler geworden, dafür machen die Hits "Radio" und "Ausländer" sowie Flakes neu gewonnene Freiheit am Keyboard Spaß wie am ersten Tag. "Puppe" bleibt einer der intensivsten Momente der Bandgeschichte. Die besten Textpassagen behalten 2021 ihre Relevanz (auch wenn ihr Urheber in den letzten Monaten vor allem mit eher dümmlichen Aktionen von sich reden machte). Und obwohl einem zwischenzeitlich durchaus mulmig wurde, als landesweit volle Stadien "Deutschland" brüllten, hat auch der umstrittene Albumopener den Test der Zeit überstanden. Eine vergleichbar groß gedachte Rock-Produktion gibt es in Deutschland schlicht nicht. (Manuel Berger)
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2 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Zu den unfassbar peinlichen Lindemann-Platten zumindest Gold. Pendelt sich irgendwo zwischen Großem ("Deutschland", "Radio", "Puppe") und Belanglosem ("Tattoo", "Ausländer") ein, was im Grunde bei jeder Rammstein-Platte nach "Herzeleid" der Fall war. Höre es trotzdem nach wie vor ganz gerne.